RED FANG

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Nichts ist, wie es scheint

Bekannt wurden RED FANG vor allem durch ihre lustigen Videos, in denen Unmengen von Bierdosen eine zentrale Rolle spielen. Dabei hat die Band aus Portland auch einen sehr dunklen Kern, das beweisen sie auf ihrem vierten, soeben auf Relapse erschienenen Studioalbum „Only Ghosts“. Der Heavy-Rock der Jungs aus Oregon hat einen deutlichen Wandel durchgemacht, was wohl vor allem an der Zusammenarbeit mit Produzent Ross Robinson (KORN, SLIPKNOT, AT THE DRIVE-IN) liegt. Wir erreichen Bassist und Sänger Aaron Beam zu Hause in Portland am Telefon, während sein Sohn daneben sitzt und Lego spielt.

Als ich gehört habe, dass Ross Robinson die Platte produziert hat, war ich ein bisschen überrascht vom Sound. Das Album klingt viel schwerer und dunkler als sein Vorgänger.

Ich stimme dir zu. Was hast du denn erwartet?

Bands wie BARONESS oder MASTODON werden mit zunehmender Bekanntheit immer softer. Bei euch ist es komplett das Gegenteil!

Haha. Mit diesem Album haben wir es zum ersten Mal geschafft, mit der Musik das auszudrücken, was die ganze Zeit schon in unseren Texten steckt. Die Musik passt viel besser zu den Texten als in der Vergangenheit. Früher haben wir zuerst die Songs geschrieben, die natürlich viel mehr nach Party geklungen haben. Dann haben wir oft finstere Texte dazu geschrieben. Es hat sich aber nie wie Konflikt angefühlt, dass die Musik nicht unbedingt die Texte widerspiegelt. Denn wir sind in unserem Alltag keine depressiven oder neurotischen Typen. Und dank Ross haben sich Musik und Texte jetzt angenähert.

Beim ersten Hören musste ich sofort an TAD denken, eine meiner liebsten Bands aus den Neunzigern aus Seattle.

Ich liebe TAD, ich habe ihre Platten zusammen mit dem ersten NIRVANA-Album „Bleach“ gehört. Ich habe TAD mal live im Vorprogramm von PRIMUS gesehen. Ich betrachte das als Kompliment.

Warum habt ihr euch für Ross Robinson als Produzent entschieden? Eure letzten Alben habt ihr alle mit Chris Funk aufgenommen.

Wir haben darüber nachgedacht, wieder mit Chris zu arbeiten. Aber wir wollten das Album nicht wieder in Portland aufzunehmen wie sonst. Wir wollten bei den Aufnahmen nicht vom privaten Alltag abgelenkt werden. Wir haben aber auch mit unseren Freunden WILD THRONE und CANCER BATS gesprochen, die schon mit Ross aufgenommen haben. Und sie haben beide gesagt: Wenn es eine Chance gibt, mit Ross zu arbeiten, müsst ihr das machen! Und als er gehört hatte, dass wir mit ihm arbeiten wollen, hat er sofort ein Flugticket gekauft und ist nach Portland gekommen, nur um einen Nachmittag mit uns abzuhängen. Und das hat uns natürlich überzeugt, denn wir konnten sehen, wie sehr er für eine Sache brennen kann.

Wie unterscheidet sich die Arbeit mit Robinson von euren bisherigen Studioerfahrungen?

Er arbeitet viel intensiver auf der Gefühlsebene der Musik. Chris ist ein sehr guter Musiker und hört schnell, was funktioniert und was nicht. Ross taucht tief in die Psyche jedes Musikers sein und versucht zu verstehen, was man mit seiner Musik ausdrücken will. Mit ihm zu arbeiten ist musikalisch und emotional eine viel größere Herausforderung.

Macht ein prominenter Produzent wie Ross Robinson das Album also wirklich besser oder ist es nur gut fürs Marketing, seinen Namen auf dem Backcover zu haben, wie eine Art Trademark?

Ich kann nur über meine Erfahrungen mit Ross sprechen. Er hat sich wirklich in unsere Musik hineinversetzt. Wir hatten kein großes Budget und haben das Album in einem Haus in Venice, Kalifornien aufgenommen. Dort waren nur er und ein Toningenieur, der sich ums Schlagzeug gekümmert hat. 90% der Arbeit hat Ross gemacht. Die Erfahrung mit ihm war ein Riesenunterschied zum letzten Album. Sein Verdienst war es zum Beispiel, dass wir auf uns selbst vertrauen und die ganze Mühe sich am Ende lohnt. Nach zehn Jahren Bandkarriere kann man manche Dinge natürlich einfacher und schneller machen, aber Abkürzungen sind nicht immer der beste Weg. Es gibt sicher Produzenten, die nicht so sehr in die Musik involviert sind und sich nur im Marketing gut machen. Das ist bei Ross aber nicht der Fall. Und übrigens, als wir angekündigt haben, mit ihm zu arbeiten, haben wir mehr negative als positive Reaktionen bekommen.

