NOMEANSNO

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Punk, Elternschaft und Bier

Nicht nur, dass er einer der derzeit besten Punk-Schlagzeuger ist sowie Leadsänger der NOMEANSNO-Eishockeydeppen-Alter-Egos THE HANSON BROTHERS und manchmal auch Leadsänger und Songwriter für NOMEANSNO, davon abgesehen ist John Wright auch zweifacher Vater und Bierbrauer. Wir unterhielten uns mit ihm über Punk, Bier und Vaterschaft, kurz bevor die Band aus Vancouver zu ihrer aktuellen Europatour aufbrach.

Eure nächste Europatour steht an. Inwiefern siehst du Unterschiede zwischen der Punkrock-Szene in Nordamerika und der in Europa?

Die Punkrock-Szene hier bei uns war einfach eine, die anders war als die Metal-Szene, oder die Folk- oder die Progrock-Szene, also eben ein anderes musikalisches Genre. Oder auch eine Rebellion gegen andere Musik Genres oder irgendeine Art von Lifestyle. In Europa war Punkrock jedoch eine sehr viel ernsthaftere Angelegenheit. Die-Bewegung gegen Rechts ist da immer sehr lebendig gewesen. Ich meine, immerhin hat es dort tatsächlich Nazis gegeben, da sind sie hergekommen und es ist noch immer eine offene Wunde ... Dass anfangs überhaupt Leute zu unseren Shows kamen, lag daran, dass wir auf Alternative Tentacles waren und man Jello Biafra sehr verehrt hat. Sie hatten zwar keine Ahnung, wer wir waren, aber wir waren auf AT, also mussten wir gut sein. So sind viele damals auf uns aufmerksam geworden.

NOMEANSNO waren aber niemals besonders politisch.

Wir waren aber auch immer eine Band, die sich nie viel darum geschert hat, im Rampenlicht zu stehen, Rockstars zu werden und mit den Majors in Kontakt zu kommen, solche Sachen eben. Deshalb haben uns die Leute, die aus der politischen Ecke kamen, respektiert. Sie sahen uns nicht als eine Band, die die Punkrock-Szene nur als Sprungbrett missbraucht, um dann zur kommerzielleren Seite im Musikgeschäft zu wechseln. Gleichzeitig haben wir uns aber musikalisch völlig unterschieden von anderen Hardcore-Bands. Grundsätzlich war das Umfeld, in dem wir und bewegten, zwar von Punkrock und Hardcore geprägt, aber musikalisch waren wir den anderen Bands überhaupt nicht ähnlich.

Wann sind NOMEANSNO das erste Mal in Europa getourt?

Unser erster Trip nach Europa war im Frühjahr 1988. Es gab da eine Frau, die für Alternative Tentacles gearbeitet hat und befreundet war mit einer holländischen Hardcore-Band vom Konkurrent-Label. Sie hatte also Kontakte. Damals in den Achtzigern hat die holländische Regierung Musikfestivals finanziell unterstützt und auch für die einzelnen staatlichen Jugendzentren gab es Geld. Jedenfalls brachten diese Typen in Holland unseren Namen ins Gespräch, um uns rüber zu holen, haben uns über Alternative Tentacles kontaktiert und gesagt, wenn wir kämen, könnten sie uns diesen oder jenen Betrag an Geld garantieren. Es war zwar nicht genug, um die Flüge zu bezahlen, hat aber doch einen Großteil der Kosten abgedeckt. Außerdem haben wir in den Achtzigern sowieso gar kein Geld damit verdient, sondern einfach überall getourt, wo es ging. Also sind wir rüber geflogen, haben dann in Holland drei, vier Shows gespielt und dann noch irgendwie über die Kontakte der Agentur eine einmonatige Tour zusammengebastelt. Dabei haben wir einen Haufen Leute in Europa kennen gelernt, die wir heute auch immer noch kennen. Zu dieser Zeit gab es auch noch nicht viele Bands aus Nordamerika, die rüberkamen, man könnte also sagen, wir kamen genau zum richtigen Zeitpunkt: Es gab eine lebendige, begeisterungsfähige Szene und einen Haufen besetzter Häuser, in denen Shows organisiert wurden. und als wir entdeckt hatten, an wie vielen tausend Orten wir hier spielen können, dachten wir uns: Okay, hier sollten wir touren!

Joe Keithley von D.O.A. hat mir von ziemlich hässlichen Zusammenstößen erzählt, die er damals zwischen Hausbesetzern und der Polizei beobachtet hat.

