PUP

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Mit Humor gegen Zweifel

PUP wagen sich mit „Morbid Stuff“ an ihr drittes Album. Wir sprachen mit Sänger und Gitarrist Stefan und Schlagzeuger Zack am Telefon und wollten wissen, was eine hibbelige Punkband mit bestätigter Ohrwurmtauglichkeit dazu bringt, ihr Album in Kombination mit einem Schlauchboot, Pflaster und Taschenmesser als „Annihilation Preparedness Kit“ anzubieten. Stehen wir vor der unvermeidlichen Apokalypse?

Jede Generation denkt doch irgendwie, dass sie die letzte ist. Das scheint eine Konstante unserer Gesellschaft zu sein“, meint Zack dazu. Hinter der ungewöhnlichen Vermarktung von PUP steckt auch der Wunsch, von sich preisgeben zu können. Deshalb bringt die Band aus Toronto in unregelmäßigen Abständen ein Bandzine mit Fotos und Anekdoten über sich heraus. Das eigene Label Little Dipper gibt ihnen die Möglichkeit, solche Ideen, auch abseits der Musik, frei umzusetzen. „Wir haben einen speziellen Humor und eine ungewöhnliche Art, uns ausdrücken“, sagt Stefan. „Da ist es gut, wenn wir nicht auf Freigaben angewiesen sind. Viel von uns können wir in unseren Songs transportieren, aber unser Anspruch ist es, mit Fans auf mehreren Ebenen in Kontakt zu kommen.“ Den damit verbundenen Aufwand nimmt die Band gerne in Kauf: „Wir wollen Leute zusammenbringen und ihnen das Gefühl geben, dass sie auch in schweren Zeiten nicht alleine sind.“

Für die zweite Single „Free at last“ veröffentlichten PUP nur die Noten zum Song und forderten die Fans zu kreativen Coverversionen auf. „Die Rückmeldungen waren überwältigend und im Rahmen dieser Aktion hatte ich mit wirklich sehr, sehr vielen unserer Fans direkten Kontakt, konnte viel über sie erfahren“, berichtet Stefan nicht ganz ohne Stolz. „Diese Nähe war sehr schön für beide Seiten.“ Eingesendet wurde viele unterschiedliche Interpretationen, unter anderem auch eine aufwendige Ska-Version. Ein Genre, das PUP nicht fremd ist, die Band durfte bereits für die Ska-Legende THE SPECIALS eröffnen, und Stefan war früher ein großer Fan dieser Spielart: „Die neue Platte von den SPECIALS höre ich mir aber nicht an, deren beste Zeit ist vorbei“, legt er sich ganz ohne Wehmut fest. Das Zusammengehörigkeitsgefühl zu fördern, ist eine Maßnahme, um die Welt etwas besser zu machen. Bei PUP spielt darüber hinaus, auch als Kontrast zu ihren oft selbstkritischen Texten, der Humor eine große Rolle: „Wenn jemand Sinn für Humor hat, dann kann man damit auf jeden Fall vieles drehen. Häufig nimmt man die Sachen auch viel ernster, als sie sind“, findet Zack.

Das dritte Album einer Band soll angeblich einen gravierenden Einschnitt darstellen, Stefan kann darüber nur lachen: „Weißt du was? Das sagen sie über jedes Album, das ist Quatsch. Beim zweiten Album haben sie gesagt, dass man daran sehen kann, ob das erste nur ein Glückstreffer war. Beim ersten wurde gesagt, dass das den Maßstab für unsere komplette Karriere setzen wird. Ich denke, dass jedes Album genau gleich wichtig ist und für uns ist unbedeutend. Wir machen uns keinen Druck. Letztendlich kann man nur sein Bestes geben und hoffen, dass die Leute es auch mögen.“ Aufgenommen wurde „Morbid Stuff“ wieder mit Dave Schiffman, Zack beschreibt die Arbeit mit ihm so: „Er holt das Maximale aus unseren Songs raus und fördert unsere musikalischen Möglichkeiten. Darüber hinaus ist er auch ein Freund, der uns den Druck nimmt, indem er sehr freundlich und zuverlässig ist.“

Für Stefan war es wichtig, dass Dave der Band dabei half, das Feuer von der Bühne auf das Album zu transportieren: „Für eine Band, die wie wir auf der Bühne voll aufdreht, ist es eine große Herausforderung, auch in der Studiosituation energetisch zu sein.“ Aufgenommen wurde deshalb immer mit der kompletten Band und nicht nacheinander, um die dadurch entstehende Dynamik nutzen zu können. Mit etwas Kalkül wäre es für PUP sicher auch kein Problem, einen radiotauglichen Hit zu liefern, der sie in die Sphären ihrer Landsleute BILLY TALENT katapultiert. „Das könnten wir sicherlich, aber wir wollen das einfach nicht“, legt Stefan sich fest. „Wir sind ganz glücklich damit, wie es aktuell ist. Wir machen, was wir mögen, wie wir es mögen, und die Leute mögen es. Warum daran etwas ändern?“ Den Status quo zu erhalten – also Musik zu machen und davon leben zu können, das ist für PUP aktuell das einzige Ziel.

