ÖSTRO 430 sind zurück. 36 Jahre nach ihrem letzten Konzert hat sich die seinerzeit erste Frauen-Punkband in Deutschland reformiert, mit den Gründungsmitgliedern Martina Weith, Gesang und Saxofon, und Bettina Flörchinger, E-Piano – neu dabei sind Anja Peterssen am Bass und Sandy Black am Schlagzeug. Die geplanten Konzerte mussten wegen Corona erst einmal verschoben werden. Im sehr netten Telefonat mit Martina geht es unter anderem um die Wiederveröffentlichung der alten Platten auf Tapete und die Gründe für die Reunion. Wir werfen aber auch einen Blick zurück auf die Anfänge des Punk in der BRD und sprechen auch über seine Relevanz – damals wie heute.
Wie ist die Wiederveröffentlichung eurer alten Platten auf Tapete zustande gekommen?
Der Impuls kam von Frank Fenstermacher von FEHLFARBEN. Mit denen haben wir in den Achtzigern ja viele Touren gefahren und sie melden sich nach all den Jahren immer noch bei mir, wenn sie in Hamburg spielen, und fragen, ob ich auf die Gästeliste will. Und dann macht man sich nachher im Backstage meist noch einen netten Abend. Da habe ich Gunther von Tapete kennen gelernt. Und wie wir da so beim Bier zusammensitzen, fragt Frank den Gunther: „Warum bringst du eigentlich nicht auch die alten ÖSTRO 430-Platten wieder raus?“ Die Idee ist bei Tapete auf fruchtbaren Boden gefallen. Es hat aber leider ewig lange gedauert. Wir haben fast zwei Jahre nach irgendwelchen Lizenzrechten gesucht und nach den alten Aufnahmebändern. Unsere alte Plattenfirma, Schallmauer, wurde zwei Brüdern betrieben, die einen Indie-Plattenladen in Neuss gehabt hatten. Und die sind einfach nicht mehr aufzufinden. Ein weiteres Problem war, dass kein Schwein die Bänder hatte. Es war ein ziemlicher technischer Aufwand, den ganzen Krempel von unseren alten Vinylscheiben zu remastern, aber der Techniker hat tolle Arbeit geleistet. Der Sound ist sehr geil geworden.
Rückblickend ist das jetzt auch schon eine ziemlich lange Zeit her ...
Wir haben 1978 angefangen, also vor 42 Jahren! Wir hätten niemals gedacht, dass wir die noch hinter uns bringen. Unsere Band-Auflösung ist auch schon 36 Jahre her.
Wie sind die Reaktionen auf die Wiederveröffentlichung?
Die sind der Hammer, wir sind selbst überrascht! Wir waren von Tapete angehalten worden, eine Website zu machen. Nur kriege ich das zeitlich nicht hin. Also haben wir uns auf eine Facebook-Seite geeinigt. Und dann brach das wie eine Lawine über uns herein. Ich hätte nie damit gerechnet, dass wir so viele Follower kriegen. Und auch nicht mit so einer Medienresonanz. Wir haben allein drei Interviews für den Deutschlandfunk gegeben. Ein Wochenende war ich in Düsseldorf, da der WDR zwei Beiträge über uns aufgenommen hat, wovon einer sogar von „Titel Thesen Temperamente“ übernommen worden ist – zumindest auf deren Website. Die Süddeutsche hat etwas über uns gebracht, die FAZ, die Frankfurter Rundschau – das sind ja alles angesehene Publikationen. Ich stehe oft nur da und denke: Boahhh! Wir hätten nie erwartet, dass da auch nur ein Hahn nach kräht. Ich habe gedacht, die Erstauflage auf Vinyl lässt sich vielleicht an Sammler verscherbeln, aber die CD?! Als vor etwa fünf Jahren das Ox unsere erste Scheibe als eine der zehn wichtigsten Platten aufgeführt hat, fanden wir das schon unglaublich. Bettina, die neben mir noch von der Originalübersetzung dabei ist, hat seit dem Abschiedskonzert 1984 keine Musik gemacht, sondern sich auf ihre Arztkarriere konzentriert mit eigener Praxis – sie ist jetzt in Rente. Als ich bei ihr in Düsseldorf war und bei Kaffee und Kuchen erzählt hatte, dass Tapete Interesse hat, unsere Sachen wiederzuveröffentlichen, da ist der fast die Kuchengabel aus der Hand gefallen. Sie sagte nur, das will doch kein Arsch mehr hören. Und ich meinte, lass uns doch mal abwarten. Zu verlieren haben wir nix.
