Mit Mitgliedern von TACKLEBERRY, MATULA oder JURI GAGARIN hat sich bei NO WEATHER TALKS eine Allstar-Runde zusammengefunden. Musikalisch bietet die Band aus Hamburg und Kiel poppigen Punkrock mit Emo-Einschlag, vor allem die prägnante Stimme der Ex-JURI GAGARIN-Sängerin Friederike Herr alias Flicke bleibt kleben. Wie egal solche Zuschreibungen sind, wenn der Inhalt stimmt, belegen NO WEATHER TALKS auf ihrem bei Gunner erschienen Longplayer-Debüt „Undoing Defeat“ und im als Kollektiv beantworteten eMail-Interview.
Ihr seid ja alle schon vorher auf recht unterschiedliche Weise musikalisch aktiv gewesen. Was ist für euch das Spezielle an NO WEATHER TALKS?
Wir alle wollten mal etwas Neues ausprobieren. Dabei hatten wir nicht vor, das Rad neu zu erfinden. Speziell daran ist, dass unsere Musik ganz unbewusst unsere persönlichen Einflüsse vermischt, ohne dass wir uns vorher schon in einer für unsere Musik vorhandenen Szene verortet oder zu Hause gefühlt hätten. Wir hoffen, uns relativ unabhängig von musikalischen Erwartungshaltungen zu bewegen.
Wo liegen eure musikalischen Wurzeln?
Wir sind alle mit englischsprachigem Punkrock sozialisiert, sind aber auch offen für andere Einflüsse. Wir hatten einfach irgendwann keine Lust mehr auf Hardcore, das hat uns vereint. Wir sind alle recht vielseitige Musikhörer, letztlich ist Punk aber immer der gemeinsame Nenner.
Auf einer lokalen Punkrock-Plattform wurdet ihr mit DIE HAPPY verglichen. Schlimm für euch? Wie geht ihr mit der Kritik aus Szenekreisen um, „glatt“ oder „poppig“ zu klingen?
Wir finden es ziemlich schade, wenn jemandem zu einer Punkrock-Band mit Frauengesang kein besserer Vergleich als ausgerechnet DIE HAPPY einfällt. Wir wollen hier nicht einen auf beleidigte Leberwurst machen, aber vielleicht spielte die Geschlechterfrage bei diesem Vergleich eine zu große Rolle, ähnlich wie damals, als wir an anderer Stelle mit WALLS OF JERICHO verglichen wurden. Da wird es dann langsam absurd. Die Frage nach dem „glatt“ und „poppig“ ist irgendwie sinnlos. Na klar, irgendwie sind wir sicher eher glatt, gemessen an dem Kontext, aus dem wir stammen, aber es macht ja wenig Sinn, subjektive Musikgeschmäcker als wertende Kategorien zu benutzen. Solange wir uns musikalisch und inhaltlich wiederfinden, können wir mit dem Label Pop gut leben.
Worum geht es in dem Song „A scene less sinister“?
Der Song ist eine Art Gedankenspiel über die von uns sehr geschätzten selbstverwalteten Räume und Projekte, in denen wir uns oft bewegen, wie beispielsweise die Rote Flora in Hamburg. Es geht um das Spannungsverhältnis zwischen „offen für alle“ und „exklusiver Club“, das immer wieder entsteht – sei es in D.I.Y.-Konzertgruppen oder aktivistischen Zusammenschlüssen. Also um Widersprüche und Ausgrenzungsmechanismen, denen man sich selbst ausgesetzt fühlt, zu denen man aber auch beiträgt.
Ihr seid ja seit ein paar Jahren in Gainesville, Florida beim „Fest“ dabei. Wie kam es dazu, und wie werdet ihr dort aufgenommen?
Durch befreundete Bands ist Flicke nach Gainesville gekommen und hat dort einige Zeit verbracht. So kam es, dass wir in die Fest-Familie aufgenommen wurden. Das Ganze ist weit weniger ein Big Deal, als die Leute denken. In den USA und etwa auch in England gibt es eine größere Szene und auch entsprechendes Feedback zu der Art Musik, wie wir sie spielen. Was uns immer wieder auffällt: eine Band mit weiblichen Mitgliedern wird in England oder den USA als weniger exotisch wahrgenommen.
Wie habt ihr denn diese Einteilung in, was Pop und was Punk ist, in Übersee erlebt?
Wir denken, dass es in englischsprachigen Szenen einfacher ist, Punk-Inhalte auch in melodischer Form zu präsentieren, da es dort ja keine sprachliche Barriere gibt. Punk ist für uns nicht nur Schrammelgitarre und „Oi! Oi!“, sondern eben auch oder vor allem, was auf der inhaltlichen Ebene passiert.
„Undoing Defeat“ ist das erste Album nach zwei EPs. Bericht in der Musikpresse, Video, wie geht’s weiter?
Weltherrschaft 2016! Damit einhergehend der Untergang des Patriarchats. Ansonsten das Übliche: Wir sind derzeit in England auf Tour, der Cider schmeckt, und danach machen wir weiter wie bisher. Songs schreiben, ab und zu proben und Konzerte spielen. Wir haben keinen Masterplan und setzen einen Fuß vor den anderen.
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