ROTER KREIS

Foto© by Alexander Wurm

Musik gewordene Pralinen-Schachtel

Supergroups sind ja schnell mal aus dem Boden gestampft und in den Himmel gelobt. Es ist aber immer fraglich, ob die entsprechende Gruppe wirklich so super ist, wie die Namen ihrer Mitglieder suggerieren. ROTER KREIS aus Düsseldorf bestehen aus Rapper Jason „JayJay“ Firchow, Gitarrist Thomas Schneider (FEHLFARBEN), Bassist Ufo Walter und Vom Ritchie (DIE TOTEN HOSEN, CRYSSIS) am Schlagzeug. ROTER KREIS spielen Crossover, der musikalisch an eine Mischung aus RAGE AGAINST THE MACHINE, BODY COUNT und BEASTIE BOYS erinnert und auf dem Debütalbum „Aufbruch“ textlich beste Punk-Attitüde vermittelt.

ROTER KREIS existieren als Band schon eine ganze Weile und doch weiß kaum jemand, wie ihr zusammengefunden habt. Anlässlich des Debütalbums dürft ihr das jetzt ruhig mal erzählen.

JayJay: Ich war immer eher als Solokünstler aktiv und habe mir bei Auftritten stets ein Soundsystem mit Live-Musikern um mich herum gebaut, die meine Beats unterstützt haben. Dabei habe ich auch Vom und Thomas kennen gelernt. Und irgendwann 2015, 2016, kam ein Auftritt, bei dem mein Schlagzeuger nicht spielen konnte, und ich Vom fragte: „Hast du nicht Lust, einzuspringen und ein paar Sachen zu spielen?“ Und so, wie er immer ist, hat er sofort gesagt: „Ja, klar! Ich bin sofort dabei! Kein Problem!“ Haha. Wir hatten dann eine Probe. Und das war dann gleich nach dem Motto: Gib ihm! Das hat mega viel Spaß gemacht. Es war eine wahnsinnige Energie im Raum. Erst recht, als dann Thomas als Gitarrist und Ufo Walter am Bass dazukamen.

Um welche Songs ging es damals?
JayJay: Wir haben einige Jahre lang nur meine Lieder quasi neu interpretiert. Darunter auch „Geiler Typ“, das jetzt auch auf dem Album ist. Und das war so ein wichtiger Kick, denn wir haben den Song bei einem Festival gespielt und die Leute gingen völlig ab. Das war der Moment, in dem wir uns sagten: So, kommt! Jetzt wird es Zeit, dass wir eigene Stücke schreiben. Lass mal eigene Sachen entwickeln. Und dann haben wir uns zwei-, dreimal im Proberaum getroffen – und das Album war fertig.

Das ist bemerkenswert schnell.
JayJay: Ja. Aber das ist eben das Besondere an dieser Besetzung, an dieser, wenn man so will, Allstar-Band aus diversen Supervirtuosen: Die fackeln nicht lange und brauchen nur drei Tage für etwas, wofür andere Bands womöglich Jahre brauchen. Wie gesagt, wir hatten drei Proben, danach waren 15 Lieder fertig. Und das war gar kein Ding! Wir konnten sofort ins Studio gehen – obwohl wir noch gar keinen Bandnamen hatten. Ich weiß noch, wie wir dann im Studio saßen und ich die ganze Zeit genervt habe: „Leute, wir brauchen einen Bandnamen!“ Und der ist dann während der Studiosession auch entstanden.
Vom: Wobei der Name an und für sich keine große Bedeutung hat. Denn die Band ist der Name. Sie macht den Namen. Zudem ist unser Bandlogo, das große R und K im roten Kreis, ein absoluter Hingucker. Es ist simpel. Und es hat Kraft. Es ist fast ikonisch. Wie bei DEAD KENNEDYS, BAD RELIGION oder BLACK FLAG. Das wird sich hervorragend im Plattenladen machen, denn unser Cover sieht ja jeder sofort im Regal. Alles andere drumherum ist doch auf einen Schlag langweilig. Da greift jeder sofort zu, haha.
JayJay: Wenn ich so überlege, wir haben binnen dreier Tage die Platte live eingespielt und uns einen Namen gegeben. Das war schon irre krass!

Alben live einspielen scheint ein neuer Trend zu sein. Das höre ich momentan immer häufiger. Was ist daran so faszinierend – oder ist es einfach nur billiger?
JayJay: Es hat einfach Auswirkungen auf den Sound. Der ist dadurch bei „Aufbruch“ sehr rough und besonders. Eben weil die Songs nicht bis ins Detail ausgeprobt sind und es nicht nach der Maßgabe ging: Und hier noch ein Supersolo! Und da noch das Mega-Break! Nein, es ging einfach um dieses Rauhe. Um diese Tightness, die Vom und die anderen reinbrachten und zu der ich dann meine Vocals aufgenommen habe.
Vom: Ganz genau. Das passte bei uns sofort. Ich meine: Ich spiele mit Schneider ja in gefühlt einem Dutzend Bands zusammen. Bei uns war das also klar. Aber als wir dann zu viert dastanden und uns sagten „Lasst uns sofort loslegen und das durchziehen“, stimmte die Chemie umgehend. Geiler Song! Nächster Song! Und nächster Song! Und weiter! So ging das die ganze Zeit.

