Punk Art #25

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Marcel Hass, Apes of Doom

In dieser Artikelreihe stellen wir Menschen aus der Punk- und Hardcore-Szene vor, die sich im weitesten Sinne grafisch betätigen und Poster, Flyer und Cover gestalten. Diesmal sprechen wir mit Marcel Hass, Apes of Doom.

Bitte stell dich vor.

Ich heiße Marcel Hass, bin 45 Jahre alt, lebe in Hamburg und habe einen kaufmännischen Job in einem Unternehmen für Fluchtweg- und Sicherheitstechnik. An meinen Artworks und Drucken arbeite ich somit nach Feierabend und an Wochenenden. Mit circa 15 hatte ich für mich THE SISTERS OF MERCY entdeckt und wurde Riesenfan. Dadurch hatte ich dann andere Bands kennen und lieben gelernt, wie JOY DIVISION, MISFITS, aber auch EINSTÜRZENDE NEUBAUTEN, Nick Cave und David Bowie. 1997 bin ich spontan und ohne große Vorkenntnisse auf ein NEUROSIS-Konzert gegangen, und das Ganze hat mich wahnsinnig beeindruckt und im Positiven verstört. Diese Art von extrem schwerer, düsterer und kathartischer Musik, abseits von albernen Tough-Guy-Klischees oder Rockstar-Getue, der Underground- und DIY-Spirit und besonders die visuelle Seite mit all den Plattencovern, Flyern und T-Shirt-Designs sind Dinge, die mich seitdem stark faszinieren und beeinflussen.

Seit wann betätigst du dich künstlerisch, wie fing das an, wie ging es weiter?
Wie viele andere auch habe ich als Kind gerne und viel gezeichnet. Ich war schon in jungen Jahren fasziniert von allem, was mit Horror und Mystik zu tun hat. Man konnte mich damals stundenlang in einem Plattenladen abstellen und ich bekam nie genug davon, die Coverartworks der Metal- und Filmsoundtrack-Abteilung zu studieren. Horrorfilmposter derAchtziger Jahre nachzuzeichnen, war voll mein Ding. Leider habe ich das Zeichnen mit dem Älterwerden immer mehr vernachlässigt. Dafür habe ich dann später angefangen, Collagen im Stil der Industrial Art zu erstellen. Mitte/Ende der Neunziger bin ich dann auf die Gigposter-Szene gestoßen, hauptsächlich durch die Poster-Bibel: „The Art of Modern Rock“. Als leidenschaftlicher Musikfan konnte ich nie genug kriegen von Bandartworks, aber was in der Gigposter-Szene möglich war, mit der sehr freien und vielfältigen künstlerischen Interpretation, ohne Rücksicht auf den Massengeschmack, fand ich unglaublich beeindruckend! Da ich es sehr schade fand, dass es damals kaum coole künstlerisch gestaltete Poster für die Konzerte gab, auf die ich so ging, hatte ich in einem kurzen Anflug von Selbstüberschätzung bei dem Booker von CORRECTION HOUSE, einer Band mit Mitgliedern von NEUROSIS und EYEHATEGOD, angefragt, ob ich für deren ersten Gig in Hamburg einen kleinen Flyer gestalten könnte, gedacht auch nur zum Posten für die Online-Promotion. Aber ihm und der Band gefiel der Entwurf offenbar so gut, dass ich daraus ein alternatives Tourposter machen sollte, das es dann in gedruckter Form auf den Konzerten zu kaufen gab. Als wir uns das nächste Mal trafen, erzählte er mir, dass er gerade eine kleine Deutschlandtour für NEUROSIS plante, und falls ich wollte, könnte ich auch hier einen Entwurf für das Poster machen. Das lief auch ganz gut und es folgten weitere Arbeiten für NEUROSIS und deren Label Neurot, sowie einige weitere Poster- und Flyerdesigns für diverse Konzerte, dem Hamburger Droneburg Festival und ein paar Plattencover. Nachdem einige meiner Poster-Designs als Screenprints gedruckt wurden, war das für mich die nächste Herausforderung, ganz unabhängig vom Entwurf bis zum fertigen Druck alles selber machen zu können.

Wie arbeitest du? Klassisch mit Papier und Farbe, oder digital am Rechner?
Ich arbeite überwiegend am Rechner. Allerdings ähnelt meine Technik immer noch der „Cut & Paste Art“, mit der ich früher schon analog mit Schere und Kleber Bilder neu zusammengesetzt habe. Im Grunde also recht simpel und roh. Meine Fähigkeiten bei der digitalen Bildbearbeitung durch Photoshop und Co. sind recht begrenzt, und es reizt mich auch wenig, damit mehr als nötig zu arbeiten. Ich verwende auch möglichst eigene Fotos und nehme gerne als Texturen selbstgemachte Acryl- oder Aquarellbilder, die ich einscanne und weiterbearbeite. Das Ganze später vom ursprünglichen digitalen Bild im recht aufwändigen Siebdruckverfahren, Farbe für Farbe, per Hand auf Papier zu drucken, ist für mich der Höhepunkt beim Entstehungsprozess.

