PIXIES

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Fight Club, Kleingeld und Zauberei

Die PIXIES gelten als die Band, die den Kontrast zwischen leiser Strophe und lautem Refrain etabliert hat. Ihr Debütalbum „Surfer Rosa“ von 1988 hat die Arbeit vieler großer MusikerInnen beeinflusst. 1993 war nach vier Studioalben erst mal Feierabend. Bassistin Kim Deal machte mit den BREEDERS weiter, Sänger Charles „Black Francis“ Thompson ging als „Frank Black“ solo auf Tour und auch die anderen beiden Mitglieder, David Lovering (Schlagzeug) und Joey Santiago, widmeten sich Soloprojekten. Lovering war außerdem als Magier mit einer Zaubershow unterwegs. 2004 gab es dann eine Reunion. Die PIXIES gingen sehr lange sehr erfolgreich auf Tour, bis auf ein paar Compilation-Tracks gab es aber vorerst kein neues Material. 2013 erschien dann die erste neue EP, später zwei weitere. Zusammen ergeben diese nun „Indie Cindy“, das erste Studioalbum der PIXIES seit über zwanzig Jahren. Während der Aufnahmen hat Kim Deal die Band allerdings verlassen. Kim Shattuck (THE MUFFS) trat ihre Nachfolge an, verließ die PIXIES aber ebenfalls nach kurzer Zeit wieder. Mittlerweile ist Paz Lenchantin fest als Bassistin dabei.

Ich traf Gitarrist Joey Santiago und Schlagzeuger David Lovering zu einem nicht ausschließlich einfachen Gespräch. Joey verlor immer wieder den Faden, das kann an den vielen Interviews an diesem Tag (und denen davor und danach) gelegen haben, aber auch am Wodka Martini, der ihm zwischendurch serviert wurde. David hingegen antwortete gelassen und professionell auf meine Fragen über damals und heute, das neue Album und einen Film, in dem der große Hit „Where is my mind?“ eine bedeutende Rolle gespielt hat

Könnt ihr „Fight Club“ eigentlich noch anschauen?


Joey: Ich habe ihn erst einmal gesehen, um ehrlich zu sein.

David: Ich auch.

Joey: Vielleicht schaue ich ihn mir mal wieder an, zusammen mit meiner Freundin, sie kennt den Film noch nicht. Ich finde ja, mal ganz abgesehen davon, dass ich selber Mitglied bei den PIXIES bin, dass das die beste Musikplatzierung in einem Film überhaupt war. Diese mechanische Takataka von den DUST BROTHERS, das vorher im Film zu hören ist, ergibt ja Sinn, weil sie da nun mal kämpfen ... schneller Kram halt, du siehst, wie sich da gegen die Wand schubsen und so was, da braucht es diese schnelle, laute Musik. Aber am Ende, wenn eigentlich das Schlimmste im Film passiert, der gewaltsamste Moment, puff, die Gebäude fallen, was ist das Erste, das du hörst? Die DUST BROTHERS hätten wahrscheinlich ihre helle Freude an dieser Szene gehabt, aber wenn die Gebäude dann fallen, setzt die Akustikgitarre ein und dieses „huuu-huuu“ – selbst ich habe davon noch Gänsehaut bekommen.

Wieso erscheint „Indie Cindy“ erst jetzt, wieso nicht schon zum Beispiel zur Reunion 2004?

Joey: Wir dachten uns, dass damals niemand etwas mit den Sachen hätte anfangen können. Die Leute wären beim Konzert bestimmt aufs Klo oder Bier holen gegangen, wenn wir was Neues gespielt hätten. Bei einer Reunion-Tour wollen die Leute die alten Hits hören.

David: Die Tour 2004 war sehr lang, wir waren nur noch unterwegs und es ging immer weiter. Ein neues Album aufzunehmen, kam uns da erst mal gar nicht in den Sinn. Es hat ungefähr sieben Jahre gedauert, bis wir gemerkt haben, dass diese Reunion-Geschichte schon viel länger ging, als wir ursprünglich geplant hatten. Das war erschreckend und auch irgendwie surreal. Erst dann kam die Idee auf, mal was Neues aufzunehmen.

Wer hat die Sache ins Rollen gebracht?

Joey: Wir haben darauf gewartet, dass Charles den Anfang macht. Wir waren seine schärfsten Kritiker und er wusste, dass er uns wirklich überzeugen musste. Irgendwann hat er uns Demos vorgespielt, bei denen wussten wir, dass es jetzt klappen kann. Sogar Kim war überzeugt ... Vielleicht sollte ich nicht sagen „sogar“, denn sie war voll dabei und hielt die Sachen für großartig.