Oh ja, wir haben auch unseren Teil an Unruhen mitbekommen. Bei euch ist die Beziehung zwischen den Leuten und der Polizei irgendwie ein bisschen anders. Ironischerweise ist ist der Umgang einerseits respektvoller, andererseits haben die Leute aber auch keine Angst, sich gegen die Polizei zu stellen, wenn es sein muss. Und dieses Verhalten wird in Europa auch respektiert. Bei uns in Nordamerika gibt es für so was keinen Respekt. Wenn du dich gegen die Polizei stellst, dann bist du ein Verbrecher und gehörst in den Knast. Wie überall eigentlich ist die Polizei zwar auch in Europa sehr stark, aber wenn die Leute mit etwas nicht einverstanden waren, dann haben sie dafür gekämpft. Es gibt dort auch eher einen Sinn dafür, dass Menschen nun mal einen Platz zum leben brauchen. Ich weiß zwar nicht, ob es dieses Gesetz heute noch gibt, aber in Holland war es beispielsweise so, dass es Hausbesitzern verboten war, ein Gebäude leer stehen zu lassen. Das Gesetz zwang einen dazu, irgendetwas damit zu machen. Davon profitierten viele Besetzer, denn die Hausbesitzer waren aus dem Schneider, wenn dann jemand im Haus war.

Wie stand es da dann um die Lebensbedingungen?

Die Leute meinen immer, dass Hausbesetzer heruntergekommen und erbärmlich hausen, aber so ist es nicht. Sie haben die alten kaputten Häuser auf Vordermann gebracht, so dass man dort gut leben konnte. Dann wurden zum Beispiel Tagesstätten für Familien eingerichtet. Es war allgemein eine sehr linksgerichtete Geschichte: Kleidersammlungen, Lebensmitteltafeln für Bedürftige, solche Sachen eben. Es ging darum, etwas zu verändern und einen positiven Einfluss zu haben auf ihre Stadt oder Gemeinde.

Seitdem hat sich aber einiges verändert.

Im Laufe der Jahre ist das mehr und mehr verschwunden. Nach Kämpfen mit Stadt und Polizei hat man sich irgendwann geeinigt und viele besetzte Häuser wurden legalisiert. Es wurden Arrangements getroffen, um diese Leute ins System einzugliedern, so dass sie Steuern zahlen und all so was. Und die Besetzer von früher sind auch älter geworden, haben Kinder bekommen und Familien gegründet und dann fängt jeder an, sesshaft zu werden. Das ist doch irgendwie der natürliche Lauf der Dinge im Leben.

Hast du noch irgendwelche besonderen Erinnerungen an diese Szene?

Wir hatten eine Menge toller Shows in besetzten Häusern und für uns war es auch sehr lehrreich, diesen Kampfgeist in der Szene mitzuerleben. Es war sehr viel fokussierter als bei uns. Jede Aktion zivilen Ungehorsams war politisch motiviert. In Nordamerika geht es sich bei solchen Aktionen mehr um irgendwelche Rituale oder einfach nur Krawallmacherei. Die Leute gehen kaum mal für irgendeine Sache auf die Straße und demonstrieren. Ich meine, hier haben wir ja auch alle ein angenehmes Leben und die Menschen haben im Endeffekt nicht viel, worüber sie sich beschweren können. Punkrock heißt hier hauptsächlich, Badezimmer zu demolieren oder Wände zu besprühen. Das soll dann Widerstand gegen die Gesellschaft sein.

In Vancouver zumindest gab es im Vorfeld der Olympischen Winterspiele einige Unzufriedenheit. Was denkst du darüber?

Ich sehe da so einige Probleme, aber ich bekomme auch mit, dass viel versucht wurde, sie in den Griff zu bekommen. Ich habe nicht den Eindruck, dass bei Olympia böse Mächte am Werke sind, die für ihre Ziele über Leichen gehen. Schau dir die Situation woanders an, dann ist das hier ein Witz dagegen. In Peking zum Beispiel, wo es komplette Wohngebiete der Stadt gab, aus denen alle Leute vertrieben wurden. Atlanta, Barcelona, überall dort lief es mehr nach dem Motto „Aus dem Weg, jetzt kommen wir“ als in Vancouver. Aber meine Ansichten waren ja immer etwas linksgerichtet. Und hier in Vancouver sind vor allem die andauernde Obdachlosigkeit und der Drogenmissbrauch ein Problem. Das wird man auch nie richtig lösen können, aber die Frage ist, wie man versucht, sie zumindest einzudämmen. Es gibt in dieser Stadt tatsächlich ein paar Fortschritte – je nachdem, wie sich das politische Klima verändert, ist es ein Schritt vorwärts und zwei zurück oder auch mal zwei Schritte vorwärts und einer zurück ... Aber das „Four Pillars“-Programm ist jedenfalls ein progressiver Ansatz bei den Bemühungen der Stadt, mit der Suchtproblematik fertig zu werden, wie auch der Nadeltausch, der angeboten wird – das sind positive Dinge. Leider passiert so etwas nicht auch in anderen Städten. Für mich hat es jedenfalls immer mehr Sinn gehabt, Leute irgendwie zu beherbergen, anstatt sie zu kriminalisieren. Es sind also immer jene Kräfte, die Menschen kriminalisieren und ausgrenzen, denen man sich entgegenstellen sollte und die man zurückdrängen muss. Für mich macht alles andere einfach keinen Sinn. Die Leute sollen doch nur mal an einen Ort gehen, an dem es keinerlei soziale Fürsorge gibt, und sie werden verstehen, wie wichtig sie ist.