Und wie ist es dann zur Reunion gekommen?
Das ergab sich, als MALE in Düsseldorf gespielt haben, die erste Band von Jürgen Engler von DIE KRUPPS. Zu diesem als einmaliges Event geplanten Konzert war ich runtergefahren und bin mit Bettina hingegangen nach dem Motto: Wir alten Hühner gucken uns die jetzt die alten Männer an. Das war vielleicht ein Veteranentreffen. Auch DIE TOTEN HOSEN waren da und viele andere, die man von früher aus dem Ratinger Hof kannte. Dort quatschte mich Sabine von der Jungen Aktionsbühne JAB an. Das war auch eine Location in Düsseldorf, in der viele Punkbands gespielt hatten, auch wir. Obwohl die vom Jugendamt gesponsort waren, also öffentlich-rechtlich sind, haben sie unheimlich viel für die Musikszene in Düsseldorf getan. Die alte Halle sollte abgerissen werden beziehungsweise ist es jetzt schon. Geplant war ein Abschiedskonzert am Pfingstwochenende dieses Jahres. Und Sabine fragte, ob wir nicht Lust hätten zu spielen, zusammen mit FEHLFARBEN und den MIMMI’S. Die Einnahmen sollten als Benefiz für den Neubau verwendet werden. Und wir haben in alkoholisiertem Zustand zugesagt. Bettina hat sich dann die Mühe gemacht, unsere beiden anderen Mitglieder zu kontaktieren. Aber die beiden können aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr mitmachen. Also hieß es, Ersatz zu finden. Zum Glück lebe ich mittlerweile in Hamburg, wo es immer noch eine sehr aktive Punk Szene gibt. Und nicht nur Jungvolk, sondern du kannst dich ohne zu schämen auch noch in unserem Greisenalter auf die Bühne stellen und die Sau rauslassen. Im letzten Jahr gab es zu Ehren eines alten Freundes, der leider an Krebs verstorben ist, ein Abschiedsfestival. Und auf diesem Event habe ich einfach mal rumgefragt und habe bei den Mädels offene Türen eingerannt. Anja von LOS BRACHIALOS ist jetzt unsere neue Bassfrau. Das Schlagzeug war – wie immer – ein Problem, wenn du da eine Frau haben willst. Dann erzählte mein Mann von der Band NEVER WANTED, in der ein Mädel trommelt... Und Sandy hat sich als Glücksgriff erwiesen. Sie ist mit 26 unser Küken, aber ein Mädel, das – sobald es etwas Zeit hat – in den Proberaum geht und trommelt. Sie ist sehr straight und besser als unsere alten Drummerinnen es jemals waren. Wir haben dann angefangen, die alten Songs einzuüben, und die Setlist saß auch schon, doch dann kam Corona. Es ärgert uns maßlos, dass die Tour nicht läuft, denn wir sind wirklich heiß. Jetzt nutzen wir die Zeit und schreiben neue Songs. Anja, Sandy und ich treffen uns regelmäßig unregelmäßig im Proberaum, und mit Bettina in Düsseldorf tauschen wir dann mp3s hin und her. Mittlerweile haben wir schon vier neue Songs.
Du hast also nach ÖSTRO 430 nie aufgehört Musik zu machen?