Für dich ist ROTER KREIS aber durchaus ein kleiner Paradigmenwechsel, Vom. Du bist ja vor allem bei DIE TOTEN HOSEN aktiv – und in den vergangenen Jahren nebenbei mit CRYSSIS. Das sind Bands, die komplett anders klingen als ROTER KREIS.
Vom: Das stimmt. ROTER KREIS vereinen Punk, Rock und Rap und haben nichts mit dem Powerpop etwa von CRYSSIS zu tun. Wir klingen sehr facettenreich und spielen entsprechend auch bei allen Arten von Festivals. Und genau das ist es, warum uns die Leute so sympathisch finden: dieser Mix. Wir begeben uns auf einen Ritt durch die Genres und haben die alle absolut drauf. Man kann uns nicht in eine Schublade stecken – und das in einer Zeit, in der ja alles eine Schublade braucht, um als etwas zu gelten. Das ist auch der Unterschied zu CRYSSIS. Mit dieser Band hatten wir bislang nie wirklich Erfolg, weil wir den Punks nicht Punk genug, den Mods nicht Mod genug, den Rockfans nicht Rock genug waren. Mit ROTER KREIS dagegen decken wir alles ab. Die Band ist wie eine Schachtel mit einer Pralinen-Mischung.

Wie sieht eigentlich dein Bezug zu Rap-Musik aus, Vom?
Vom: Ich liebe Bands wie PUBLIC ENEMY. Seit jeher. Ich mag zwar ihre sexistische Seite nicht, die es – wie häufig im Rap – ja auch schon gab. Diese tanzenden Frauen und so. Da ist vieles wirklich respektlos. Aber ich mochte immer schon diese dunkle Seite an ihnen. Dazu Ice-T, LL Cool J, die BEASTIE BOYS. Aber auch den eher funkigen Groove von SLY & THE FAMILY STONE. Diesen Wahnsinnsbass von Larry Graham. Den hat Schneider ja auch drauf. Und JayJay pusht all das mit seinen Texten.

Die stammen ausschließlich von JayJay?
Vom: Ja, bis auf die Zeile „Ich bin ein Arbeitslosengeldempfänger“ im zweiten Song „Arbeitsamt“. Das war der erste Satz, den ich auf Deutsch konnte.

Noch mal zurück zum Aspekt der Allstar-Band. Gerade für dich, JayJay, muss es doch schwierig sein, die anderen überhaupt zusammenzubekommen. Meist ist Vom ja mit DIE TOTEN HOSEN oder Thomas Schneider mit FEHLFARBEN auf Tour, für Promotermine unterwegs oder im Studio.
JayJay: Klar, jeder hat seine Hauptband, die extrem professionell arbeitet. Und natürlich stehen da gerade für jemanden wie Vom viele Termine und Proben an. Aber bei uns gibt es eben gar keinen Druck. ROTER KREIS ist einfach nur Spaß und ein Ding für den Moment. Und das wollen wir uns auch bewahren. Wir werden uns auch in Zukunft nicht regelmäßig jede Woche zum Proben treffen, sondern nur dann, wenn es passt. Dieser Spaß, dieses Ungezwungene macht es doch erst so besonders.
Vom: ROTER KREIS sind schon professionell. Aber es ist auch eine extrem spontane Band. Wir treffen uns – und geben dann einfach unser Bestes. Und bislang haben wir noch jedes Mal diese besonderen Momente hinbekommen, wenn wir zusammen gespielt haben. Das erleben wir ja bei unseren Konzerten. Vor einiger Zeit haben wir in Essen gespielt, ohne dass die Leute dort auch nur einen Song von uns kannten. Und sie sind ausgeflippt! Wenn sie dir folgen und dich abfeiern, ohne dass du überhaupt Musik veröffentlicht hast, ist das schon großartig!

ROTER KREIS sind also die pure Anarchie im Gegensatz zu den Hosen, bei denen alles durchgeplant ist?
Vom: Ja. Das kann man sagen. Es ist Freiheit. Ich bin ein Sklave der Hosen, haha. Aber bei ROTER KREIS bin ich frei. Und Freiheit bringt das Beste in mir hervor. Das war schon immer so. Wenn du deine Ideen frei und ohne Zwänge verwirklichen kannst, kann alles passieren!
JayJay: Das macht die Magie am gemeinsamen Musizieren aus. Wir proben maximal einmal vor Shows und wollten uns schon THE ONE REHEARSAL BAND nennen, haha. Wir kommen zusammen und jammen einfach. Klar, das liegt einerseits am Terminplan der anderen Bands, aber das ist auch so etwas wie unsere Maxime. Wir haben das nicht zuletzt von unserem Bassisten Ufo Walter, der das kultiviert hat: Er geht ständig, also sicher dreimal die Woche zu irgendwelchen Jams. Da setzt er sich mit anderen Leuten hin und macht mit denen zusammen freestylemäßig Musik.

Vom, haben deine Bandkollegen bei den Hosen eigentlich schon bei ROTER KREIS reingehört?
Vom: Ja, Kuddel war schon bei ein paar Shows. Er ist großer Fan. Er sah ein Konzert, fand das klasse – und kommt seitdem ständig.