Sprechen wir über ein viel schöneres Thema – über Bier: Wie lange braust du schon dein eigenes, und vor allem wie viel?

Ich braue jetzt seit 1991 oder 1992. Manchmal, wenn ich viel unterwegs bin, braue ich nicht viel Bier. Wenn ich viel Zeit habe, mache ich fässerweise Bier. Zur Weihnachtszeit lege ich richtig los und braue so um die 100 Liter für die Feiertage. Eine Ladung ist so um die 20 Liter, eine doppelte Ladung nicht ganz das Doppelte, so um die 35. Im Durchschnitt sind es so um die 35 Liter im Monat. Ich kaufe mir nur noch dann Bier, wenn ich unterwegs war und keine Zeit hatte, welches zu brauen. So habe ich in den letzten 15 Jahren bestimmt an die 20.000 Dollar gespart.

Bist du als Bier-Kenner schon voller Vorfreude bei der Aussicht, bald wieder viel deutsches Bier trinken zu können?

Natürlich. Wir werden endlich zum ersten Mal in Bamberg spielen. Das liegt nördlich von Nürnberg in Franken, was wiederum zu Bayern gehört – aber sage das bloß nicht zu einem Franken! Es ist so etwas wie das Herz der alten traditionellen Bierbraukunst Deutschlands. Es gibt da ja sonst nur noch Pilsener, und wie überall gibt es auch immer weniger von den kleinen Brauereien. Aber in Bamberg wirst du arge Probleme bekommen, wenn du ein Beck’s haben willst. Es gibt nämlich an jeder Ecke einen Brauereiausschank, wie sie dort sagen, und jeder braut sein eigenes Bier. Man sagt ja, dass jede siebte Brauerei auf der Welt eine deutsche ist, aber vor allem ist jede 27. Brauerei der Welt in Bamberg, haha! Allein in der Umgebung gibt es Dutzende. Auf der letzten Tour bin ich an einem freien Tag mal alleine da hingefahren und habe eine Kneipentour gemacht. Ich war in sechs oder sieben Brauereien. Wahrscheinlich habe ich an dem Tag so um die sieben Liter Bier getrunken.

Nur falls dir jemand demnächst ein Bier spendieren will: Hast du eine Lieblingsmarke?

Oh, das ist schwer. Generell mag ich vor allem Biere, die frisch sind, also vor Ort in kleinen Brauereien gemacht werden. Aber nicht nur. Wenn du jetzt so eine gefühlsmäßige Nummer eins hören willst, nehme ich wahrscheinlich Pilsner Urquell aus Pilsen in Tschechien. Hauptsächlich, weil es in meinen jungen Jahren eines der ersten Biere war, bei dem ich gedacht habe: „Wow! Bier ist einfach das Beste, was es gibt, und jetzt kann ich diesen Molson-Dreck nicht mehr trinken, weil ich weiß, wie ein gutes Bier schmeckt!“ Du kannst es hier bei uns schon seit ewigen Zeiten bekommen, aber blöderweise wurde die Brauerei jetzt von der Pabst Brewing Company oder so einer Firma aufgekauft, jedenfalls gehört sie nicht mehr den Tschechen. Aber was Bamberg zum Beispiel angeht: Ich werde da einfach hingehen und Bier trinken, denn die Stadt hat eine tolle Kultur und ihren ganz eigenen Stil. Du gehst einfach in die Brauereien und trinkst das Bier ganz frisch genau da, wo es herkommt. Und das ist es: Es schmeckt am besten, wenn es nirgendwo herumreist, sondern frisch ist. Wenn mir also irgendjemand ein Bier ausgeben will, würde ich gerne zur nächsten Brauerei gehen und ein frisches Bier trinken.

