Der bisherige Weg von THE PROMISED END ist nicht geradlinig verlaufen, doch die Band aus Boston hat sich zu ihrem Debüt durchgekämpft. „For The Buried And The Broken“ greift Frustration und Verbitterung auf und verwandelt sie in Optimismus und Zuversicht. In den Songs des Quintetts wird melodischer Hardcore mit einer direkten Punk-Edge verbunden und in Hymnenform gebracht.
Es geht uns um Mut und Durchhaltevermögen im Angesicht überwältigender Widrigkeiten“, erklärt Frontmann Paul. „Vor der Gründung der Band sowie während des Songwritingprozesses und der Aufnahme des Albums mussten wir mit vielen traumatischen Ereignissen fertig werden, die für die meisten Bands das Ende bedeutet hätten. Dazu gehören lebensbedrohliche Krankheiten, der Tod von engen Freunden und Familienmitgliedern, finanzielle Nöte, eine zerbrechende Ehe, psychische Depressionen, Drogen- und Alkoholsucht und das Zerbrechen von lieb gewonnenen Freundschaften. All dieses Gift hat seinen Weg in die Musik gefunden, aber die allgemeine Botschaft heißt, dass wir durchhalten und uns treu bleiben.“ Diese hart gelernte Einsicht wird in Tracks transportiert, die catchy und aggressiv zugleich sind: „Es gibt ein Zitat, mit dem ich mich sehr verbunden fühle und das unsere Herangehensweise an das Songwriting zutreffend beschreibt“, holt Paul aus. „Es lautet: ‚Das Leben ist im besten Fall bittersüß.‘ Wirklich ehrliche Kompositionen enthalten beide Seiten. Ein Lied, das einen freudigen Moment einfängt, diesen aber nicht in einen Kontext mit den Ängsten stellt, die unsere menschliche Erfahrung ausgleichen, ist unvollständig. Dies gilt auch in umgekehrter Richtung. Wenn wir einen Song schreiben, der musikalisch gesehen eine dunkle Stimmung hat, versuche ich, etwas Licht hineinzubringen. Das kann im Text sein oder in der Art, wie der Gesang vorgetragen wird. Oder vielleicht gibt es einen extrem melodischen Gitarrenpart, der den aggressiven Rhythmus überlagert. Wenn die Musik sehr eingängig ist und einen allgemein leichteren Ton hat, finde ich es aufregend, ernstere und geerdete Themen zu erforschen und diese in diesen Rahmen zu stellen.“
Kurzum, der Frontmann von THE PROMISED END betreibt Alltagsbewältigung: „Ich bin 45 Jahre alt und habe mehr als genug Tragödien erlebt“, resümiert der Musiker. „Andere haben es ohne Frage und bei weitem schlimmer gehabt. Ich bin dankbar dafür, dass ich gesund und am Leben bin. Allerdings kann man nicht unendlich viel ertragen und dennoch immer fröhlich bleiben. Indem ich meine Erfahrungen in der Musik dokumentiere, schöpfe ich neue Kraft und versuche, nicht zynisch zu werden, sondern eine traditionelle, stoische Sicht auf die Welt einzunehmen. Es ist wichtig, seine Realität zu erkennen und zu akzeptieren. Menschen, die das nicht tun, heilen nie von ihren Wunden.“ Klare Positionen zu beziehen, ist Paul Picillo auch aus einem anderen Grund ein Anliegen: „Bei uns zu Hause wurde immer extreme Musik gehört. Meine Mutter war ein großer Fan von britischem Heavy Metal wie IRON MAIDEN, BLACK SABBATH und JUDAS PRIEST. Im Alter von fünf, sechs Jahren bekam ich meine erste Kassette, ‚Maiden Japan‘. Diese Ära war viel rauher und ging mehr in Richtung Punk. Später schenkte mir meine Mutter das Debütalbum von SUICIDAL TENDENCIES. Von der Rohheit und Attitüde dieser Platte war ich sofort angetan. Doch es waren besonders die Texte, die sich von allem, was ich bis dahin gehört hatte, abhoben. Mein Onkel machte mir durch Mixtapes mit THE CLASH, GANG OF FOUR, DEAD KENNEDYS, FEAR richtige Punkmusik bekannt. In den Songs ging es nicht um Mädchen oder Partys. Diese Bands hatten eine Botschaft und setzten ihre Kunst als Waffe ein. Seither lehne ich Platten mit ‚schlechten Texten‘ ab. Als ich anfing, eigene Songs zu schreiben, stellte ich die Botschaft in den Vordergrund. Da ich kein großartiger Sänger bin, konzentriere ich mich darauf, ehrliche Texte zu schreiben und mich für die Interpretationen anderer angreifbar zu machen. So, wie es die Bands taten, die mich inspirieren. Wenn ich dazu beitragen kann, dass es durchdachte Texte gibt, die sich mit den sozialen, politischen und persönlichen Erfahrungen befassen, und andere Menschen etwas Positives daraus mitnehmen, dann habe ich nur das zurückgegeben, was ich einst bekommen habe.“
THE PROMISED END haben auch musikalisch die passende Richtung schnell gefunden: „Als die Band gegründet wurde, bestand die Besetzung aus mir am Mikro, Brian Linehan, Mitglied der Bostoner Thrash-Metal-Band SKYTIGERS, am Bass, Patrick DeWit, Schlagzeuger meiner früheren Band LANDMINES, und Singer/Songwriter Jeff Rowe an der Gitarre“, so der Frontmann. „Jeff und ich haben früher zusammen in TIED TO A BEAR gespielt, aber unsere musikalische Zusammenarbeit reicht bis in die Mitte der Neunziger Jahre zurück. Es gab so viel Geschichte zwischen uns allen, wir hatten von Anfang an eine gemeinsame Vision. So kam die Musik ohne große Reibung zustande.“ Seither hat sich einiges getan. „For The Buried And The Broken“ markiert den Einstand einer transformierten Gruppe: „Die größte Veränderung waren die Wechsel in der Besetzung“, stimmt Paul zu. „Auf halber Strecke des Songwritings verließ uns Jeff, aber wir konnten ihn durch James Christopher ersetzen. Als wir ins Studio gingen, hatte James nicht nur alle Rhythmusgitarren ausgearbeitet, sondern auch die Leads für alle Songs geschrieben. Noch bevor der Gesang für die Platte fertiggestellt war, verließ uns dann Patrick, so dass wir ohne Schlagzeuger dastanden. Nun ist Ryan Moloney von SKYTIGERS dabei. Nach einigen Proben mit der neuen Besetzung merkten wir, dass es fantastisch wäre, einen zweiten Gitarristen zu haben, der die Parts spielt, die James bei den Aufnahmen hinzugefügt hat. Daraufhin haben wir Rochelle Ferguson als Gitarristin rekrutiert, ein absolutes Talent und ebenfalls Mitglied der SKYTIGERS. Unsere Band besteht zu sechzig Prozent aus SKYTIGERS, weshalb wir sicherzustellen müssen, dass wir die Identität von THE PROMISED END beibehalten. Das hat sich als großer Vorteil erwiesen, da wir jetzt unsere besten Songs schreiben. Das neue Material klingt allein nach THE PROMISED END.“
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