PARKWAY DRIVE

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Die Meister der Gitarren-Downstrokes

Diese Australier sind ein Phänomen: Mit Metalcore haben es PARKWAY DRIVE in nur zehn Jahren geschafft, eine weltweite Fangemeinde hinter sich zu versammeln, die regelmäßig die großen Hallen füllt. So platt es klingen mag: PARKWAY DRIVE sind Kult. Und sie sind die Meister der Gitarren-Downstrokes. Bislang jedenfalls. Denn jetzt ist da „Ire“, ihre fünfte Platte. Die ist irgendwie anders geraten als alles zuvor. Sie klingt, zumindest teilweise, nach Neuausrichtung. Sie ist also ein Wagnis. Frontmann Winston McCall liefert beim Gespräch dennoch gute Argumente dafür, dieses Wagnis einzugehen.

Winston, der Name eures neuen Albums ist „Ire“ – Wut, Zorn. Das passt perfekt zum Auftakt dieser Platte: Man hört viel Wut und Aggression in den ersten Songs. Dann aber folgen plötzlich Stücke, die fast schon klassischer Metal sind und viel Pop-Appeal haben. Diese Facette von PARKWAY DRIVE war bislang unbekannt.


Wenn du „Ire“ mit unseren früheren Alben vergleichst, dann ist es tatsächlich so, dass die Geschwindigkeit zurückgefahren ist. Früher sind wir rasend in eine Platte eingestiegen und haben dieses Tempo bis zum Ende durchgezogen. Es ging immer nur um „schneller, härter“. Über vier Alben war das so, aber irgendwann wird es schwierig, den Zuhörern das zu vermitteln, was du ihnen vermitteln willst. Das ist wie in der Schule: Wenn der Lehrer immer nur herumbrüllt, dann ignorierst du ihn irgendwann. Wir wollten etwas Neues ausprobieren. Die Leute ein wenig schocken – und nicht immer nach Schema F weitermachen. Aber ich kann dir versichern: das war harte Arbeit. Wir haben es uns nicht leicht gemacht.

Sondern?

Nach der letzten Platte haben wir uns zusammengesetzt und lange diskutiert, wie wir die Spannung an unserer Musik aufrechterhalten können. Wie wir verhindern können, immer wieder nur das Gleiche zu machen. Wir wussten: Wir brauchen einen neuen Weg. Und diesen Weg zu finden, das hat drei Jahre gedauert. Wir haben Songs geschrieben, aufgenommen, wieder verworfen. Wir haben extrem experimentiert. Aber dieser Prozess war trotz der vielen Arbeit auch eine tolle Erfahrung. Er hat uns als Menschen und Musiker stärker gemacht. Wir haben gelernt, viel intensiver miteinander zu arbeiten und zu kommunizieren.

Und jetzt sind PARKWAY DRIVE eine klassische Metal-Band?

Nein. Wir sind und bleiben PARKWAY DRIVE, verwurzelt im Hard- und Metalcore. Aber wir haben unseren Sound perfektioniert. Jeder Teil der Band kommt jetzt viel deutlicher zum Tragen. Das war früher nicht so, da ging viel unter bei all der Geschwindigkeit und Härte.

Was würde der Winston von 2005 zu „Ire“ sagen?

Wahrscheinlich würde er motzen: „Da sind zu wenig Breakdowns auf der Platte! Was soll das? Wo sind die schnellen Parts?“ Und ich hätte Verständnis dafür. Aber „Ire“ ist eben eine – lass es mich mal so sagen – „Erwachsenen-Platte“. Und vor zehn Jahren war ich definitiv noch kein Erwachsener, haha. Da wollte ich nur auf die Bühne oder in den Pit und alles kaputtmachen.

Mit einem Argument wie „Erwachsenen-Platte“ brauchst du denjenigen, die eine Band lieben und ihr über Jahre hinweg treu bleiben, aber nicht zu kommen. Der Fan will, dass seine Band so bleibt, wie sie war, als er sie kennen und lieben lernte.

Ich kenne das Problem. Aber ich bin überzeugt: Auch als Fan willst du irgendwann etwas Neues haben. Hinzu kommt: Wir machen die Musik für uns. Für niemanden sonst. Das soll nicht egoistisch klingen, versteh mich nicht falsch. Es ist wundervoll, wenn sich viele Leute für unsere Musik interessieren. Wir sind sehr dankbar dafür. Aber es sind unsere Ideen, unsere Gedanken, unsere Zeit, die da hineinfließen!

Auch dein Gesang hat sich verändert. Er ist homogener, klarer. Auch auf die Gefahr hin, den Rock’n’Roll-Mythos anzukratzen: Hattest du Gesangsunterricht?

Haha, ja. Aber tatsächlich erst seit der Arbeit an „Ire“. Das war anfangs echt hart. Ich habe ja jahrelang nur geschrien und hatte keine Ahnung von Stimmbändern und Tonleitern und derlei. Ich habe mich nie darum gekümmert. Jetzt aber weiß ich, wie ich meine Stimme musikalisch einsetzen kann. Es ist erstaunlich, welchen Tonumfang sie abdeckt, wenn ich professionell daran arbeite.

Und wie war deine erste Gesangsstunde?

Verrückt, haha. Meine Trainerin fragte mich: „Was tun Sie denn so als Sänger?“ Ich antwortete: „Ich singe in einer Art Metal-Band.“ Darauf sie: „Oh, großartig! So wie Axl Rose?“ Ich musste stutzen und kommentierte das mal nicht, sondern sang ihr lieber etwas vor – und sie riss nach den ersten Tönen nur die Augen auf und sagte: „Um Himmels Willen! Wow! Was ist das?“ Sie war gleichermaßen geschockt und begeistert.

Kommen wir vom Gesang und der Musik auch einmal kurz zu den Texten auf „Ire“: Ist der Zorn Konzept?

Definitiv. Wir leben in frustrierenden Zeiten. Die Menschheit macht einen Schritt nach vorne – und gleich danach zwei zurück. Wir leben auf einem Planeten, auf dem die reichsten Menschen nur daran denken, noch weiter zu raffen, raffen, raffen. Dabei müssten wir alle es doch viel besser wissen. Irgendetwas stimmt ganz und gar nicht im Bewusstsein der Menschen. Und dagegen müssen wir etwas tun. Wir müssen Zorn generieren und handeln! Wenn du heutzutage, angesichts dieser Entwicklung, nicht zornig bist – wann willst du dann jemals zornig sein?

Auf was bist du besonders zornig?

Oh, da gibt es so viele Sachen ... Allein schon bei uns in Australien, diesem eigentlich wunderschönen Land. Da wurden über Jahre hinweg Sozialleistungen gekürzt. Die Grenzen werden dicht gemacht, wer ohne Papiere kommt, weil er anderswo vor Krieg und Armut flüchten musste, wird rigoros abgeschoben. Und die Medien befürworten all das. Kurzum: Es gibt genug, worüber man zornig sein kann. Und da rede ich ja noch nicht von den Dingen, die weltweit passieren ...

Wie groß ist deine Verantwortung als Künstler mit mittlerweile internationalem Erfolg, solche Dinge anzusprechen?

Die ist sehr groß! Der ganze Teenie-Mist, all diese Bullshit-Liebessongs, das gehört den Pop-Bands. Wir als Band, die im Hardcore und Punk und damit in einer Subkultur verwurzelt ist, müssen uns den anderen Sachen widmen. Denen, die zählen. Auch das ist die Aufgabe eines Musikers, dem mehr als nur ein paar Leute zuhören.