Und wenn jemand Vancouver besucht? Welches Bier würdest du da empfehlen?

Also ich mag die Steamworks Biere ziemlich gerne. Der Yaletown Brew Pub hat sehr gutes Bier. Ian, der Brauer da, macht einen wirklich fantastischen Job. An einem guten Tag kann ich auch Storm IPA empfehlen. Es ist zwar nicht immer ein guter Tag dafür, aber wenn, dann ist es richtig gut. Die Sache ist die, wenn ich in Vancouver bin, trinke ich nur mein eigenes Bier.

Gibt es sonst noch etwas, auf dass du dich in Deutschland freust?

Ja, die Konzerte zu spielen, denn Deutschland ist immer großartig, was das angeht. Tolles Publikum. Die Leute sind immer total dabei, sind energiegeladen und dankbar. Außerdem kommen auch immer recht viele, wir spielen dort unsere größten Shows überhaupt. Je nach Stadt ziehen wir so 200 bis 300 Leute, aber auch mal 800. Ich glaube, als wir das letzte Mal in Hamburg waren, kamen 700 bis 800 Besucher, was für uns wirklich eine ziemlich anständige Menge ist.

Ist es eigentlich eine Herausforderung, auf Tour zu sein, wenn man Vater ist?

Ich mag es zwar nicht, für lange Zeit von zu Hause weg zu sein, aber auf der anderen Seite ist es ja so, dass ich von der Band lebe und keinen normalen Job machen muss. Wenn ich also zu Hause bin, kann ich die ganze Zeit mit meiner Familie verbringen. Außer natürlich, ich nehme auf oder mache irgendwelche Kleinigkeiten. Dazu kommt, dass wir ja nicht acht Monate im Jahr auf Tour sind, sondern so drei bis vier Monate. Es ist also kein besonders heftiger Tourplan, aber man ist natürlich weg von zu Hause und das ist für alle schwer. Ich bin von der Mutter der Kinder getrennt und das kommt tatsächlich auch von diesem Druck. Aber die Kinder ... Ich war immer wieder eine Weile weg, um zu touren, seit sie geboren wurden. Für sie ist das also nichts Ungewöhnliches. Also nicht: „Oh nein, Papa ist jetzt ganz lange weg“, denn Papa war ja immer schon oft für drei, vier, vielleicht fünf Wochen am Stück weg. Sie sind also total daran gewöhnt und es ist keine große Sache für sie. Natürlich möchte man nichts davon verpassen, was die Kids machen, aber wir bleiben immer in Kontakt – es ist nun mal ein bisschen wie das Leben eines Seefahrers.

Denkst du, dass sich, seit auch Rob Vater geworden ist, vieles für euch ändern wird?

Ich denke schon, dass es Auswirkungen hat. Wir werden aber nicht aufhören, auf Tour zu gehen, zumindest gibt es da bis jetzt keine Pläne in diese Richtung. Aber es stimmt schon: Sobald einmal Kinder auf den Plan treten, ändern sich die Prioritäten und es gibt andere Dinge, die zu bedenken sind.

Wir sollten auch noch mal über das anstehende Album sprechen ...

Wir sind zur Zeit im Aufnahmeprozess, aber es wird keine komplette neue CD. Im Moment wollen wir nur Vinyl rausbringen. Wir haben mal ein paar Songs aufgenommen, die aber noch nicht alle fertig sind. Hoffentlich können wir dann direkt noch eine Single nachlegen, und dann noch eine. Und vielleicht sogar noch eine vierte. Einfach mal gucken, wie schnell wir das durchziehen können. Mal sehen, wenn wir dann unterwegs sind und die Singles teilweise raus sind, stellen wir ja vielleicht noch mal alle Songs auf einer CD zusammen ... oder welches Format dann auch immer gerade angesagt ist, haha. Es scheint sich ja eh alle paar Jahre zu ändern.

Was kann man bei der ersten Single erwarten?

Da sind vier Songs drauf, ziemlich schnörkellos und geradeaus, verglichen mit unserem letzten Album. Es war auch meine Absicht, dass die Single wirklich anders ist als das Album. Retten wir mal wieder den Pop-Punk! Von der Stimmung her ist es ziemlich atmosphärisch. Du kannst ja jedes unserer Alben entweder in die stimmungsvolle oder in die Kategorie Punkrock stecken – diese gehört definitiv in die erste Kategorie. Hoffen wir mal, dass die Platten bis zur Europatour gepresst sind.