ROBOCOP KRAUS

Foto© by David Haeuser

Noch einmal mit Gefühl

Anfang der Nuller Jahre waren ROBOCOP KRAUS auf dem bisherigen Höhepunkt ihrer Karriere. Ihr hibbeliger Post-Punk führte sie nach Japan, Russland und in die USA. Der große Pelle Gunnerfeldt (THE HIVES, THE BABOON SHOW, VIAGRA BOYS) produzierte ihr viertes Album „They Think They Are The Robocop Kraus“. Die Scheibe erschien parallel bei L’age D’or und bei Epitaph Records. Und auch der Nachfolger „Blunders And Mistakes“ lief gut. Alle Türen standen offen. Aber dann tauchte die Band aus Hersbruck bei Nürnberg ab, spielte nur noch einzelne Konzerte. Jetzt sind sie wieder da. Erst mit einer Raritätensammlung, die 2022 erschien, und jetzt mit dem nigelnagelneuen Album „Smile“. Zeit für ein Interview mit Sänger Thomas Lang und Schlagzeuger Johannes Uschalt.

Euer letztes Album ist schon schlappe 15 Jahre alt. Wie kam es jetzt dazu, dass ihr wieder angefangen habt?

Thomas: Die Zeit war jetzt einfach reif dafür. Für mich war die Band in den letzten Jahren weit weg, ich hatte damit ein Stück weit sogar abgeschlossen. Ich hatte das Gefühl, ich kann auch ohne ROBOCOP KRAUS leben. Jo hat aber die Initiative ergriffen und gesagt: Komm, wir machen wieder was zusammen. Ein Anruf hat genügt und irgendwie wollten alle wieder. Dann sind wir einfach wieder in den Proberaum gegangen. Es gab auch noch genug unvollendetes Material, wo uns immer der letzte Wille gefehlt hat, das herauszubringen. Ein neues Album ist ja auch wirklich viel Arbeit. Aber jetzt haben wir gespürt, dass die Energie wieder da ist.

Gab es einen bestimmten Moment, einen Impuls?
Jo: Es gab da einen sehr traurigen Anlass im Mai 2021 und zwar der Tod von Jack Terricloth, dem Sänger von THE WORLD/INFERNO FRIENDSHIP SOCIETY. Eine Band aus New York, mit der wir oft auf Tour waren. Wir haben die Nachricht bekommen und waren wie vor den Kopf gestoßen. Dann haben wir angefangen, wieder miteinander zu telefonieren und uns Geschichten zu erzählen, was wir mit ihm erlebt haben. Und dann gingen die Gespräche immer weiter. Außerdem hatte man in der Pandemie jede Menge Zeit zum Nachdenken. Ich hatte das Gefühl, dass wir irgendwie noch nicht fertig sind mit ROBOCOP KRAUS. Der Tod von Jack war der Auslöser und dann ist uns allen klargeworden, was uns die Band bedeutet hat. Aber wir haben gleich gesagt: Wenn wir wieder loslegen, dann richtig und nicht nur ein Konzert auf einem runden Geburtstag oder so.
Thomas: Aus dem Umfeld von THE WORLD/INFERNO FRIENDSHIP SOCIETY kam auch eine Anfrage, ob wir einen Track zu einer Tribute-Compilation besteuern könnten. Das war auch der Grund, warum wir so schnell wieder im Studio waren. Dann haben wir angefangen zu sichten, was noch an Material vorhanden ist und was wir schon alles gemacht haben. So ist auch die Idee für unsere eigene Compilation „Why Robocop Kraus Became The Love Of My Life“ entstanden.

Fühlt sich das an wie eine Reunion? Offiziell aufgelöst habt ihr euch ja nie.
Thomas: Ich nehme die Band jetzt bewusster wahr und bin dankbarer als früher. Ich betrachte sie jetzt als Geschenk.
Jo: Unsere Lebenssituation hat sich verändert, wir haben alle Jobs und Familien. Die Band wird nicht mehr unser Hauptbetätigungsfeld sein. Aber teilweise fühlt es sich gar nicht so anders an und das ist natürlich schön. Wie wir zum Beispiel diskutiert haben, welche Songs auf die neue Platte kommen sollen. Diese Plädoyers, die gehalten wurden, waren genauso wie früher. Die Leidenschaft ist noch vorhanden wie vor zwanzig Jahren. Das ist die schönste Erfahrung, dass manches anders ist, aber manches ist auch gleichgeblieben. Ohne dass wir gestresst sind. Momentan fühlt sich alles sehr entspannt an.

Wie hat das eigentlich angefangen mit ROBOCOP KRAUS? Und welche Rolle hat Hersbruck dabei gespielt?
Jo: Uns war immer wichtig, dass wir eine Band aus einer Kleinstadt sind. Die Initialzündung kam dadurch, dass wir keine andere Möglichkeit hatten, irgendwas zu machen. Ich war nie der Sportler, deshalb habe ich mir eben die Musik ausgesucht. Dass wir aus der Gegend um Hersbruck kamen, war also ein Motor für uns. Wir sind anfangs im örtlichen Jugendzentrum aufgetreten und haben alles selbst in die Hand genommen. Es gab niemanden, der uns helfen konnte in der Provinz. Wir kannten kein Label, also haben wir selbst eines gegründet. Als Adressen für Swing Deluxe Records haben wir unsere Eltern angegeben. Finanziert wurde das durch unsere Einkünfte als Zivildienstleistende. Unsere erste Tour im Ausland ging nach Frankreich, die haben wir noch per Brief organisiert. Da gab es noch nicht einmal E-Mail. Dann gab es irgendwann andere Bands und so ist die Idee entstanden, ein Festival in Hersbruck zu organisieren. Das hat damals einfach gut funktioniert. Es waren auch immer die gleichen zwanzig Leute, die was gemacht haben.

