NO TRIGGER

Foto© by Patrick Houdek

Wahnsinn, Acid und Antifa

NO TRIGGER aus Massachusetts im Nordosten der USA gibt es schon über 20 Jahre, waren in den ersten Jahren recht präsent, dann fast verschwunden und sind nun nach der „Acid Lord“-EP im Frühsommer mit dem Album „Dr. Album“ wieder im Spiel, sofern man auf politischen Pop-Punk alter(!) Schule steht. Sänger Tom Rheault erklärte uns, was ihn so wütend macht.

Kannst du unseren Lesern bitte einen Überblick über eure Bandgeschichte geben?

Die Band wurde um 2001 herum gegründet – einfach aus Spaß. Schließlich wurden wir von THE OFFSPRING unter Vertrag genommen und brachten 2006 unser Debütalbum „Canyoneer“ auf ihrem Label Nitro Records heraus. Mit dieser Platte waren wir ein paar Jahre lang auf Tour und haben schließlich 2012 eine zweite LP namens „Tycoon“ auf No Sleep Records veröffentlicht. Wir haben außerdem eine Handvoll Singles und EPs herausgebracht. Aber in den letzten zwölf Jahren sind wir nur noch sporadisch und gelegentlich auf Tournee gegangen, meistens irgendwo im Ausland, weil es mehr Spaß gemacht hat, als in den Staaten zu spielen. Vor kurzem haben wir unsere dritte LP mit dem Titel „Dr. Album“ aufgenommen, die im August auf Red Scare erscheint. Wir haben das ganze Ding auf Acid geschrieben. Das Ergebnis ist der Wahnsinn.

Um ehrlich zu sein, als ich in unserem Online-Archiv nachgeschaut habe, war ich ein bisschen überrascht, dass „Canyoneer“ die einzige NO TRIGGER-Veröffentlichung ist, die wir in all den Jahren rezensiert haben. Anscheinend haben es nicht allzu viele eurer Veröffentlichungen hierher geschafft ... Könnte es sein, dass ihr euch die meiste Zeit auf Nordamerika konzentriert habt?
Genau im Gegenteil! Wir haben uns nie sonderlich um Nordamerika gekümmert. Wir bevorzugen Europa, Großbritannien, Japan, Australien, Südamerika, weil es dort eine viel lebendigere Punk-Kultur gibt als in den USA und es mehr Spaß macht dort zu spielen. Es ging uns nie darum, irgendwo „groß“ rauszukommen, wir haben einfach das gemacht, was sich richtig anfühlte oder uns Spaß brachte. Also waren wir im Grunde in Übersee, wann immer wir die Gelegenheit dazu hatten.

Wie schwierig kann es manchmal sein, eine Band am Leben zu halten, was stand euch im Weg – und warum ist es für euch so wichtig, dass ihr euch jetzt für dieses Comeback entschieden habt?
Es war ein bisschen eine Irrfahrt, was die Mitglieder angeht, das stimmt. Aber Jon Strader, unser Gitarrist, und ich sind die beiden Kernmitglieder, die nie aus der Band ausgestiegen sind, und wir haben NO TRIGGER im Grunde über all die Jahre am Laufen gehalten. Wir hatten einige Musiker, die kamen und gingen, aber im Moment sind wir wieder die ursprüngliche „Canyoneer“-Besetzung, neu ist nur unserer Schlagzeuger Jono Diener. Er war früher bei THE SWELLERS, aber jetzt ist er auch schon seit fünf Jahren in der Band und wir lieben ihn.

Diesen Sommer werdet ihr nach Europa kommen. Gedanken, Ideen, Erwartungen?
Das letzte Mal haben wir 2018 in Europa gespielt, also wird es toll sein, dort wieder aufzutreten. Es wird unsere siebte Europatournee sein. Wir werden bei einigen großartigen Festivals dabei sein wie dem Xtreme Fest in Frankreich, dem Brakrock in Belgien, dem Punk Rock Holiday in Slowenien oder dem Tells Bells in Deutschland. Es wird also eine tolle Zeit werden. In Europa waren wir schon immer am liebsten und wir hoffen einfach, dass wir alle lebendig durchkommen!

Ihr habt vor kurzem bei Red Scare unterschrieben, nachdem ihr bei so unterschiedlichen Labels wie Nitro und No Sleep gewesen seid. Warum Toby und Red Scare?
Ich denke, Red Scare ist das punkigste Label überhaupt. Nenn mir ein punkigeres Label als sie. Das kannst du nicht. Außerdem hat Toby und Brendan die neue Platte so gut gefallen, dass sie uns keine wirkliche Wahl gelassen haben, haha. Kurz gesagt ist Red Scare das erste Label, bei dem wir uns absolut „richtig“ gefühlt haben. Ich glaube, dass wir endlich unser Zuhause gefunden haben, und das fühlt sich total gut an.

