POLAR

Foto© by Tom Adam Green

Alles immer überall

Zufälle gibt’s! Die Briten POLAR veröffentlichen ein neues Album und nennen es „Everywhere, Everything“ im gleichen Jahr, in dem ein Film namens „Everything Everywhere All at Once“ rauskommt. Oder ist das gar kein Zufall, sondern eine Verbindung zwischen den Multiversen? Ich spreche mit den vier Bandmitgliedern über Metaphorik, Religion und die Dinge, die alles zusammenhalten.

Das hat mich richtig genervt. Ich habe es auf YouTube in den Kommentaren gelesen, dass es einen Film gibt, in dem Augen so rumwackeln, und jetzt setzen das Leute mit unserem Song gleich? Das ist nicht so cool. Aber so lange die richtigen Leute erreicht werden und den Fans der Song gefällt, ist alles gut, selbst wenn da irgendeine Verbindung zu irgendeinem Film gezogen wird ...“ Da war wohl jemand nicht im Kino. Nachdem Schlagzeuger Noah See seinen Ärger zum Ausdruck gebracht hat, holt ihn Sänger Adam Woodford wieder zurück: „Es ist ein richtig guter Film, haha! Das ist schon okay, dass wir im gleichen Atemzug genannt werden.“ In dem A24-Kinohit des Sommers geht es um Multiversen und die Kraft, die Fähigkeiten aus allen Universen, aus jeder Version seiner selbst, die man mal war, die man mal sein wird und die man mal sein könnte, in sich zu vereinen und zum Guten zu nutzen. Perspektivwechsel. Selbstvertrauen. Worum geht es auf dem neuen POLAR-Album?

„Wir hatten absolut keine Lust, Songs über die Pandemie zu schreiben oder über Impfungen. Auch wenn wir alle diese Jahre durchgemacht haben und das Album in dieser Zeit entstand, sollten sich die Texte nicht zu sehr darauf beziehen“, erklärt Gitarrist Fabian Lomas. „Wir haben versucht, Texte zu schreiben, in denen sich die Leute individuell wiederfinden können. Haben wir schon immer. Wir bekommen auch oft die Rückmeldung, dass Leuten gewisse Zeilen unglaublich viel bedeuten, das ist richtig cool. Wir wollen unsere eigenen Gefühle zum Ausdruck bringen und damit auch andere erreichen. Das Gefühl, ungenügend zu sein, etwas zu vermissen, in ein Loch zu sinken, aber sich auch wieder rauszukämpfen, nachdem sich wichtige Dinge verändert haben, ist eine sehr menschliche Erfahrung. Die wollten wir da reinpacken.“

Als ich zum ersten Mal die Tracklist gesehen habe, war mein erster Gedanke: Religionsunterricht. „Haha ja, wenn ich die Titel mir so anschaue, verstehe ich total, was du meinst. ‚Gods and heathens‘, ‚The greatest sin‘, ‚Deliverance‘. ‚Snakes of Eden‘ ... Da ging es wohl ein bisschen mit uns durch, haha“, sagt Noah. Adam fügt hinzu: „Das war gar nicht so beabsichtigt. Aber religiöse Bildsprache ist echt super für Lyrics! Die meisten können sich etwas darunter vorstellen, wenn sie solche Begriffe hören, und sie einordnen. Das hilft schon sehr, um es richtig auszuschmücken. Aber wirklich gewollt war das nicht.“ Dabei hatten POLAR bei ihrem vorherigen Album „Nova“ ein unglaublich durchdachtes Konzept, sowohl für die Musik als auch das Artwork und die Videos bis hin zu den sozialen Medien. Gibt es so was diesmal gar nicht? „Oh doch, aber wir stehen da ja noch am Anfang. Es wird sich noch etwas aufbauen und zeigen! Wir stecken ziemlich viel Arbeit in unsere Social-Media-Seiten, und machen fast alles selbst. Klar posten auch unser Label und unsere Booking-Agentur etwas, aber die Konzeptarbeit liegt bei uns. Es ist cool, darüber eine Connection zu den Fans zu haben“, sagt Sänger Adam. Bassist Gav Thane fügt hinzu: „Aber in den letzten zwei Jahren hat sich das alles so verändert. Die Dynamiken in den sozialen Medien bleiben selten für mehr als ein paar Monate die gleichen, und es ist harte Arbeit, da am Ball zu bleiben, und die Plattformen optimal zu nutzen. Es ist schon eine Herausforderung, aber es macht auch Spaß.“ Apropos Connection mit den Fans. Wie ist eure Haltung zu Konzerten und Live-Auftritten nach den letzten zwei Jahren? „Wir freuen uns natürlich wieder richtig, richtig, richtig doll, auf die Bühne zu gehen“, so Adam. „Aber ich verstehe, dass sich auch das sehr verändert hat. Dass viele Leute sich noch nicht trauen aus unterschiedlichen Beweggründen, vielleicht haben sie Risikopatienten zu Hause in ihrem Umfeld und würden sich deswegen unwohl dabei fühlen, auf ein Konzert zu gehen. Ich denke, wir müssen alle viel Vertrauen haben – in die Promoter und Venues, dass sie alles unternehmen, damit das Konzert für alle sicher ist, und auch in die anderen Leute um uns rum, dass sie nicht mit Symptomen kommen oder Ähnliches. Aber Vertrauen lernen ist nicht einfach.“ Es geht mal wieder, natürlich, wie immer, nur gemeinsam. Es gibt kein losgelöstes Teilchen, an dem man schrauben kann, um alles ins Lot zu bringen; und es ist auch keine Einzelaufgabe, sondern die von uns allen, damit es funktionieren kann. Zum Glück klappt das oft genug, besonders dann wenn wir alle gemeinsam vor einer Bühne stehen, auf der eine Band spielt, die jedem von uns etwas bedeutet. Verbundenheit und Zusammenhalt mit allem und jedem, genau am richtigen Ort, genau im richtigen Moment.