Irgendwann gab es die „Hersbrucker Schule“, also Bands aus eurem Umkreis, die auch diesen Post-Punk-Sound hatten, etwa THE AUDIENCE, YUCCA oder THE PLANE IS ON FIRE. Was ist aus denen geworden?
Jo: Das hat sich natürlich ausgedünnt, aber es gibt immer wieder einzelne Projekte. Ich weiß zum Beispiel, dass BEAR MOUNTAIN PICNIC MASSACRE an neuem Material arbeiten und dass es von THE AUDIENCE eine Nachfolgeband gab, die vielleicht weiter existieren soll. Vielleicht aber auch nicht. Und BIRD BERLIN sind sogar deutschlandweit bekannt geworden. Keiner hat aufgehört Musik zu machen, und viele arbeiten noch in der Musikbranche. Einer organisiert Konzerte im Z-Bau in Nürnberg, ein anderer arbeitet im MUZclub und es gibt mit Hersbrooklyn Recordings immer noch ein Tonstudio, in dem Bands aufnehmen können. Und das in einer Kleinstadt mit etwa 12.000 Einwohnern. Die Bands von damals sind größtenteils verschwunden, aber die Verbindung zur Musik ist noch da.

Warum habt ihr euch entschlossen, gleich ein ganzes Album zu machen? Es hätte ja auch eine Single oder eine EP sein können?
Thomas: Wir waren uns von Anfang an einig: Wenn wir etwas Neues herausbringen, dann soll es ein Album und auf jeden Fall auf Vinyl sein. Und wir machen das nur, wenn wir genug Material dafür haben. Dazu haben wir uns alle verpflichtet und so ist es auch gekommen. Die Songs sind ganz unterschiedlich. Manche sind fünfzehn Jahre alt, manche acht Jahre alt, einige haben wir ganz aktuell geschrieben. Eine Idee zu entwickeln, geht oft sehr schnell, aber einen Song so fertigzustellen, dass er veröffentlicht werden kann und alle in der Band damit zufrieden sind, dauert manchmal sehr lange. Es geht aber auch anders. Die erste Single „On repeat“ zum Beispiel ist erst jetzt beim Proben entstanden. Der war innerhalb einer Stunde fertig.

Mit „Smile“ ist auch der alte ROBOCOP KRAUS-Sound zurück. War das der Plan?
Jo: Wir sind einfach in den Proberaum gegangen und haben wieder losgelegt. Das hat sich angefühlt wie früher. Wir haben uns keine großen Gedanken darüber gemacht, wie und ob sich unser Sound verändert hat. Wir haben darüber nicht diskutiert, wie noch bei unserem Album „Living With Other People“: Haben wir das schon einmal gemacht? Wollen wir das anders machen? Solche Gedanken gab es jetzt nicht. Wir haben die Songs ausgewählt, die wir gut fanden, und fertig. Wir haben uns keine Gedanken darüber gemacht, ob das wie 2023 klingt oder wie 2002.

Den Song „World/Inferno“ habt ihr ja schon erklärt. Es gibt aber auch ein Stück über die britische Extrem-Metalband CRADLE OF FILTH. Wie ist der entstanden?
Thomas: Wir haben die Band einst im Nachtzug von Moskau nach St. Petersburg getroffen. Die waren zufällig auf der gleichen Route unterwegs wie wir. Unser damaliger Bassist Peter wollte einen Scherz machen und hat sie dann gefragt, ob sie wirklich Satanisten sind. Die haben dann gelacht und gemeint: Nein, das ist nur Teil der Show. Die traurige Pointe kam aber dann noch. Denn die Band war noch nicht völlig abgeschminkt vom letzten Konzert und sah ziemlich wüst aus. Und am nächsten Morgen haben wir sie dann noch mal getroffen, da waren sie allerdings völlig verschwollen und hatten Veilchen. Wir haben dann erfahren, dass sie in der Nacht noch von Faschisten verprügelt worden waren, weil sie nicht aussehen wie Russen. Das ist der Hintergrund des Songs.

Wie seid ihr nun bei Tapete Records gelandet?
Thomas: Bei Tapete Records sind wir ja in bester Gesellschaft. Die bringen viele interessante Platten heraus. Das haben wir in den letzten Jahren auch intensiv verfolgt. Und die haben uns immer wieder mal angerufen. Voll nett, die haben an uns geglaubt, haha. Wenn ihr wieder was macht, dann würden wir das gerne herausbringen, sagten sie. Deshalb waren die ganz oben auf unserer Liste und wir sind uns dann auch schnell einig geworden. Selbst wollten wir das Album nicht herausbringen. Dafür haben wir nicht mehr die Zeit.