David: Wir kamen irgendwann an den Punkt, an dem wir alle zufrieden mit den neuen Songs waren, und das war dann der Moment, zurück ins Studio zu gehen.

Wie, glaubt ihr, hat sich eure Herangehensweise an die Musik verändert?

David: Ich weiß nicht. Wir machen einfach das, was wir können. Ich kann natürlich nicht für Charles sprechen, der die Songs schreibt. Aber viele Leute, die das Album gehört haben, sagen, dass „Indie Cindy“ ein gutes Nachfolgeralbum für „Trompe Le Monde“ ist. Damit bin ich einverstanden. Wir haben aber auch versucht, etwas Neues auszuprobieren.

Joey: Es ist einerseits anders als das, was wir früher gemacht haben, aber irgendwie auch sehr ähnlich. Vielleicht, weil es immer gewachsen ist, aber es klingt noch immer nach den PIXIES, was gut ist, wir können das ja auch nicht ändern, glücklicherweise. Ich finde, es kommt „Bossanova“ am nächsten.

David: Man kann die Alben nicht so direkt vergleichen, die haben alle ihre Eigenarten. Sonst wäre es ja auch langweilig.

Joey: Das hier ist wahrscheinlich das glatteste Album, das wir je gemacht haben.Vielleicht weil es mittlerweile auch so viel Technik gibt, Pro-Tools zum Beispiel, das verbessert den Klang. Wenn ein Produzent mal müde wird, dann merkt er vielleicht nicht sofort, wenn etwas nicht sauber gespielt wurde. Jetzt kann man das aber ganz genau sehen nach den Aufnahmen. Wenn du dir Pro-Tools mal anschaust, diese Wellen, dann sieht man sofort, wenn etwas nicht stimmt, auch wenn es erst einmal okay klingt.

Wieso heißt die Platte „Indie Cindy“?

David: Charles hat sich das ausgedacht. Der Titel steht symbolisch für jeden, der die Musik hört.

Joey: Es steht für einen Fan, den wir beeindrucken wollen. Da steht ja jetzt eine ganz anderes Generation vor uns und die wollen wir schließlich auch mit der Musik ansprechen.

Und wie war es für euch, wieder gemeinsam im Studio zu stehen? Ihr seid ja jetzt nicht als die am besten befreundete Band bekannt.

David: Es war gut. Es war wie früher. Das Einzige, das sich wirklich verändert hat, war die Technik. Alles ging schneller und war bequemer. Ansonsten war es das Gleiche.

Joey: Ja, es war das Gleiche. Aber da war schon ein bisschen Nervosität dabei. Ich meine, das ist jetzt zwanzig Jahre her und wir wussten, wow, wir sind wieder im Studio. Und wir erschaffen etwas. Das war schon schräg. So nach dem Motto: Was machen wir hier? Wird das klappen? Das war früher aber auch schon so bei „Bossanova“. Als ich ins Studio kam, war das schon komisch. Kann sein, dass es am Jetlag lag, aber ich glaube ... nein, es war echt komisch, mit allen wieder im gleichen Raum zu sein.

Gab es da Spannungen?

Joey: Nein. Wir hätten das ansonsten auch nicht machen können. Nein, nein ... Spannungen wären nicht gut gewesen. Obwohl, doch auf eine Art wären Spannungen schon okay, aber wir wollten ja nicht kaputt machen, was wir da tun. Vielleicht haben wir die Nervosität auch besser versteckt als früher.

Wenn eine Band wie ihr ein neues Album ankündigt, gibt es große Erwartungen. Habt ihr Druck von außen verspürt?

David: Wir wussten, dass wir jetzt etwas Vernünftiges abliefern müssen. Das war schon etwas furchteinflößend, klar. Als wir ins Studio gingen, mochten wir die Stücke und wir waren glücklich mit der Auswahl. Bei den Aufnahmen waren wir erst mal unsicher, aber beim abschließenden Mischen war alles okay. Jetzt ist es raus, man kann es ja nicht allen recht machen, aber wir sind zufrieden.

So ein Comeback-Album ist ja auch gefundenes Fressen für Kritiker, habt ihr Angst vor denen?

oey: Nein, das hat uns nie interessiert. Ich meine, was machst du am Ende mit solchem Feedback? Wenn uns jemand eine negative Bewertung gibt, können wir ja nicht zurück ins Studio gehen und das Ganze noch mal aufnehmen, nur damit das am Ende jemand besser gefällt. Also was soll’s? Wir wissen dieses Mal natürlich, dass wir viel Aufmerksamkeit bekommen werden.

