ROBOCOP KRAUS

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Le Capitaine Future

„Shakend und eingängig auf der einen Seite, wild und rauh auf der anderen, dabei nie trashig, aber auch nie glattproduziert, sondern auf diesem Mittelweg nahezu perfekt„, lautete das Urteil von Joachim über ROBOCOP KRAUS in seinem Review zu deren letzten Scheibe „Tiger„. Und da war er nicht der Einzige, der gemerkt hat, dass die Jungs Talent zum Musik machen haben, wie die zahlreichen, teils euphorischen, Reaktionen aus dem In- und Ausland beweisen. Für wahr, die Band hat es geschafft, sich einen ganz eigenen Sound auszudenken, pendeln mit erstaunlicher Gelassenheit zwischen ihrer Hardcore-Vergangenheit und 40 Jahren Popkultur und sind vielleicht die Band, die Mick Collins mit Ian MacKaye gründen würde, wenn sie sich nur öfter in süddeutschen Jugendzentren treffen würden. Schaut sie euch live an, wenn sie mal wieder in eurer Gegend live spielen, kauft danach die Platten und – ganz wichtig – lest vorher dieses Interview, welches ich mit Thomas Lang (Gesang) und Johannes Uschalt (Schlagzeug), in einem Nürnberger Studio geführt habe, denn demnächst soll die dritte LP der Anzugträger erscheinen.

Da wir uns schon im Studio befinden, könnt ihr ja gleich mal erzählen, wie es mit der neuen Platte aussieht.


Tomi: Wir nehmen jetzt erst mal sieben Stücke auf, gehen dann aber im Dezember noch mal ins Studio, nehmen noch mehr auf, und wenn alles gut läuft, kommt die Platte im Februar wieder bei Day After Records raus.
Jo: Bei der letzten Platte haben wir gemerkt, dass nach dem Aufnehmen von sieben, acht Liedern irgendwie alles zu viel wird. Alles wird unüberschaubar und die Konzentration geht zwangsläufig verloren. Jetzt nehmen wir in zwei Abschnitten auf und hoffen dadurch einen besseren Überblick zu haben. Das Problem beim letzten Mal war eben, dass wir in sieben Tagen vierzehn Lieder aufgenommen und abgemischt haben, das war einfach zu viel.

Wie wird die neue Platte ausfallen? Die „Inferno Nihilistique„ ist in meinen Ohren doch etwas wilder und rockiger als die „Tiger„, die wirklich ausgefeilt klingt.

Jo: Im Nachhinein betrachtet muss ich sagen, dass mir die ‚Tiger’ fast schon ein bisschen zu glatt geworden ist. Damals hatte ich ein wenig Schiss, dass die ‚Tiger’ nicht so gut wird wie die erste Platte, deswegen ist die vielleicht auch ein wenig zu perfekt geworden. Ich denke, dass die neue Platte wieder wilder wird, da wir da auch lockerer rangehen. Wir nehmen zuhause in Nürnberg auf, stehen unter keinem Zeitdruck oder dem Druck, irgendeine Erwartungshaltung bestätigen zu müssen. Eigentlich ist es beknackt, sich da zu viele Gedanken drüber zu machen, aber das schwingt halt einfach mit.
Tomi: Mit jeder neuen Platte möchtest du immer wieder etwas anderes machen. Ich denke, die neue Platte wird abenteuerlicher als die Letzte, wie du anhand unserer neuen Techno- und HipHop-Einflüsse schon hören konntest, haha. So lange du an einer Platte arbeitest, ist alles super spannend und wenn sie dann im Kasten ist und du die Platte in den Händen hältst, hörst du sie dir erst mal eine gewisse Zeit gar nicht mehr an und dann ist es spannend wieder was Neues zu machen.

Wie kam es eigentlich zu dem Kontakt mit Mira von Day After Records, nachdem ihr die erste Platte noch selbst rausgebracht habt?