Hatte das Klima und das Wetter in Kalifornien Einfluss auf die Musik?

Ich bin jeden Morgen am Strand spazieren gegangen, habe meinen Kaffee getrunken und mir meine Gedanken gemacht. Aber die meiste Zeit haben wir in einem kleinen, fensterlosen Raum verbracht, in dem es wahnsinnig heiß war. Vielleicht ist die Platte deshalb so dunkel geworden. Die Sonne und der Strand hatten also keinerlei Auswirkungen auf den Sound.

Was steckt hinter dem Albumtitel „Only Ghosts“?

Als ich mit Bryan die Texte durchgegangen bin, hat sich herausgestellt, dass wir beide über Dinge geschrieben haben, die uns seit einiger Zeit verfolgen. Episoden aus unserem jetzigen oder vergangenen Leben. Wir haben deshalb Songs darüber geschrieben, um den Einfluss dieser Gedanken auf uns einzudämmen. „Only Ghosts“ ist für uns also die Ansage, dass uns solche Sachen nicht mehr länger kontrollieren. So interpretiere ich den Albumtitel.

RED FANG sind für mich eine sehr widersprüchliche Band. Auf der einen Seite macht ihr diesen ernsten, dunklen Sound, und auf der anderen habt ihr dieses Image von bierdosenvernichtenden Party-Weirdos durch eure Videos, die wirklich sehr lustig sind.

Unsere Videos haben uns viel Aufmerksamkeit verschafft. Und wir haben immer gesagt, dass wir unsere Musik sehr ernst nehmen, obwohl wir uns selbst nicht so ernst nehmen. Diesen Widerspruch zwischen den ernsthaften Texten und den witzigen Videos hat es immer gegeben. Aber das ist wie im wirklichen Leben: wir können ziemlich viel herumblödeln, haben aber auch immer eine sehr dunkle Seite. Niemand ist immer nur lustig und glücklich, genauso wenig ist jeder immer traurig und finster.

Wer hat all diese verrückten Ideen mit Ritterrüstungen aus Bierdosen oder sinnlosen Zerstörungsorgien mit einem alten Auto?

Hinter all diesen Videos steckt unser Kumpel Whitey McConnaughy. Auf seinem Mist ist etwa die Idee für „Prehistoric dog“ gewachsen, unserem ersten Video in diesem Stil. Er hat sich verschiedene Charaktere für uns ausgedacht und sich überlegt, was diese Figuren machen sollen. Im nächsten Video „Wires“ hatten diese Typen ein bisschen Budget zur Verfügung und haben es komplett sinnlos verpulvert. Das neue Video ist gerade fertig geworden. Wir sind diesmal beim Camping in der Wildnis und irgendwann wird unser Kühlschrank mit all unserem Bier geklaut und dann versuchen wir natürlich, unseren Vorrat zurückzuholen.

In euren Videos geht es vor allem darum, viel Bier zu trinken. Kurioserweise trinkst du selbst seit geraumer Zeit kein Bier mehr. Wie geht das zusammen?

Viele Leute verstehen nicht, dass unser erstes Video schon zehn Jahre alt ist und sich manche Dinge eben verändern. John zum Beispiel trinkt inzwischen lieber Wein oder Wodka. Ich kann ab und zu mal wieder ein Bier trinken. Der medizinische Grund, der meine Abstinenz vor drei Jahren erforderte, ist gerade nicht aktuell. Aber unsere Fans verstehen durchaus, dass wir nicht die Typen aus unseren Videos sind. Wir sind eng mit ihnen verbunden, aber wir sind nicht identisch.

Ähnlich wie Greg Graffin von BAD RELIGION oder Milo Aukerman von DESCENDENTS warst du auch in der Wissenschaft tätig. Was hast du gemacht?

In meiner Highschool-Zeit war ich großer Fan von beiden Bands und ich fand es immer total cool, dass Greg Graffin Biologe ist wie ich damals. Im Alter von 15 Jahren habe ich schon im Labor meines Vaters gearbeitet, aber als ich aufs College gegangen bin, ist das Interesse für Musik immer größer geworden. Ich hatte dann zwar nach dem College einige Jobs als Molekularbiologe, aber irgendwann habe ich gemerkt, dass ich nicht genug Leidenschaft für die Wissenschaft habe. Also bin ich einfach ausgestiegen.

RED FANG kommen aus Portland. Von dort stammen eine Menge großartige Bands wie THE THERMALS, EPOXIES, GOSSIP oder THE WIPERS. Warum ist Portland so ein gutes Pflaster für Bands?

Portland liegt an der Westküste, nicht weit entfernt von Seattle. Immer wenn Bands die Küste rauf- und runterfahren, müssen sie hier durch. Die Stadt ist kleiner und viel billiger als andere Städte an der Westküste. Portland ist immer noch wie die vergessene Industriestadt, die damals von Künstlern bevölkert wurde, weil es preisgünstig war. Das brachte eine Menge kreative Energie. Das hat sich aber inzwischen geändert, auch bei uns wird das Leben immer teurer.