David: Wir können nur hoffen, dass die Kritiker uns noch immer mögen und uns vergeben, wenn mal was nicht so toll ist.

Wie hat sich die Beziehung zueinander in der Band verändert in den vergangenen Jahren? Kim hat die Band verlassen, wie hat sich das auf euch ausgewirkt?

David: Sie hat die Band während der Studioaufnahmen verlassen, vielleicht hat uns das als Team besser zusammengebracht und härter arbeiten lassen.

Joey: Es wird sicherlich seltsam werden, wenn wir noch mal ein neues Album aufnehmen, weil sie dann nicht mehr von Anfang an dabei ist. Wir können das aber auch nicht wissen, wir haben ja noch nie ein Album komplett ohne Kim aufgenommen. Was das Touren angeht, da haben wir sie anfangs schon vermisst.

David: Ja, sehr.

Joey: Aber eigentlich hatten wir kaum Zeit, sie lange zu vermissen. Wir mussten weitermachen und das Beste geben. Sie hat uns verlassen, also war das anders, aber mittlerweile geht es.

David: Ich bin drüber weg. Bei den ersten drei Konzerten war es schlimm, weil sie nicht mehr da war. Wir beide haben ziemlich viele Jahre den Rhythmus bei den PIXIES vorgegeben und dann fehlte sie. Es war einfach anders. Jetzt haben wir Paz Lenchantin dabei, die eine wunderbare Bassistin ist. Sie ist ein Profi und sorgt dafür, dass auch ich mir mehr Mühe gebe, ich will mich ja nicht blamieren. Die Leute bei den Konzerten mögen sie auch. Ich mache mir mittlerweile nicht mehr so viele Gedanken darüber, ich spiele einfach.

Joey: Ich auch nicht, vielleicht habe ich mir nie zu viele Gedanken gemacht. Ich kann es mir auch nicht leisten, das zu tun. In dem Moment, als sie uns verlassen hat, das war wie ein Knall. Unsere Emotionen sind übergekocht, wir mussten lernen, damit umzugehen. Wir sind durch eine Art Trauerphase gegangen, danach war es aber okay. Wir sind dann einfach wieder auf Tour gegangen.

Seid ihr noch in Kontakt?

David: Nein, ich habe nichts von ihr gehört seitdem.

Joey: Das ist aber normal. Wir reden nur selten miteinander, außer es geht um die Arbeit. Bei uns gibt es nicht dieses: Hey, hast du die letzte Folge von dieser Serie da gesehen? Das ist nicht unsere Art.

Hat sich seit der Reunion-Tour etwas geändert, wie geht ihr heute mit gesundheitlichen Fragen um zum Beispiel? Wenn man sich die Doku „loudQUIETloud“ anschaut, sieht es so aus, als hätte es einige Probleme gegeben.

David: Manche Filme sind dann doch eher Fiktion. Das Kamerateam hat uns zwei Jahre lang begleitet und wir sind nicht unbedingt eine sehr spannende Band. Also wurde viel zusammengeschnitten und es wurden Stilmittel benutzt, die den Film interessanter gemacht haben. Wir sind nicht so unkommunikativ und verrückt, wie es dort aussehen mag. Es ist aber auch nicht so, dass die Dinge, die man da sieht, nicht passiert sind, haha.

Joey: Na ja, vielleicht sind wir ja doch irgendwie schräg. Da ist schon was Wahres dran. Du kannst dir das nicht vorstellen, wenn meine Familie oder Freunde hinter die Bühne kommen, glauben sie vorher, dass wir da wilde Partys feiern. Nach der Show sitzen wir aber einfach nur müde rum.

David: So läuft das eben, das ist doch normal.

Joey: Man muss ja auch mal entspannen. Nach außen sieht das aber aus, als säßen da vier sehr schräge Typen, die nicht miteinander reden. Da lief ja nicht mal Musik bei uns, wir saßen einfach rum.

War das denn mal anders, zum Beispiel, als es die PIXIES noch nicht so lange gab?

David: Nein, ich glaube nicht.

Joey: Es gab Situationen, da wurde uns gesagt, wir sollten doch mal ein bisschen Zeit mit den Leuten verbringen, die mit uns unterwegs waren auf Tour. Die, die eben da arbeiten. Das war aber nicht unser Ding. Vielleicht hätte sich das so gehört, aber wir wollten das nicht machen. Ich wollte die Leute gar nicht treffen.