Tomi: Wir wollten für die zweite Platte einfach ein anderes Label haben und nicht wieder alles selber machen. Wir haben da gleich an Mira gedacht, weil uns seine Releases sehr gut gefielen, wie z.B. von SUNSHINE die ‚Velvet Suicide’-LP und noch ein paar andere Sachen. Wir spielten dann auf einem Festival in Immenhausen und wussten, dass Mira auch da hinkommt. Ich bin dann auf Mira zugegangen, um mich vorzustellen und ihn zu fragen, ob er nicht Interesse hätte, was mit uns zu machen. Mira meinte dann, dass er eigentlich auch mit uns reden wollte, ob da nicht was geht. Jedenfalls hatten wir beide die gleiche Idee, was natürlich ein supercooler Zufall war.

Welche Motivation steckt hinter eurem eigenen Label Swing Deluxe und warum spielen ROBOCOP KRAUS da keine Rolle mehr?

Jo: Swing Deluxe ist das Label vom Thomas und mir, und dort bewältigen wir wirklich nur ganz kleine Dimensionen. Es ist nicht so, dass ROBOCOP KRAUS in einer ganz anderen Liga spielen würde, aber bei Swing Deluxe vertreiben wir Platten ja nur im kleinen Rahmen, zu mehr reicht einfach die Zeit nicht. Bei ROBOCOP KRAUS ist es schon so, dass auch einige Platten ins Ausland gehen, und um das alles zu bewältigen, fehlt uns beiden schlicht die Zeit. Die erste LP haben wir jetzt mit ein paar Bonussachen noch mal auf CD rausgebracht, aber die CD vertreiben wir nicht mehr großartig, die verkaufen wir halt noch auf Konzerten und damit hat es sich. Jedenfalls sind wir superfroh, dass Mira jetzt diese ganzen Vertriebssachen übernimmt, das ist wirklich eine gewaltige Verbesserung. Der macht da einen Superjob und reinquatschen tut er uns auch nicht bei dem was wir machen. Persönlich verstehen wir uns auch noch super, so ist er z.B. schon öfter bei Wochenendkonzerten bei uns mitgefahren.
Tomi: Der Hauptunterschied zwischen Day After und Swing Deluxe ist einfach der, dass bei Mira das Label die ganze Aufmerksamkeit genießt, während bei uns die eigene Band an erster Stelle steht. Swing Deluxe liegt uns zwar auch sehr am Herzen, aber die Band ist einfach unser Hauptding. Deswegen überlassen wir die Labelarbeit auch gerne jemandem, der das auch hauptberuflich macht. Außerdem ist es total beknackt, die eigene Platte bei Mailordern etc. anzupreisen.

Jetzt ist Day After natürlich auch nicht der große Medienkonzern, macht es euch da eigentlich ein wenig stolz, doch schon einiges bewegt zu haben, während andere Labels richtig Kohle in Bands investieren und dann 500 CDs verkaufen?

Tomi: Ich glaube eigentlich nicht daran, dass es klappt, wenn die Industrie in eine Band investiert, die vorher noch keine Basis hatte und die dann trotzdem langfristig erfolgreich sein soll.
Jo: Zwei Aspekte sind dabei vor allem entscheidend. Erstens, dass eine persönliche Beziehung zum Label da ist. Bei Epitaph sind vielleicht die GET UP KIDS eine Zeit lang das große Ding, während die anderen Bands dann eben nebenher laufen und dementsprechend auch nicht beachtet werden, wie wahrscheinlich bei allen größeren Labels. Mira dagegen ist es halt nicht scheißegal, was mit uns passiert, sondern er engagiert sich für uns und hat uns nun sogar eine Japan-Tour für November ermöglicht. Den anderen Unterschied möchte ich mal an einer Band verdeutlichen, die wir ganz gut kennen, nämlich YAGE. Du musst einfach mit ganzem Herzblut dabei sein. Denen ist z.B. auf dem Weg zu einer Wochenendshow von Aachen nach Wien der Bus zusammengebrochen, dann haben die den in Werkstatt geschleift und kamen dann fünf vor zwölf in Wien an und sind gleich auf die Bühne. Du musst es einfach wollen, dann klappt es auch mit der Band und funktioniert von ganz allein. Es gibt viele gute Bands, die einfach daran scheitern, dass sie zu bequem sind und sich alles zu einfach vorstellen.