Ich habe nie richtig aufgehört. Nach ÖSTRO 430 hatte ich mit der Bassfrau Gisela in Düsseldorf noch die II. INVASION. Hier in Hamburg habe ich einige Jahre bei PROLLHEAD mitgemacht. Danach hatte ich mit ein paar Freundinnen die Elvis-Coverband EL SWEAT AND THE SWEATPEARS, vier Show-Hühner als Front und drei Jungs als ONE NIGHT STAND BAND. Unser Motto war „Elvis lebt und ist eine Frau“, haha. Unsere Frontfrau stellte Elvis in seiner Endphase dar – mit Carrera-Sonnenbrille und angeklebten Koteletten. Die zweite Sängerin von PROLLHEAD und ich haben mit Bienenkorbfrisuren und in Glitzerkleidchen die Backings und Tanzeinlagen gemacht. In den Songs haben wir Elvis verrockt oder Rock verelvist. Das war eine geile Showband. Ansonsten habe ich bei einer Menge Punkbands auf deren Aufnahmen mitgesungen. Letztens lief in einer Kneipe „Zonenzombie“ von ABWÄRTS und ich sagte zu meinem Mann: „Ey, das ist doch meine Stimme.“ Und dann habe ich mich erinnert. Das haben wir damals bei Elf im Wohnzimmer aufgenommen. Der hatte angerufen, so nach dem Motto: „Kannst du mal vorbeikommen und kurz was einsingen?“ Keine Ahnung, wie oft ich für Dosenbier gesungen habe, haha. Aber reich sind wir mit ÖSTRO 430 auch nicht geworden. Bettina hat das mal schön formuliert: Sie brauchte damals keinen Studentenjob. Während ihre Kommilitonen im Medizinstudium Nachtwachen halten mussten, sind wir am Wochenende getourt und hatten Spaß. Mit der Band konnten wir uns mehr oder weniger bezuschussen. Doch was hat man damals auch gebraucht? Mein WG-Zimmer hat einen Hunderter gekostet – warm! Das waren ja keine dicken Summen.
Wie hat Punk für dich angefangen?
Bei mir war das bei einem Klassenkameraden, der schon seine eigene Bude hatte. Er legte die STRANGLERS auf, die „Rattus Norvegicus“-LP, und das war für mich die Initialzündung. Alleine dieser Bass! Ich kleines Mädchen von 16 oder 17 Jahren war geplättet. Das war genau mein Ding. Dann war da noch ein anderer Kumpel, der kam aus den Herbstferien und hatte seine lange Matte abgeschnitten, die blonden Haare dunkelgefärbt, trug nur noch einen langen alten Ledermantel und erzählte vom SO36! Es gab sich einiges die Klinke in die Hand. Ich komme gebürtig aus Mönchengladbach, das ist von Düsseldorf nicht weit weg. An jedem Wochenende gab es die Überlegung, fährst du jetzt 35 Kilometer westwärts und gehst kiffen in Holland? Oder fährst du 35 Kilometer ostwärts und gehst in den Ratinger Hof? 1976 da gab es noch diese ganzen Kiffer-Kneipen mit Holztischchen, auf denen diese Wachstropfkerzen standen. Überall Kiff-Schwaden und im Hintergrund liefen BIRTH CONTROL oder GENESIS. Dann nahm mich dieser Freund mit nach Düsseldorf. Und ich komme in den Ratinger Hof, da gibt es nur Neonlicht und im Hintergrund laufen DEVO – Wahnsinn! Da habe ich gewusst, hier bist du richtig. Nach meinem Abi habe ich bei der ZVS als ersten Studiort Düsseldorf angegeben – nur wegen des Ratinger Hofs. Wir waren da auch dauernd, der Laden machte ja schon nachmittags auf. Wann bin ich eigentlich mal in meinem WG-Zimmer gewesen? Höchstens zum Pennen.
Wie haben ÖSTRO 430 angefangen?
Ich habe beim ersten Nina Hagen-Konzert in Düsseldorf im Gedränge vor der Bühne Moni Kellermann, unsere erste Bassfrau, kennen gelernt. Sie wollte unbedingt eine reine Frauenband gründen. Mir war das völlig schnurz. Moni traf dann Marita, unsere erste Schlagzeugerin, und die studierte mit Bettina. So war das erste Vierer-Kleeblatt geboren. Wir haben noch ewig nach einer Gitarristin gesucht, die wir nie gefunden haben. Und dann haben wir gesagt, gut, dann eben ohne.
Was bedeutete Punk für dich?
