PARANOYDS

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Seid freundlich zu allen Lebewesen

Für 2016 verzeichnet Discogs die ersten beiden Releases des aus Los Angeles stammenden Vierers THE PARANOYDS, zwei Tapes. Letztes Jahr und dann noch mal im Vorfeld des Albums kam je eine 7“, und mit „Carnage Bargain“ im Herbst 2019 das Debütalbum auf Suicide Squeeze aus Seattle. Der Albumtitel, der einem Songtitel entnommen ist, ist ein hartes Statement – „Gemetzel-Schnäppchen“ könnte man das übersetzen, und auch wenn der Text dazu eher unkonkret ist, ist die Aussage von Bassistin und Sängerin Staz Lindes zu dessen Hintergrund sehr deutlich: „People want things all the time – there seems to be a constant manic need of consuming now more so than ever. ‚Carnage bargain‘ is about the people higher up wanting to get all this evil work done at a wholesale price.“ Lindes gründete die Band zusammen mit Jugendfreundin Laila Hashemi (Keyboard und Gesang), Lexi am Bass (und Gesang) sowie Drummer David Ruiz vervollständigten 2015 das Line-up, und wer mit einer Besetzung schon vier Jahre durchgehalten hat, der scheint es ernst zu meinen.

Wie hat das mit der Band angefangen?

Staz:
Wir drei kennen uns schon seit der Grundschule, wir kommen aus Santa Monica, Kalifornien.

Laila: Und irgendwann haben wir angefangen, gemeinsam Musik zu machen. Das hat sich einfach so ergeben. Bis vor ein paar Jahren hätte keine von uns gedacht, dass daraus mal eine richtige Band werden würde.

Lexi: Es hat nur ein bisschen gedauert, bis wir den perfekten Schlagzeuger gefunden haben, aber die lange Suche hat sich gelohnt.

Lasst uns über politische Musik, politische Bands, politische Künstler sprechen. Sollten oder müssen Künstler politische Themen ansprechen, eine klare Position beziehen?

Staz:
Wenn man über eine solche Plattform verfügt, muss man dieses Privileg auch nutzen, denn es gibt Millionen Menschen, die keine Stimme haben.

Lexi: Aber andererseits möchten die Menschen die Musik auch als kleine Flucht aus dem Alltag nutzen, zur Ablenkung von dem, was in der Welt vor sich geht. Du bekommst ja heute buchstäblich eine Benachrichtigung, wenn irgendeine Scheiße passiert. Wohin wir auch gehen, Social Media ist allgegenwärtig. Es ist uns wichtig, dass wir denen, die unsere Musik hören, auch Spaß und Unterhaltung bieten.

Laila: Man sollte einfach ehrlich sein und über Dinge zu schreiben, die dir wirklich etwas bedeuten. Bei Musik geht es darum, aufrichtig zu sein.

Ich bin auf dieses beeindruckende Statement von euch gestoßen und möchte wissen, warum ihr euch entschlossen habt, so direkte Worte zu finden: „Es ist eine extrem sensible Zeit in Amerika – die schöne Fassade hat längst Risse bekommen. Der ganze Dreck, der unter den Teppich gekehrt wurde, ist wieder ans Licht gekommen. Es ist unmöglich, auch nur einen Tag nicht an die Tausenden von Migrantenkindern in den Käfigen an der Grenze zu denken, allein, oft ohne richtiges Bett, Seife, Zahnbürste und mit Licht rund um die Uhr. Wir dürfen nicht länger ignorieren, wenn Woche für Woche Schwarzen, jung oder alt, von der Polizei das Leben genommen wird. Oder die Plastikflut. Die Amokläufe. Die überfällige Gefängnisreform. Die Opioidkrise. Der Wasserskandal in Flint, Michigan. Die Liste ließe sich endlos fortsetzen und es wird immer schlimmer. Manchmal liege ich nachts wach und dann frage ich mich: Können die im Weißen Haus wohl gut schlafen? Was kann ich als privilegierter Bürger noch tun? Sie wollen aus dem Blutbad auch noch Profit schlagen, darauf verweist unser Albumtitel ‚Carnage Bargain‘. Ich will den Müll aufsammeln.“

Staz:
Besser kann man es nicht ausdrücken.

Diese Aussage klingt fast wie ein Beitrag zu Fridays for Future oder Extinction Rebellion. Engagiert ihr euch in einer politischen oder sozialen Bewegung?

Staz:
Wir tun so viel wir können. Wir haben immer wieder mal Benefiz-Konzerte veranstaltet. Ich unterschreibe Petitionen oder verkaufe Kleidung und spende den gesamten Erlös. Es gibt so fantastische Organisationen wie Border Kindness, LA Family Housing, RAICES oder Planned Parenthood.

Für Menschen aus aller Welt ist Kalifornien, ist Los Angeles immer noch ein Ort, von dem sie träumen, wo sie vielleicht sogar leben wollen. Die Fernsehbilder von brennenden Waldhügeln und Häusern zu sehen, wirkt aber eher dystopisch.

Laila:
Los Angeles ist unser Zuhause, also ist es für uns natürlich erschreckend, was da passiert. Meine Familie musste evakuiert werden und wir kennen sogar Leute, die ihr Haus verloren haben.

Staz: Das Leben in L.A. ist derzeit fast unerträglich. Man kann den Rauch riechen, wenn man morgens aufwacht und es wird einem sofort bewusst, dass hier Menschen leiden. Wir haben das riesige Glück, an einem Ort zu leben, wo man einfach alles bekommen kann, was man will. Allerdings war es hier in letzter Zeit wirklich genauso schlimm wie überall sonst.

Musikalisch erinnert ihr mich an so großartige Bands wie THE GO-GO’S, die frühen BANGLES, B-52’S, BLONDIE, THE MUFFS – und dazu kommt dieser Riot Grrrls-Unterton. Hört ihr diese Vergleiche ständig, schmeichelt es euch oder liege ich damit völlig falsch?

Staz:
Bis auf B-52’S und THE MUFFS sind das nicht unsere Vorbilder, auch wenn wir großen Respekt vor ihnen haben. Beeinflusst wurden wir eher durch Bands wie X, DEVO, THE BREEDERS oder NIRVANA.

Eure fünf Tipps für eine bessere Welt?

Staz:
1. Hör auf, Plastikwasserflaschen zu kaufen, verwende stattdessen eine Mehrwegflasche. Es ist so einfach, spart Geld und du kannst sie überall auffüllen.

2. Hol dir eine Zahnbürste aus Bambus!

3. Benutze einen Kompostbehälter in der Küche.

4. Sei dir über alles bewusst, was du verbrauchst, vom Deo bis zur Zahl der Papierhandtücher, die du benutzt. Jede Chips-Tüte, die du beiläufig irgendwann gekauft hast, liegt immer noch auf einer Mülldeponie.

5. Sei freundlich zu allen Menschen, Tieren und Lebewesen. Du stehst über niemandem.