Okay, was anderes, wie sind die Querverbindungen zu MAGGAT und wie ging es mit RK eigentlich los?

Jo: MAGGAT sind die drei anderen Mitglieder von uns, allerdings suchen die zur Zeit nach einem neuen Bandnamen. RK waren anfangs als Projekt gedacht, eben aus MAGGAT und CYAN, wo Thomas und ich früher waren. Ursprünglich wollten wir mit RK auch eine wesentlich härtere Schiene fahren, so richtigen Schrei-Hardcore, weil unsere anderen Bands mit der Zeit immer ruhiger wurden. Das hat sich dann aber relativ schnell verselbstständigt und nach zwei Bandproben waren wir dann auch schon wieder recht ruhig.
Tomi: Na ja, was heißt ruhig. Rockt doch ganz gut. Was wir aber auf jeden Fall mit einbringen wollten und was auch geblieben ist, ist dieses Showding. Mit RK haben wir auch musikalisch wesentlich mehr ausprobiert, als mit unseren alten Bands.

Apropos Show. Jetzt tragt ihr auf der Bühne auch immer Anzüge. Seht ihr euch da in einer Tradition mit Bands wie den FEHLFARBEN, die sich mit ihren Anzügen auch bewusst von der restlichen Punkszene absetzen wollten?

Jo: Auf die FEHLFARBEN bin ich eigentlich erst später gekommen, wir haben da am Anfang schon eher an so Typen wie Frank Sinatra gedacht. So richtig klassisch Las Vegas eben.
Tomi: Wir haben in unseren alten Bands immer in Jeans und T-Shirts gespielt und das war eben auch so ein Emo-Ding. Die Hälfte der Bands hat dann auch noch mit dem Rücken zum Publikum und am liebsten noch am Boden gespielt, so nach dem Motto zwischen Band und Publikum gibt es keinen Unterschied. Wir haben uns dann gedacht, gut dann machen wir eben das Gegenteil. Die ersten zwei, drei Konzerte haben wir das auch noch nicht gemacht, das kam dann alles erst so mit der Zeit.

Vor dem „Treibhaus„-Festival war ein großes Bild von euch in voller Montur in der AZ mit der Bildunterschrift „Da kreischen auch schon mal die Teenies„. Wenn eure Eltern so was lesen, denken die sich dann: Jetzt wird doch noch was aus dem Bub.

Jo: Unsere Eltern nehmen das bewusst gar nicht wahr. Für die hat sich nichts geändert, ob das nun vor drei Jahren die Dorfgigs hier in der Gegend waren oder die Japangeschichte demnächst. Die denken sich wahrscheinlich: die sollen ruhig, Hauptsache, die Ausbildung wird nicht vernachlässigt.

Wenn man eure Texte hört, fällt auf, dass sie auf der einen Seite eher persönlich, auf der anderen auch kritisch und rebellisch sind. Parolen und Klischees scheint ihr auch nicht so zu mögen, im Gegensatz zu vielen anderen Punkbands.

Tomi: Na ja, wer will schon Parolen in Liedern hören? Aber ich hab schon Themen, die immer wiederkehren. Ich benutze manchmal total gerne Parolen, aber um das Ganze zu hinterfragen, dass Leute einfach blind Parolen nachbrüllen, sozusagen als Konzept. Das sind Sachen, die mich interessieren, warum sich Leute hinreißen lassen, einfach Parolen nachzubrüllen und an Klischees zu glauben.

Eine Ausnahme ist vielleicht der Song „The big money„, der schon recht eindeutig ist. Inwiefern seid ihr käuflich?

Jo: Schwierig. Sachen, die ich nicht mehr machen kann, ist z.B. für eine Partei zu spielen. Wir hatten neulich das Angebot, auf einer Wahlveranstaltung der Grünen zu spielen. Weil Parteien genau das machen, was wir nicht wollen, nämlich pauschalisieren. Als Politiker muss man so was wahrscheinlich machen, aber als Künstler will ich ja das Gegenteil. Ich denke, dass es nicht die Aufgabe von Kunst sein kann, neue Vorschläge und Konzepte zu bringen, sondern dass die Aufgabe der Kunst sein muss, die Politik und deren Konzepte zu hinterfragen. Ich finde es voll okay, auch einfach nur mal zu sagen: Das finde ich Scheiße.