Bist du Autodidakt oder kannst du auf eine klassische künstlerische Ausbildung verweisen?
Nein, ich habe keinerlei künstlerische Ausbildung genossen. Da bin ich eher autodidaktisch, auch das Siebdrucken ist reines learning by doing. Ich hatte mich damals von meinen Eltern überzeugen lassen, erst mal was „Richtiges“ zu lernen und bin in einer konventionelle Berufslaufbahn gelandet. Ich habe es auch erst ab Mitte dreißig geschafft, etwas zu finden, mit dem ich meine Kreativität ausleben kann, und mich in die Welt der Konzertflyer und Bandartworks vorgewagt. Wenn ich noch mal die Wahl hätte, würde ich wahrscheinlich einiges anders machen. Andererseits ist es auch ein gutes Gefühl, mir meine Projekte unabhängig davon auszusuchen, ob die rentabel sind, und kann so auch Anfragen ablehnen, wenn mir zum Beispiel die Bands nicht zusagen, da ich nicht mein Geld damit verdienen muss.

Hast du Vorbilder, welche Stile beeinflussen dich?
Es gibt sicherlich unzählige Künstler:innen aus verschiedenen Bereichen und Stilrichtungen, die mich bewusst oder unbewusst beeinflussen. Ob nun aus der klassischen Kunst oder auf Instagram, es gibt immer wieder etwas Neues zu entdecken, das einen inspiriert und antreibt oder auch zutiefst einschüchtert. Um auch ein paar Namen zu nennen: Jay Shaw, Dehn Sora und Jacob Bannon fallen mir jetzt spontan ein, von deren Arbeiten ich nicht genug kriegen kann. Zu meinen Haupteinflüssen gehören sicherlich Filmposter aus sämtlichen Dekaden, Gigposter, Album- und Flyerartworks aus der klassischen Industrial-, Black-Metal- und Punk/Hardcore/Crust-Szene, Comics, Fotografien, Okkultismus, die Natur und so weiter.

Gibt es deine Kunst zu kaufen?
Ja, ich habe einen Online-Shop, da gibt es die meisten meiner Gigposter und Artprints als limitierte handgefertigte Siebdrucke zu kaufen. Die Drucke kosten in der Regel 20 bis 40 Euro.

Arbeitest du völlig frei oder auch im Auftrag? Etwa für Bands oder Konzertveranstalter?
Sowohl als auch. Bei Gigpostern suche ich mir gerne die Konzerte und Bands aus, für die ich Lust hätte, was zu machen, und kläre dann mit der Band oder Booker und Management die Bedingungen ab. Hierbei lege ich viel Wert auf künstlerische Freiheit, da für mich so ein Poster noch etwas anderes darstellt als nur ein weiterer Merchartikel. Ansonsten mache ich aber auch gerne Auftragsarbeiten, bei denen man sich mehr austauscht und Wünsche oder Vorgaben berücksichtigt, wie Tourposter, Shirtdesigns oder Albumcover.

Was ist mit Ausstellungen?
Ja, ein paar Ausstellungen gab es schon, und ich versuche gerade etwas für Spätherbst in Hamburg zu organisieren. Ich bin in der Regel immer beim Flatstock Hamburg dabei. Das ist einer der größten Gigposter-Conventions in Europa mit internationalen Posterkünstler:innen und findet parallel zum Reeperbahn-Festival statt. Ich hoffe, dass ich nächstes Jahr, wenn die Pandemie überwunden ist, auch außerhalb meiner Heimat meine Sachen öfter persönlich präsentieren kann.

Was gibt dir deine Kunst emotional?
Ich fühle mich sehr glücklich und dankbar, dass ich nach vielen Jahren meine kleine Nische gefunden habe, in der ich mich kreativ ausleben kann. Poster und Artworks zu gestalten ist meine größte Leidenschaft, und ich will mir gar nicht vorstellen, wie mein Leben jetzt wäre, ohne eine Möglichkeit des kreativen Ausdrucks. Es ist für mich ein großes Privileg, mit beziehungsweise für Bands zu arbeiten, von denen ich seit Jahren Fan bin, und dass Leute von Finnland bis Mexiko meine Drucke kaufen und sammeln, finde ich ziemlich unglaublich.