PROMISED END

Foto© by Brittany Rose Queen Photography

Everything is war

Sie kommen aus Boston, Massachusetts und haben gerade ihre Debüt-LP „For The Buried And The Broken“ auf Gunner Records veröffentlicht. Ganz neu in der Szene sind die Beteiligten aber nicht, zu den „Vorbands“ gehören LANDMINES, THE EFFORT, TIED TO A BEAR und SKY TIGERS. Als „Hardcore mit einer fantastischen Oldschool-Emo-Note“ beschrieben wir sie in der Ox-Rezension, und Sänger Paul Picillo erklärte uns den ganzen Rest.

Kannst du dich und deine Band bitte vorstellen?

Mein Name ist Paul Picillo, ich singe bei THE PROMISED END. Außerdem sind da James Christopher und Rochelle Ferguson an der Gitarre, Brian Linehan am Bass und Ryan Maloney am Schlagzeug. Zuletzt war ich bei TIED TO A BEAR, einer Melodic-Punk-Band. Vielleicht kennst du den Sänger und Songwriter Jeff Rowe, der war auch dabei. Davor war ich acht Jahre lang bei der Hardcore-Band LANDMINES aus Richmond, Virginia. James war früher in der Emotional/Post-Hardcore-Band CHOKE UP sowie in der Straight-Edge-Band THE EFFORT. Rochelle, Brian und Ryan spielen derzeit außerdem in der Thrash-Metal-Band SKY TIGERS.

Ich höre in eurer Musik viel von ... nein, sag du es mir bitte. Welche vier, fünf Bands haben zu diesem Album geführt?
Ich glaube, man kann sofort BAD RELIGION, GORILLA BISCUITS, PROPAGANDHI und AVAIL heraushören, aber die Einflüsse, aus denen wir schöpfen, sind vielseitiger als das. Die Geschmäcker sind in unserer Band teilweise ganz unterschiedlich, aber hauptsächlich sind wir von frühem amerikanischen Punkrock, Thrash Metal aus den Achtzigern und Hardcore aus den Neunzigern inspiriert.

Eure Geschichte mit Gunnar von Gunner Records reicht schon viele Jahre zurück ... Ein Review deiner alten Band LANDMINES hatten wir 2009 im Ox. Kannst du dich daran erinnern, wie ihr in Kontakt gekommen seid?
Wir haben uns an Gunnar gewandt, nachdem wir unseren Freund Erik Petersen gefragt hatten, wie wir LANDMINES nach Europa bringen könnten. Er gab uns die Kontaktdaten von Gunnar und legte ein gutes Wort für uns ein. Wir schickten Gunnar unsere Musik und er willigte ein, mit uns zu arbeiten. Ich möchte diese Gelegenheit nutzen, um zum Ausdruck zu bringen, wie sehr wir Erik vermissen, seit er 2016 von uns gegangen ist. Er hat so viele Menschen zusammengebracht und wir werden ihn nie vergessen.

Was hat dich 15 Jahre später zu dem Label zurückgebracht?
Meine andere Band TIED TO A BEAR hat erst im Sommer 2019 ihr zweites Album „True Places“ bei Gunner veröffentlicht und wir waren dann auch zwei Wochen hier auf Tour. Was mir an Gunner Records gefällt, ist das Maß an Freundschaft und Unterstützung, das Gunnar und seine Crew uns und unseren anderen Projekten entgegengebracht hat, die er teilweise auch nach Europa geholt hat. Für uns ist das Gunner-Team wie eine Familie. Sie haben uns an Orte gebracht, an denen wir noch nie waren, für unsere Sicherheit und unseren Komfort gesorgt, uns gefüttert und untergebracht, damit wir tun können, was wir am liebsten tun: Musik machen und das mit anderen teilen.

Laut Titel ist euer Album „For The Buried And The Broken“. An wen habt ihr dabei gedacht?
Meine Mutter ist in der Zeit gestorben, als der wir an diesem Album gearbeitet haben. Der Grund war multiples Organversagen als Folge von jahrzehntelangem Drogen- und Alkoholmissbrauch. Sie war einer von vielen Menschen, die ich im Laufe der Jahre deswegen verloren habe. Der Titel und der gleichnamige Song sind eine Anerkennung ihres Kampfes und Ausdruck meines Versuchs, zu verarbeiten und zu verstehen, warum manche ihr Leben wegwerfen, um den Schwierigkeiten des Alltags zu entkommen.

Eurer Heimatstadt wurde vor langer Zeit mit der Compilation „This Is Boston Not L.A.“ ein Denkmal gesetzt. Gibt es etwas spezifisch „Bostonerisches“ an THE PROMISED END?
Tatsächlich hatten wir in den Achtzigern eine Explosion des Hardcore-Punk mit Bands wie SS DECONTROL und GANG GREEN. In den Neunzigern waren Oi!- und Streetpunk beliebte Genres, aber parallel dazu existierte eine neue Welle von Hardcore-Bands wie BLOOD FOR BLOOD, BANE und TEN YARD FIGHT. Zur gleichen Zeit gab es noch die Hardcore-Szene von Merrimack Valley mit ihrem metallischeren Stil, am bekanntesten sind hier CONVERGE und CAVE IN. Ich denke, typisch für und an Boston ist wohl die Art, wie sich das alles immer wieder vermischt hat. Boston ist keine große Stadt und man hat das Gefühl, dass jeder jeden kennt, so dass sich die Szenen immer überschnitten haben. Ich glaube, dadurch beeinflussen wir uns alle gegenseitig. Ich würde sagen, dass wir bei THE PROMISED END die besten Aspekte dieser musikalischen Tradition mit unserem Songwriting am Leben halten.

