Es gibt Bands, die merkt man sich sofort, und solche, die ziehen an einem vorüber, ohne dass man allzu große Notiz von ihnen nimmt. Zu ersteren gehören QUIT YOUR DAYJOB, auf die ich erstmalig im März 2005 traf, als sie eine Show als Support von DANKO JONES spielten. Warum die drei Schweden nun nicht an mir vorbeizogen? Ganz einfach, die Band trat sehr gewagt auf und auch ihr auf Bad Taste Records erschienenes Debütalbum „Sweden We Got A Problem“ ist gewagt.
Gewagt in dem Sinne, als dass die Band musikalische Grenzen vollkommen missachtet und ungeniert elektronische Sounds mit angepunkten Rockelementen mischt. Und bei QUIT YOUR DAYJOB ist nicht wenig Elektronik im Spiel. Vielmehr sind die von ihnen eingesetzten Keyboard- und Synthesizer Sounds bei vielen Songs tragend, so dass man wenig von Gitarre, Bass und Schlagzeug hört, etwa bei „She-male Godzilla“, einem Song, der wie eine extrem hektische Version von KRAFTWERK klingt, die durch ein wenig PET SHOP BOYS angereichert wurde und letzten Endes noch ein paar Rockelemente, hier eine Surf-Gitarren-Einlage, abbekommt. Vielseitig? Auf jeden. Durchgeknallt? Ebenso.
Nachdem man diese Band live gesehen und ihr Debütalbum gehört hat, tut man sich jedenfalls schwer, diese drei Schweden nicht als Freaks zu bezeichnen. QUIT YOUR DAYJOB-Sänger/Gitarrist Jonass beschreibt seine Band via eMail jedenfalls als hektisch, verspielt, verstört und kindisch, bevor er den Stil der Band kurzerhand als „Retard-Rock“ zusammenfasst. Dass sich an eben jenem „Retard-Rock“ aufgrund der dreist-sympathischen Mischung aus Elektronik und Rock aber durchaus auch die Geister scheiden, stört meinen Gesprächspartner herzlich wenig. „Ich fasse es als Kompliment auf, wenn jemand von uns angepisst ist. Denn wenn du einen Sound spielst, den Leute hassen, dann bedeutet das, dass die Leute sich mit deiner Band beschäftigen, du also keine Musik machst, die einfach an den Leuten vorbeizieht.“
So weit, so gut. Dennoch wirken Songs wie „Brain in vain“ oder „Erase my face“ und auch die Bühnenpräsenz von QUIT YOUR DAYJOB auf den ersten Blick so, als wäre hier ein spielfreudiges Trio mit Hang zum sympathischen Wahnsinn am Werk, das sein musikalisches Schaffen nicht ganz ernst nimmt. Nun, hört man „Sweden We Got A Problem“ aber drei-, viermal aufmerksam durch, so merkt man, dass die Songs alles andere als einfach strukturiert sind. Auf der Platte finden sich viele durchdachte Songstrukturen, und auch wenn man sich etwas mehr mit den Texten der Band beschäftigt, erhärtet sich der Eindruck, dass das Trio vielleicht doch keine reine Scherzkombo ist: „Wir nehmen die Musik sehr ernst und versuchen, Songs zu schreiben, die anspruchsvoll und ansprechend sind. Humor benutzen wir als Waffe. Durch unsere Songs und Texte wollen wir die Leute zum Lachen bringen, ihnen aber gleichzeitig sagen, dass sie mal etwas nachdenken sollen, um zu merken, dass ein Song wie ‚Look! A dollar‘ gleichzeitig ein politischer Song und ein guter Witz sein kann.“
Bleibt noch zu klären, was die drei Schweden mit dem Planeten 231179 und den Freaks meinen. Letzteres ist die Bezeichnung der Band für sich und ihre Fans. Bis hierhin leuchtet alles noch ein. Aber dann? „Was hinter ‚231179‘ steckt? Nun, ganz einfach, der Planet ist unsere eigene Gesellschaft, in der jeder tun und lassen kann, was er will. Unser eigenes kleines Utopia, wenn du es so willst. Im Jahre 2016 werden wir alle Freaks, die uns folgen wollen, vereinen und gemeinsam von der Erde zum 231179 reisen, um dort fortan zu leben. Klar?!“ Wie gesagt, der Hang zum sympathischen Wahnsinn. Sei es drum, „Sweden We Got A Problem“ gehört zu den ganz ausgefallenen Alben dieses Jahres.
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #62 Oktober/November 2005 und Lauri Wessel
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #57 November 2004/Januar/Februar 2005 und Joachim Hiller
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #62 Oktober/November 2005 und Thomas Kerpen
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #97 August/September 2011 und Lauri Wessel