Und sieht es mit den Sachen aus, die die Band direkt betreffen, Booking, Vertrieb usw.?

Tomi: Da diskutieren wir auch schon die ganze Zeit rum. Einerseits macht es unheimlich Spaß, die ganzen Leute selbst kennen zu lernen, auf der anderen Seite ist es halt auch unglaublich viel Arbeit.
Jo: Da will ich mich eigentlich nicht so festnageln lassen. Was ich jetzt für richtig halte, sehe ich in fünf Jahren vielleicht völlig anders. Also, wenn die Band den Weg und das Tempo bestimmt, wie z.B. bei NOTWIST, die langsam in diese Major-Geschichte reingewachsen sind, aber noch alles selbst bestimmen, dann finde ich das völlig in Ordnung. Auf was ich keinen Bock habe ist, das uns zu irgendeinem Zeitpunkt einer reinredet, so klein und unbedeutend unsere Musik auch sein mag.

Ihr wart mit WORLD INFERNO FRIENDSHIP SOCIETY in den USA auf Tour. Wie kam es dazu, haben die alles für euch geregelt?

Tomi: Genau, die haben die Shows gebucht und wir durften mitfahren. Zuerst waren wir ein paar Tage bei denen in Brooklyn, inklusive Sightseeing-Touren zum Empire State Building und Punk-Tourismus zum CBGBs und dann ging die Tour los.

Jo: Die haben echt alles für uns gemacht, das war wirklich spitze, einfach unglaublich, selbst wenn manche Konzerte dann mal nicht so gut besucht waren. Im Endeffekt haben wir denen ja nichts gebracht, wir haben denen eher Geld weggenommen, weil sich niemand in den USA für ROBOCOP KRAUS interessiert. Uns einzuladen, da mitzufahren, war einfach super!

Ich habe den Tourbericht im Yot gelesen und der klang wesentlich nüchterner.

Jo: Der Bericht war von unserem Roadie und ich habe das schon anders empfunden. Wir hatten da die Chance, ein riesiges Abenteuer zu erleben und ich hab alles voll genossen und war total traurig, als die Tour dann zu Ende war. Ich fand auch schade an dem Bericht, dass das nicht rüberkam, da das eine große Möglichkeit für uns war, mit einer Band, die wir alle mögen, in den USA zu touren. Ich hätte es schon grandios gefunden, nur die Tour mitzufahren und jeden Abend WIFS zu sehen, aber dann noch selbst zu spielen, war einfach toll. Die kleine Band aus Nürnberg auf der Bühne eines Clubs in New York. Also, ich fand das richtig, richtig klasse.
Tomi: In den USA ist natürlich auch nicht alles toll, ganz so blauäugig sind wir da nicht rüber gefahren.
Jo: Trotzdem war es einfach traumhaft, das machen zu können, im Flugzeug zu sitzen und anschließend eine ganze Tour dort spielen zu können. Das war schon so ein Jugendtraum.
Tomi: Deshalb waren wir auch so beknackt und setzen uns da zehn Stunden mit Anzug in den Flieger rein, hehe.

Und, lustige Geschichten im Redneck-Süden erlebt?

Jo: Ein Höhepunkt war, wie ich finde, als wir irgendwo in den Südstaaten rumstanden, auf der Akustikgitarre rumklimperten und Tobi, unser Bassist, dann anfing ‚Country roads’ zu spielen. Die WORLD INFERNOS haben sich geschämt und nach 20 Sekunden kamen fünf Dorfbewohner, scharrten sich um uns und klatschen und sangen mit.
Tomi: Einmal haben wir in einem Motel jemanden getroffen, der sah schon so komisch aus. Er fragte uns dann, wie es denn in Deutschland so ist, da oben. Der hat gedacht, Deutschland würde nördlich an die USA grenzen und Deutsch wäre ein Dialekt des Englischen.