Wie sieht die Szene in Boston heute aus?
In den letzten Jahren mussten viele Veranstaltungsorte schließen. Einige davon sind der Corona-Pandemie zum Opfer gefallen, andere der fortschreitenden Gentrifizierung. Das hat das Booking für die Bands schwieriger gemacht. Eine lokale Show in einem kleineren Club zu organisieren, erfordert jetzt mehrere Monate Vorlauf, weil alles so schnell ausgebucht ist. Manche Band existiert vielleicht gar nicht mehr, wenn der Gig endlich stattfinden soll. Punk- und Hardcore-Bands spielen jetzt auch vermehrt als Vorgruppe bei größeren Konzerten. Auch gegen private Kellerkonzerte wurde verstärkt vorgegangen, so dass sie nicht mehr so häufig stattfinden wie in früheren Jahren. Es gibt hier immer noch viele großartige Bands und wir sind eine eingeschworene Gemeinschaft. Ich beobachte aktuell einen leichten Anstieg von DIY-Shows, die in angemieteten Räumen und Gemeindesälen veranstaltet werden, und ich denke, das ist ein gutes Zeichen. Das mussten wir in den Neunzigern auch tun, und deshalb hatten wir hier eine blühende Underground-Musikszene. Ich bin optimistisch, dass das wiederkommt.

Du hast in den sozialen Medien aufgerufen zum „Widerstand gegen die faschistische christlich-nationalistische Agenda“. Was hat dich dazu veranlasst?
Es gibt eine wachsende Zahl weißer, christlich-nationalistischer Politiker und Richter in unserer Regierung, die versuchen, uns in eine Art theokratische Herrschaft zu drängen. So haben sie zum Beispiel erfolgreich einen langjährigen Präzedenzfall gekippt, der Frauen das Recht auf Abtreibung zugestand. Damit wurden die Frauenrechte in den USA um 51 Jahre zurückgeworfen. Die körperliche Autonomie der Frauen wurde abgeschafft. Das wurde von religiösen Dogmatikern durchgesetzt. Sie bringen Gesetze ein, die ausdrücklich ihren sogenannten „christlichen Werten“ entsprechen. Diese Leute sind keine friedlichen, toleranten Nachfolger von Jesus. Das sind frauenhassende Feiglinge. Sie sind offen ausländerfeindlich und rassistisch. Es gibt einen beunruhigend großen Prozentsatz unserer Bevölkerung, der glaubt, dass Donald Trump von Gott gesandt wurde, um das Land zu retten. Eine ganze Fraktion innerhalb der rechten republikanischen Partei folgt ihm mit kultähnlicher Hingabe. Eine noch größere Zahl nutzt die geistige Verwirrung dieser Menschen aus, um ihre eigene unterdrückerische Agenda zu verfolgen. Es ist erschreckend, sich ein Amerika vorzustellen, in dem Gesetze gelten, die die Interpretation des Willens eines übernatürlichen Wesens darstellen sollen. Man kann schließlich jedes Unrecht damit rechtfertigen, dass es auf göttlichen Befehl hin geschieht. Ich bin nicht so naiv, nicht zu wissen, dass viele der mächtigen Leute, die diese Bewegung anheizen, komplett prinzipienlos und unaufrichtig sind. Trotzdem sind sie nicht die eigentliche Bedrohung. Es ist der Pöbel, den sie aufstacheln, der mich am meisten beunruhigt. Wir haben eine Bildungskrise in Amerika, eine krankhafte Besessenheit von Gewalt und einen leichten Zugang zu Schusswaffen. Man müsste schon an historischer Amnesie leiden, um die Anzeichen einer möglichen Dystopie zu ignorieren.

Was prognostizierst du, was in den USA im Laufe dieses Jahres passieren wird, da der Präsidentschaftswahlkampf gerade an Fahrt aufnimmt?
Ich prophezeie, dass wir uns an der reichen Tradition der Demokratie erfreuen werden, indem wir zwischen einer trägen Mitte-Links-Marionette und einem autoritären Schwachkopf wählen dürfen.

„Everything is war“ ist ein wichtiger Track auf dem Album, zu dem ihr ein Lyric-Video veröffentlicht habt. Kannst du uns den Hintergrund erklären?
„Everything is war“ ist ein Lied über die Mächtigen, die ihren Status bewahren, indem sie Empörung erzeugen, um die Armen und die Arbeiterklasse zu manipulieren und davon abzuhalten, sich zu organisieren. Mit dem Aufstieg der neuen Medien und des Internets haben sie ein perfektes Werkzeug gefunden, um Desinformationen zu verbreiten und die berechtigte Frustration in überflüssige Kämpfe über belanglose kulturelle Fragen umzuleiten, in denen wir uns aufreiben. Wir sollten stattdessen für angemessene Löhne kämpfen, die sie uns gestohlen haben. Wir sollten für bezahlbaren Wohnraum und eine gute Gesundheitsversorgung kämpfen. Wir sollten für gleiche Rechte für alle Menschen kämpfen. Wir sollten uns füreinander einsetzen, aber stattdessen kämpfen wir gegeneinander, und das ist ein Kampf, der unsere Unterdrücker mächtig und reich macht.

Gibt es Pläne für eine Europatour?
Ja, im September werden in Europa touren. Es sind 17 Dates gebucht. Darum hat sich wieder Gunner Records gekümmert. Ich freue mich schon sehr darauf!