Mir ist in Mönchengladbach alles auf den Sack gegangen. Das war miefig, spießig, langweilig. Wenn du mit dem letzten Zug nachts angekommen bist, das war so um 24 Uhr, dann musstest du zu Fuß gehen, weil kein Bus mehr fuhr. Und jedes Mal wurdest du dann von den Bullen angehalten, was du denn da mitten in der Nacht auf der Straße machst – solche Situationen kennt sicher jeder von uns. Da wurde ich zum Elch. Ich war ja sowieso schon sauer, weil ich so früh nach Hause musste. Ich habe so viele Konzerte nicht zu Ende gesehen, weil ich den letzten Zug kriegen musste. Zum Beispiel 1978 BLONDIE und im Vorprogramm die DEAD BOYS! Du kommst also schon mit so einem Hals in Mönchengladbach an und dann kommt da noch so ein gelangweilter Kackbulle, der dich einfach nur triezen will ... Punk war für mich purer Protest, pure Rebellion, einfach, weil ich so viel Wut im Bauch hatte. Und man konnte diese Wut damals auch gar nicht anders ausleben. Im Radio gab es nur Volksmusik, Schlager oder irgendein Gelaber. Ich konnte ja noch von Glück reden, dass ich die holländischen Sender ins Kofferradio kriegte, Radio Veronika, diesen Piratensender, oder Hilversum 3. Da liefen wenigstens mal SWEET. Punk war eine Anti-Haltung und ist es für mich heute noch! Zum Beispiel gegen den Konsum. Guck dir doch die weltweite Situation an. Dass wirklich ein Vollpfosten nach dem anderen auf irgendwelchen Regierungsposten sitzt, das ist in meinen Augen unter anderem eine Spätfolge des Pillenknicks. Die meisten verzichteten für die Karriere auf Kinder, und die einzigen, die noch Gören gekriegt haben, waren für Verhütung zu blöd oder aus anderen Kulturkreisen, in denen Kinder hochgeschätzt werden. Jetzt ist diese Generation so um die vierzig, fünfzig und hat nix im Kopf außer Konsum und anderem Blödsinn. Ich schaudere, wenn ich mir meine Mitmenschen so ansehe. Es stehen viel zu wenige auf, die Leute sind immer noch viel zu bequem. Dabei gibt es immer noch genug, über das wir uns aufregen können und über das wir reden müssen.
Eure Texte waren ja für die Zeit auch einzigartig ...
Wenn jemand anderes versucht hätte, unsere Warte einzunehmen, das hätte auch nicht funktioniert.
Wie seid ihr damals zur Musiksendung „Formel Eins“ gekommen?
Das war das berühmte Vitamin B. Michael Bentele, der spätere Regisseur von „Formel Eins“, war auf der Filmakademie in München und musste seine Abschlussarbeit machen. Er war fasziniert von dieser neuen Punkmusik und schrieb uns an, ob wir Interesse hätten, mit ihm ein oder zwei Videos zu machen. Er käme dann mit einem Kameramann und einer Tonfrau vorbei, um ein oder zwei Songs aufzunehmen. Wir fanden das eine geile Idee. Sie kamen dann in einem VW-Bulli vorbei und haben bei uns auf dem Fußboden gepennt. Wir haben zwei Tage lang gedreht, in Düsseldorf und bei uns im Proberaum. Dabei sind die beiden Schwarzweiß-Videos „Sexueller Notstand“ und „S-Bahn“ entstanden. Und auf Grund dieser Abschlussarbeit hat Michael das Angebot bekommen, „Formel Eins“ zu konzipieren und hat uns dann da reingeholt. Seit es Facebook gibt, haben wir auch wieder Kontakt. Er hat uns zum Beispiel die Kritik aus der Süddeutschen Zeitung zugeschickt.
Ihr solltet euch mal öfter googlen ...
Dafür braucht man einen Fanclub, der solche Sachen macht, haha. Ich habe die Band, ich habe einen Job, ich habe Familie. Damit habe ich genug um die Ohren! Ich mache lieber was Kreatives. Es hat mir unheimlich Spaß gemacht, unser neues Video „Keine Krise 2020“ zu schneiden. Es gibt in Hamburg eine Gruppe von Leuten, die ihre eigenen B-, C- oder D-Movies drehen – meist sehr lustige Filmchen. Zu einem haben wir vor Jahren mit PROLLHEAD den Soundtrack gemacht. Diesen Filmer habe ich kontaktiert, und er hat mir den Tipp für ein Open-Source-Schnittprogramm gegeben. Ich habe auch wieder mein altes Akkordeon aus der Ecke geholt, das habe ich als Kind mal gelernt. Wir haben es jetzt in einem neuen Song eingesetzt. So etwas macht viel mehr Spaß als googlen.
