Sie sind schon lange zur Referenz geworden. Etliche Bands eifern ihnen nach, verlieren sich aber im nicht enden wollenden Dschungel der Indie- und Synthiepop-Veröffentlichungen. Bei THE ROBOCOP KRAUS scheint das anders zu sein. Ohne ihren hohen Wiedererkennungswert zu verlieren, erklimmen sie mit jedem Album eine weitere Entwicklungsstufe. Nicht anders verhält es sich mit ihrer neuesten Veröffentlichung, "Blunders And Mistakes", die im September über das Epitaph-Sublabel Anti- erscheint. Und die beschreitet gleich zwei neue Wege ...
Ein Augusttag und es regnet Bindfäden. Und ein Festival mit ROBOCOP KRAUS in Basel wurde abgesagt, weil die Bühne im Fluss versank. Ich treffe mich mittags in einem gemütlichen Café im Nürnberger Gostenhof zu Kaffee und Bionade mit Matthias und Hans. Sie hatten gerade einige Tage frei, bevor es nach diversen Festivals ab Oktober auf eine ausgedehnte Tournee durch Deutschland und die Niederlande geht, die nicht von myspace.com präsentiert wird, wie die Gerüchteküche schon verkündete. Aber gerade MySpace scheint das Gerede in der "Szene" ja anzuregen: Hey, ich weiß schon, wer die nächste Secret Show spielt, und du nicht ...
Hans, der vor knapp drei Jahren die vakante Position des Schlagzeugers übernahm, kannte durch seine Arbeit in anderen Bands ROBOCOP KRAUS schon lange, was ihm den Einstieg deutlich erleichterte. Das geschah kurz vor den Aufnahmen zum letzten Album "They Think They Are The Robocop Kraus" (Epitaph/LADO). Die Möglichkeit, seine eigenen Ideen beizusteuern, habe es zu jener Zeit leider kaum gegeben, da alles sehr schnell gehen musste. Neues Album, ähnliche Situation: Hans zum ersten Mal in der kompletten Produktion dabei, doch kurz vor den Aufnahmen verlässt Bassist und Robocop-Aushängeschild Tobias die Band, um sein Glück anderweitig zu finden. Neu dabei ist jetzt Peter aus Hamburg. Es sei natürlich erst mal ungewohnt, beurteilt Gründungsmitglied Matthias die Wechsel, wenn nach so langer Zeit und einigen Entwicklungsphasen jemand geht und ein anderer ihn ersetzen soll. Aber es sei ihnen immer wichtig gewesen, an der Band festzuhalten und zu versuchen, das jeweils Beste aus der Situation zu machen. Außerdem bringe ein neuer Musiker ja auch immer neue Ideen in die Gruppe und kann entscheidende Veränderungsvorschläge geben - was einer so entwicklungsbetonten Band wie THE ROBOCOP KRAUS durchaus zugute kommen kann.
Trotz der frischen Brise aus dem Norden und großer Bekanntheit weit über die Grenzen Deutschlands hinaus, wirkt die Band doch recht heimatverbunden. So findet sich immer wieder die Gelegenheit, sie im Frankenland zu sehen. Außerdem organisieren sie jedes Jahr ihre eigene "ROBOCOP KRAUS Weihnachtsgala", um zusammen mit einer Vielzahl an befreundeten Bands ein lautes Fest der Liebe feiern. Nun versuchte die Heimat, sich ein Stück weit zu revanchieren: 2006 wurden sie mit dem Kulturförderpreis der Stadt Nürnberg ausgezeichnet, den die Band bei einer offiziellen Gala überreicht bekam. Als Kulturbotschafter der Stadt Nürnberg fühlt sich Hans nicht unbedingt, aber seine Oma sei sehr stolz gewesen, als er dem Bürgermeister die Hand schüttelte. Das Goethe-Institut habe noch nicht angefragt, aber dazu müssten sie wohl auch auf Deutsch singen.