Trotz aller Heiterkeit und den fröhlichen Kompositionen, sind PUP keine stumpfe Band. Stefan, verantwortlich für die Texte, lässt lyrisch regelmäßig die Hosen runter: „Ich bin auf jeden Fall Pessimist und ein melancholischer Typ“, legt er sich umgehend fest. „Aber trotzdem ist ,Morbid Stuff‘ unser lustigstes Album bisher. Textlich konfrontiere ich mich ganz bewusst mit meinen inneren Dämonen. Das gilt für uns alle, aber darüber hinaus haben wir aber auch alle gern Spaß mit unseren Freunden und wissen, wie wichtig das ist.“ Eine Rolle, in die sich Stefan jedoch erst einfinden musste: „Diese Balance hinzukriegen, fiel mir am Anfang nicht leicht. Ich will ja niemand sein, der die Leute runterzieht, sondern jemand, von dem etwas Positives ausgeht.“ Der Bandzusammenhalt ist enorm stark: „Man erlebt viel zusammen, lernt voneinander“, beschreibt Zack das geschwisterliche Verhältnis. „Und wir streiten auch intensiv, so wie man es mit Leuten, mit denen man nicht so eng verbunden ist, gar nicht kann. Jeder kennt ganz genau den wunden Punkt der anderen.“

Angesprochen auf den Song „See you at your funeral“, muss Stefan laut lachen: „Irgendjemand hat mir mal richtigen Quatsch über den ersten Liebeskummer erzählt. Dass man daraus noch stärker hervorgeht, als je zuvor. Rückblickend kann ich zwar über einige Trennungen lachen, vor allem aber über das dumme Zeug, das man nach einer Trennung macht, um sich gut zu fühlen. Diät, Sportstudio, Haare schneiden, gute Ernährung ... was auch immer. Das mag sich erst mal gut anhören und man denkt, dass es jetzt echt besser wird. Am Ende des Tages fühlst du dich aber immer noch wie ein Stück Scheiße, weil eine Beziehung zu Ende ist und du nicht ändern kannst, wer du bist. Darum geht es in dem Song.“

Bezogen auf „Free at last“ wollen wir wissen, ob er jemanden kennt, der sich gerne in Selbstmitleid suhlt und andere damit nervt. Die Antwort kommt wie aus der Pistole geschossen: „Ja, mich. Es ist schön und auch sehr positiv, dass es heutzutage möglich ist über seelische Krankheiten zu sprechen. Aber einer der wenigen Nachteile ist, dass manche Leute damit validiert bekommen, sich schlecht zu fühlen. Das ist mir in der Vergangenheit selbst passiert. Ich habe auch Leute in meinem Umfeld schlecht behandelt und mich damit gerechtfertigt, dass es nicht mein Fehler ist, weil ich depressiv bin. Und das ist einfach total scheiße. Es ist ein Geschenk, Leute um sich zu haben, die sich empathisch oder geduldig zeigen. Nur weil man mit sich kämpft, hat man nicht das Recht, sie schlecht zu behandeln.“

Die Anekdote zum Song „Blood Mary Kate and Ashley“ ist skurril. Bei einem seiner einsamen Campingausflüge fiel Stefan eine Musikkassette aus seiner Kindheit in die Hände. Angeschickert und völlig alleine in der Wildnis hörte er sich „The ghost song (No such thing)“ von Mary Kate und Ashley Olsen an, fand es erst retrospektiv witzig: „Dass ich das als Kind richtig gut fand und, dass die beiden so was als Kinder produzieren mussten, kam mir heute so absurd vor.“ Die beiden bekannten Kinderstars philosophieren in dem Song darüber, ob es Geister wirklich gibt: „Das hat mich plötzlich auf einen wirklich bösen Trip gebracht, so ganz alleine draußen und mit diesen gruseligen Kinderstimmen. Ich wurde richtig paranoid, total peinlich für einen erwachsenen Mann“, lacht er. „Aber ich musste einfach einen Song dazu machen.“

Von jeher anspruchsvoll und aufwendig umgesetzt sind die Videos von PUP, die alle in Zusammenarbeit mit deren Freund Jeremy entstanden. Grundsätzlich schätzt es die Band, vertraute Leute in ihrem Umfeld zu haben. Das Video zum aktuellen Song „Kids“ zeigt die Band in einer fiktiven Zukunft, verzweifelt und verloren, aber auch mit der ungebrochenen Leidenschaft für Musik. Wir wollen von Stefan wissen, ob PUP wohl in 40 Jahren noch zusammen Musik machen werden: „Die Erfahrungen, die wir in den letzten Jahren gemeinsam gemacht haben, haben uns sehr zusammengeschweißt. Wenn wir ab morgen nicht mehr miteinander reden würden, bin ich mir sicher, dass wir am Totenbett zusammenkommen und das Verhältnis so ist, als ob kein Tag vergangen wäre.“