Ich kann mich noch an den Bravo-Artikel mit der Überschrift „Vier coole Tanten mit scharfen Texten“ erinnern. Der hing jahrelang neben anderen Zeitungsartikeln über Punk an einer Wand in meinem Jugendzimmer. Wie habt ihr es in die Bravo geschafft?
Das weiß ich auch nicht. Der Hammer ist, dass die in diesem Artikel Sätze von uns zitiert haben, die wir in einem anderen Interview gesagt haben. Und das war ein Gespräch für das SDAJ-Magazin gewesen, das wir während der Münchener Rocktage geführt haben. Die Bravo-Leute müssen das mitgehört haben. Mit der Bravo selbst haben wir nie gesprochen. Davon erfahren haben wir auch nur über Gisela, unsere Bassistin. Sie war Lehrerin und ihre Schüler kamen an: „Frau Hottenroth, Sie sind in der Bravo“. Gisela selbst war das total unangenehm, weil sie ja verbeamtet war. Nicht dass sie nachher dafür noch Ärger gekriegt hätte wegen des Radikalenerlasses. Aber es ist zum Glück nichts passiert.
Ihr wart auch öfter auf Tour – mit FEHLFARBEN und ZELTINGER BAND ...
Mit FEHLFARBEN haben wir mindestens zwei, drei Touren gemacht. Mit Zeltinger haben wir nur einzelne Konzerte gegeben, ein oder zweimal. Das hat auch gereicht. Wir sind auch nie von Zeltinger selbst gebucht worden, sondern immer von den jeweiligen Veranstaltern. Das mit Zeltinger war überhaupt keine gute Kombination. Er selbst hat sich uns gegenüber damals sehr arschig benommen. Das Witzige ist, dass über ihn letztens eine Doku von Oliver Schwabe rausgekommen ist, der auch den Film über den Ratinger Hof gemacht hat. Und die Doku über Zeltinger hatte in Hamburg Premiere. Ich bin dort gewesen und habe mich nach den vielen Jahren mit Zeltinger unterhalten und ihn gefragt: „Weißt du eigentlich noch, wie scheiße du uns gegenüber gewesen bist, als wir damals zusammen in der Mensa in Düsseldorf gespielt haben?“ Er hat zugestimmt, sich entschuldigt und war sehr nett. Alles vergeben und vergessen, Altersmilde nennt man das. Wir sind ja beide nicht mehr die Jüngsten, haha.
Wie siehst du heute die Aktualität der Texte?
Es ist erschreckend, dass sich nichts geändert hat. Nimm alleine „S-Bahn“ und setze statt „Punk“ das Wort „Flüchtling“ ein. Oder „Sexueller Notstand“ – vielleicht bin ich nicht mehr so betroffen, aber die Jugend sicherlich, und damit meine ich Männchen und Weibchen! Das wird ein ewiges Problem bleiben.
Wie männlich/machistisch oder emanzipatorisch habt ihr die damalige Szene wahrgenommen?
Das war eigentlich kein großes Ding. Unter den Punks war das völlig okay. Ob du jetzt Titten hattest oder nicht, das hat eigentlich wenig interessiert. Wir konnten auch mit der damaligen Frauenbewegung nichts anfangen. Deswegen haben wir auch den Song „Normal“ geschrieben, weil die Sichtweise dieser Mädels für uns viel zu viele Scheuklappen hatte. Bloß keine Männer! Wir durften bei unseren Auftritten unter anderem unseren Fahrer und unseren Mixer nicht mitbringen – was für ein Schwachsinn! Wir haben nach solchen Erfahrungen hier nicht mehr auf reinen Frauen-Festivals gespielt, nur noch in Holland und Belgien. Die waren dort viel cooler, sind abgegangen wie Schmitz’ Katze, sogar mit Stagediving und so. Und in Deutschland saßen die Chicks im Schneidersitz mit Teechen vor der Bühne. Irgendwie taten die uns schon fast leid, haha.
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Diskografie
„Durch dick & dünn“ (LP, Schallmauer, 1981) • „Vampir“ (EP, Schallmauer, 1982) • „Weiber wie wir“ (LP, Schallmauer, 1983)• „Keine Krise kann mich schocken“ (LP/CD, Tapete, 2020)
© by - Ausgabe # und 24. November 2023
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