Und schließlich sprechen wir über das neue Album: "Blunders And Mistakes". Anders ist es, wie jedes ROBOCOP KRAUS-Album sich irgendwie von seinem Vorgänger unterscheidet. Die Band treibt ein ständiger Drang nach Veränderung und Weiterentwicklung, und dabei macht sie vor Experimenten nicht Halt. Scheinen beim Vorgänger noch die möglichst konsequente Reduktion der Songstrukturen und die Konzentration auf das Wesentliche bei klarer Produktion und vollem Sound im Vordergrund gestanden zu haben, wollten sie beim neuen Album "wieder alles ganz anders machen". Die Grundidee sei gewesen, das ganze Album inklusive Gesang live einzuspielen, um die Energie und Dynamik des Momentes einzufangen, ohne danach noch ausgiebig zu produzieren und zu editieren. Was sie bei "They Think They Are ..." übrigens auch nicht getan hätten. Aber da habe das Songwriting auch ganz anders ausgesehen.
Womit Hans zur zweiten Wandlung überleitet. Galt Reduktion als das Motto für die Aufnahmen, ging es musikalisch in eine entgegengesetzte Richtung. Die Strukturen wurden wieder aufgebrochen, es wurde sich mehr getraut, experimentiert und ausprobiert. Neben etlichen neuen Klavier- und Synthiesounds, gibt es in vielen Songs ein Delay auf der Stimme, ein Backgroundchor verfeinert die so wichtige Hintergrundkulisse und sogar Congas und ein Banjo bekommen einen Kurzauftritt. Wo beim Vorgänger noch das Gesamtwerk im Vordergrund stand, werden bei "Blunders And Mistakes" die Details plötzlich wieder wichtig. Oder zusammengefasst: Das Album hört sich besser und tanzt sich nicht mehr so gut. Was es wohl eher auf heimischen Plattentellern statt in der Großstadt-Indiedisco rotieren lässt.
Doch es bereite ihnen überhaupt keine Sorgen, dass eben dieses Publikum durch die Abwesenheit von augenscheinlichen Hits wie auf den Vorgängern von "Blunders And Mistakes" nicht so viel zu hören bekommen wird. "Erstens sollte man als Künstler mögliche Publikumsreaktionen auf keinen Fall mit einkalkulieren und zweitens geht uns diese ganze Indiedisco-Geschichte dermaßen auf den Senkel, dass wir uns darüber echt keine Gedanken machen. Wir spielen oft Konzerte, auf denen hinterher aufgelegt wird. Doch diese Songs klingen meist so austauschbar, diese Veranstaltungen sind so gleichgeschaltet. Europaweit erklingt jeden Abend das gleiche Lied. Die meisten Indie-DJs sind so unmutig in ihrer Auswahl, dass das wirklich keinen Spaß mehr macht. Da stellt sich doch die Frage, ob das noch Indie ist. Wir haben unser Songwriting auf jeden Fall nicht auf Floorfiller hin ausgelegt. Eine Platte sollte sich auch beim ersten Hören noch nicht völlig offenbaren, man sollte den Liedern Zeit geben, so dass sie auch länger einen Wert haben."
Jetzt geht es nach einigen Festivals im August und September erst mal auf eine ausgedehnte Herbsttournee. Clubshows und Festivals hätten dabei schon deutliche Unterschiede. Mögen würden sie beide mittlerweile, aber bei kleineren Konzerten könne man sicher gehen, dass die Zuschauer auch wegen der Band da sind. Hinzu käme, dass gerade in Deutschland so viele der Festivals sehr ähnlich sind. "Wir spielen ja auch überall, haha." Womit wir wieder beim Mut angekommen wären. Ein Festival auf Floorfiller auszulegen, sei keine große Kunst. Das sei zum Beispiel in Spanien ganz anders, wo man bei einigen Festivals wirklich jede Band anschauen und bestaunen könne. Die Herausforderung des Publikums und die Erziehung des Musikgeschmacks sei hier um einiges deutlicher zu spüren, als hier in Deutschland. Was die Robos mit ihrem neuen Album auch tun. Doch darauf ausruhen wollen sie sich nicht. Nach der Tour soll es gleich wieder ans Lieder schreiben gehen, "weil wir die Entwicklung weiter vorantreiben wollen ... und noch besser werden wollen, haha."
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