Heutzutage fühlt sich jeder durch irgendetwas „getriggert“, überall stößt man auf Trigger-Warnungen – und dann NO TRIGGER?
NO TRIGGER werden dich wahrscheinlich nicht triggern, es sei denn, du wärst ein bigottes-Nazi-Arschloch oder so ein Scheiß.

Ihr habt einen Song namens „Antifantasy“, zu dem es auch ein Video gibt, in dem es heißt: „Take a look around / There’s motherfucking nazis all over my hometown / It used to be so cool / Now I drive around wanting to scream fuck you / The antifantasy come true“. Im Refrain buchstabierst du „A-N-T-I-N-A-Z-I“. In dem Song geht es um Worcester, Massachusetts, was ist die Geschichte dahinter?
Ich habe über 15 Jahre in Worcester gelebt, aber während der Pandemie zog ich mit meiner Familie zurück in meine eigentliche Heimatstadt, Oxford, MA, um bei meinen Eltern zu leben. Wir brauchten damals Hilfe beim Babysitten unserer neugeborenen Tochter, und da die Pandemie zu Beginn eine ziemlich furchterregende Sache war, beschlossen wir, wieder bei meinen Eltern einzuziehen. „Antifantasy“ ist ein Song über das, was ich im Sommer/Herbst 2020 in Worcester erlebt habe. Überall in der Stadt hatten die Leute Trump-Schilder und Trump-Fahnen und faschistische Flaggen aufgestellt, wie in einem Polizeistaat. Es gab Umzüge mit großen Lastwagen mit Transparenten, auf denen rassistischen Scheißsprüche zu lesen waren. Es war hässlich und es war beängstigend, es war das erste Mal in vierzig Jahren, dass ich erleben musste, dass sich meine Heimatstadt derart verändert hat. Und dann hatte ich einen – fast gewalttätigen – Zusammenstoß mit einem Typen in einer Apotheke in der Innenstadt, der auch in dem Text vorkommt. Ich weiß nicht ... das alles war scheiße und ist es immer noch. Dass der Song „Antifantasy“ existiert, ist wichtig für mich, weil es im Moment nicht viel gibt, worauf man sich stützen kann, wenn es um antifaschistischen Widerstand in Amerika geht. Wir sind stolz darauf, unseren kleinen Teil dazu beizutragen, antifaschistische und pro-demokratische Ideale zu unterstützen, auch wenn es sich manchmal so anfühlt, als ob wir die Einzigen wären, die den Mund aufmachen. Was wir brauchen, sind mehr Bands wie NO TRIGGER.

Ich glaube, bevor Donald Trump mit seinen Tiraden gegen die „Antiiiiiifa“ begann, hatte in den USA – im Gegensatz zu Deutschland – kaum jemand von der Antifa gehört. Was hat es mit dieser Antifa-Paranoia in den USA auf sich?
Das ist richtig und dieser Wichser wusste genau, was er tut. Wenn ich mich recht erinnere, hat er die „Antifa“ schon 2017/18 verteufelt, und es hat funktioniert. Seine Anhänger haben den Köder geschluckt und Fox News hat es weiterverbreitet. Und das, bevor irgendjemand wirklich mitbekam, was vor sich ging. Er stellte die Antifa als „den Feind“ dar, obwohl der Faschismus im genauen Gegensatz zu den traditionellen Idealen der amerikanischen Demokratie steht. Donald Trump ist ein Nazi und die Hälfte des Kongresses besteht auch aus Nazis. Das ist nicht einfach meine Meinung, sie sind es einfach per Definition. Wir touren schon so lange durch Europa, dass die Antifa und antifaschistische Aktionen in unserem Selbstverständnis als Band bereits omnipräsent sind, genauso wie sie generell zu Punk gehören, in Europa wie überall sonst auf der Welt. Wir müssen der faschistischen Tyrannei in den USA einfach die Stirn bieten. Sie können uns umbringen, wenn sie wollen, aber unsere Lieder können sie uns niemals wegnehmen.

Dieser Song macht euch zu einer eindeutig politischen Band, oder? Ich habe den Eindruck, dass viele US-Punkbands sich nicht wirklich gerne als „politisch“ bezeichnen lassen.
Wir sind seit dem ersten Song, den wir geschrieben haben, eine politische Punkband. Was ist Punk sonst, wenn nicht politisch?

Und was hat es mit „Vacationcore“ auf sich? Mit dieser Genrebezeichnng beschreibt ihr euch.
Das ist unser ganzes Ethos! Wir machen den Scheiß ja nicht für Geld oder um berühmt zu werden oder aus sonstigen materiellen Gründen. Wir machen es für die Erinnerungen, wir machen es für die Erfahrungen. Wir tun es, weil wir darauf stehen. Wir tun es, weil wir Kumpels sind. Musik zu machen und mit seinen Freunden unterwegs zu sein, das ist einfach das Beste, was es auf der Welt geben kann. Also tun wir das. Aber da wir nur begrenzt Zeit haben, machen wir das eben im Urlaub.