Not macht erfinderisch und so spielen PAPA ROACH ihr „Infest“-Geburtstagsset in einem kleinen, geschichtsträchtigen Studio in Sacramento, Kalifornien. Ein paar Blocks die Straße runter proben die DEFTONES, deren legendäres „White Pony“ aktuell ebenfalls sein Zwanzigjähriges feiert.
Es fühlt sich seltsam kribbelig an vor meinem Rechner. Der Chat neben dem Streamfenster läuft heiß: Leute aus Utrecht, Aschaffenburg, aus Spanien und Tschechien melden sich zu Wort. Der Host zählt die Minuten runter. Fünfzehn, dann zehn, und nach Ablauf des Countdowns geht es los. Wir sehen Jacoby hinter einer Gasmaske, die so prägend für die Optik des 2000er Releases der Band war. Das Studio ist warm ausgeleuchtet und im Hintergrund stehen Schaufensterpuppen mit Gasmasken. Die ersten Töne von „Infest“ hallen gut abgemischt durch die Boxen und vom ersten Takt an spürt man die Energie, die für PAPA ROACH so typisch ist.
Schwer, dabei ruhig auf dem Stuhl sitzen zu bleiben, aber man gewöhnt sich daran. „Es fühlt sich verdammt gut an, wieder spielen zu können. Ich meine, dieses Jucken muss gestillt werden“, sagt Jacoby zwischen den Songs.
Aufgelockert wird die Setlist immer wieder von kurzen Gesprächen der Band untereinander. Sie schwelgen in Erinnerungen an die Anfangszeit und packen eine Anekdote zu „Infest“ nach der anderen aus. Hier spürt man die unglaubliche Chemie, die PAPA ROACH auch nach über zwei Jahrzehnten noch hat. Hierin liegt der große Vorteil des Streams: man bekommt PAPA ROACH so intim zu sehen wie nie. Allein der Ort entlockt den Bandmitgliedern immer wieder lustige Erinnerungen. Es wird viel gelacht und Jacoby, Jerry und Will kommen immer wieder ins Schwärmen. Als dann Jacoby einen alten Koffer mit den ersten PAPA ROACH-Stickern und ein Tape mit „Last resort“ und „Dead cell“ auspackt, ist die Nostalgie perfekt.
Mit großer Energie groovet und flowt die Band sich durch ihr Debütalbum und einzig, wenn Jacoby schreien muss, gerät er an seine Grenzen. „Ich weiß nicht, wie Randy von LAMB OF GOD das durchhält.“ Für eine Show ohne Publikum hat das Set ein unglaubliches Feuer und eine mitreißende Energie. Der Nostalgiefaktor tut sein Übriges. Für mich ist „Infest“ noch immer eines der meist gehörten Alben meines Lebens und so freue ich mich über jeden einzelnen Song. Meine Hoffnung auf den Hidden Track „Tight rope“ wird nicht nur erfüllt, sondern noch übertroffen, als Jacoby ankündigt, dass ab jetzt eine 2020er-Version des Songs auf allen gängigen Plattformen zu streamen ist. Das Sahnehäubchen, das eine rundum gelungene Erfahrung noch abrundet.
Insgesamt haben PAPA ROACH mit ihrer Geburtstagsshow einen unglaublichen Fanservice geleistet. Die Anekdoten, die energiegeladene Live-Show, die kurzen Einspieler der Gratulanten, darunter Tony Hawk, der „Blood brothers“ auf seinem „Tony Hawk’s Pro Skater 2“-Soundtrack verewigte und damit unsterblich machte – alle diese besonderen Momente machen den Stream zu einem kleinen Fest für die Fans.
© by Fuze - Ausgabe #83 August/September 2020 und Marvin Kolb
© by Fuze - Ausgabe #93 April/Mai 2022 und Marvin Kolb
© by Fuze - Ausgabe #93 April/Mai 2022 und Marvin Kolb
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #41 Dezember 2000/Januar/Februar 2001 und Dominik Winter