Es gibt ja auch noch was anderes als die PIXIES in eurem Leben. Machst du noch immer diese Zaubertricks, David?

David: Ja, mache ich, schau mal hier.

Ah, du bist also vorbereitet...

David trägt zwei Gummibänder um den Arm. Ich dachte erst, das sei ein Hilfsmittel gegen Nervosität oder so was, tatsächlich aber zeigt er mir einen kleinen netten Zaubertrick mit den Bändern. Ich applaudiere.

Toll, ich bin beeindruckt! Und wie sieht’s aus mit dem Metall-Suchen?

David: Ja, das mache ich auch noch. Ich habe ziemlich viele alte Münzen und sogar Ehe- und Diamantringe gefunden. Seitdem die PIXIES sich wieder zusammengetan haben, komme ich aber nur noch selten dazu.

Joey: David hat mich mal mitgenommen zum Metall-Suchen. Das war kurz, nachdem wir uns getrennt hatten. Jemand hat damals ein Foto von uns gemacht, das muss sehr lustig gewesen sein: Zwei von den PIXIES, die mit dem Metalldetektor nach Kleingeld suchen, haha.

David: Ich sollte vielleicht dazu sagen, dass das nicht ganz so albern ist, wie es vielleicht klingt. Ich forsche vorher nach, wo es eventuell uralte wertvolle Sachen zu finden gibt. Außerdem schaue ich, wie die Gezeiten sind, weil das Meer die besten Dinge an Land spült.

Joey, was machst du, wenn du gerade mal keine Lust auf Musik hast?

Joey: Ich fahre sehr gern Fahrrad. Außerdem verbringe ich natürlich gerne Zeit mit meiner Familie. Am liebsten spiele ich Baseball mit meinem Sohn. Er hat echt Talent und ich möchte ihm gerne helfen, ein guter Spieler zu werden.

Was würdet ihr Menschen raten, die heute eine Band gründen wollen, habt ihr da auch ein paar Tricks, die ihr ihnen mitgeben könntet?

Joey: Immer das gleiche: Probt! Gebt euch Mühe, bleibt bei der Sache und seid mit dem Herzen dabei.

David: Probt und schreibt gute Lieder, das ist der Schlüssel zum Erfolg. Das macht eine gute Band aus. Wir hatten Glück, dass die Leute unsere Musik mochten, aber so hat es funktioniert. Nach und nach wurden wir erfolgreicher, irgendwann waren wir Headliner und haben dann einfach weitergemacht.

Joey: Ach, und schreibt guten Lieder, bevor ihr die Social-Media-Plattformen benutzt, haha. Da sind so viele Bands, die schreiben uns und sagen: „Hey, hört euch unsere Sachen an“. Dann klicke ich den Link an und denke mir, ihr solltet lieber noch mal daran arbeiten. Die stehlen mir mit so was meine Zeit, auch wenn es nur 15 Sekunden sind. Ich meine, eine Band sollte wirklich erst mal gute Songs schreiben und diese auch drauf haben, bevor sie damit an die Öffentlichkeit geht.

Wie geht’s jetzt mit den PIXIES weiter, habt ihr darüber schon gesprochen?

David: Wir haben „Indie Cindy“ gerade erst veröffentlicht, also schauen wir mal. Erst mal sind wir wieder für eine lange Zeit auf Tour.

Joey: Oh ja. Wir spielen zum Beispiel vier Abende im Opernhaus in Sydney und dann geht’s weiter nach Europa, um dort Konzerte zu spielen. Ich bekomme schon Jetlag, wenn ich nur daran denke, haha.

Werdet ihr langsam nicht auch mal müde? Macht das nach all der Zeit noch Spaß?

Joey: Es ist der beste Job der Welt. Für mich zumindest. Oder, David? Es ist, glaube ich, das, was ich am besten kann.

David: Ich habe der ganzen Sache immer viel Wertschätzung entgegen gebracht, bevor wir mit den PIXIES aufgehört haben. Als es dann soweit war, hätte ich nie gedacht, dass wir je wieder zusammenkommen würden. Dann gab es aber diese zweite Chance und ich habe erst so richtig zu schätzen gelernt, wie großartig das ist, etwas tun zu dürfen, was ich so sehr mag und was mir so viel Spaß macht. Wir haben großes Glück, dass wir das hier noch in dieser Form machen dürfen und können. Ich kann mich also nicht im Geringsten beschweren.