Punk-Traditionen – Teil 8

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Chucks

Meine ersten Chucks hatte ich 1987. Bis dahin trug ich Bundeswehrstiefel, dann Docs, oder meine geliebten Adidas Allround oder Grand Prix – hohe weiße Tennisschuhe. Warum auch immer kam man damit auch als Punk durch.

Uschi war aber „drin“ in diesem ganzen „Ami-Hardcore“-Ding, Skater, Slammer, Bandanas – und Chucks gehörten dazu. Chucks mussten also her, aber woher nehmen? Bei uns in der Kleinstadt führten diese weder Sportartikelläden noch Schuhhändler. Bei Uschi im Dorf hatte aber wohl der Schuhladen falsch eingekauft, im Schaufenster gilbten weiße Chucks vor sich hin, die konnten gerettet werden – ein Paar für sie, eines für mich, für sehr kleines Geld. Und so hatte ich dann also auch die „richtigen“ Sommerschuhe, denn Fan von Docs bei dreißig Grad war ich noch nie.

Warum es ausgerechnet Chucks sein mussten, darüber dachten wir damals so wenig nach wie die Kids von heute – Modetrends sind wie ein Virus, sie infizieren dich einfach, du kannst nichts dagegen tun, und nur mit starkem Immunsystem kann man sich dagegen wehren. Mit zunehmendem Alter ist diese Widerstandsfähigkeit erfreulicherweise immer stärker ausgeprägt. Chucks, die trugen eben auch die anderen, teilweise die tourenden Bands, dann gerne verdreckt, durchgelatscht und mit Gaffa-Tape geflickt. Chucks waren in den USA billig – wer damals dorthin reiste, berichtete davon und deckte sich reichlich ein –, wie eben die anderen noch nicht zu Streetfashion verkommenen Kleidungsstücke und Marken auch. Auch arme Punks konnten sich den Tennisschuh-Klassiker Chuck Taylor All Star von Converse leisten, gebraucht waren sie in Thriftstores zu bekommen – perfekt. Und Chucks standen im Ruf, die „RAMONES-Schuhe“ zu sein. Wie und ob das stimmt, müsste man mal empirisch ermitteln, denn wenn ich darauf achte, sehe ich auf (späteren) Fotos der New Yorker immer nur hässliche weiße Achtziger-Schuhe von Nike und Co, aber keine Chucks.

Wie es aber eben immer so ist, wurde aus dem Subkultur-Trend dann irgendwann ein „Kult“, ein Modephänomen, und wie bei Docs auch konnte man irgendwann in den Neunzigern dann nicht mehr „seine“ Leute an Chucks oder Docs erkennen, plötzlich wurden die von „Normalos“ getragen, was den Vorteil hatte, dass sie überall und leicht zu bekommen waren, in zig Farben – und für viel mehr Geld. Waren die alten Chucks noch „Made in USA“ und erstaunlich haltbar, ging die Qualität spätestens mit der Übernahme durch Nike und die Produktionsverlagerung nach Asien den Bach runter, bei dreist erhöhten Preisen. Dennoch, an der schlichten, zeitlosen Eleganz der Schuhe hat sich nichts geändert, diverse Paare schlummern in meinem Kleiderschrank für den gelegentlichen Einsatz – und darunter ist auch noch das uralte Paar von 1987, mit handgemaltem Peace-Zeichen.