Für viele gelten NO FUN AT ALL immer noch als die kleinen Brüder von BAD RELIGION. Nach dem 97er Werk "The Big Knockover" gerieten die fünf Schweden dann tatsächlich in eine Identitätskrise, doch trotz aller Probleme und entgegen aller Auflösungsgerüchte haben sich NO FUN AT ALL noch mal am Riemen gerissen und beschreiten nun mit ihrem vierten Album neue musikalische Wege.
Dabei sah es im Jahr 1998 gar nicht so gut um das schwedische Quintett aus. "Nach der Suedepalooza-Tour wollten wir uns im Sommer ´98 eigentlich auflösen", erklärt Sänger und Textschreiber Ingemar Jansson am anderen Ende der Leitung. "Es machte damals einfach keinen Spaß mehr. Und außerdem hatten wir Probleme mit unserem alten Bassisten, der musikalisch überhaupt nicht mehr zum Rest der Band passte und immer nur die selbe Art von Punkrock spielen wollte, während wir das nächste Album anders gestalten wollten. Aber dann entschlossen wir uns, noch eine letzte Australien-Tour zu spielen, die dann so gut lief, dass wir es uns doch noch anders überlegt haben." Daraufhin gab es einige Veränderungen im Bandgefüge: "Mikael wechselte von der Gitarre zum Bass, woraufhin wir uns einen neuen Gitarristen gesucht haben - Stefan Neuman, der früher bei PUFFBALL spielte."
Mit dem neuen Line-up ist den Jungs die angestrebte musikalische Weiterentwicklung eindrucksvoll gelungen: Das Material auf dem neuen Longplayer "State Of Flow" ist wesentlich langsamer, länger und atmosphärischer ausgefallen. Und mit "ESDS" ist sogar ein Stück vertreten, das über fünf Minuten lang ist, was für eine Band, die früher kaum über die Dreiminutengrenze hinauskam, doch ziemlich erstaunlich ist. "Ja, die Länge einiger Stücke ist selbst für uns wirklich überraschend", gesteht Ingemar. "Wir haben uns diesmal keine starren Grenzen gesetzt, sondern haben einfach drauflosgespielt. Wir hatten keine Angst mehr vor gewissen Regeln, an denen wir uns früher immer orientiert haben. Wir wollten bei den Aufnahmen einfach nur Spaß haben." Und wie werden die alten Fans seiner Meinung nach auf diese Kurskorrektur reagieren? "Einige werden vielleicht abspringen und nach alten Songs auf den Konzerten schreien, aber ich denke, dass wir auf "State Of Flow" immer noch nach NO FUN AT ALL klingen. Ich kann nur hoffen, dass es den Leuten gefällt, aber um die Band und unseren Spaß an ihr zu retten, mussten wir einfach diesen Schritt wagen. Wir wollen uns nicht ständig selbst kopieren."
Die Jungs klingen jetzt mehr wie eine Rockband, findet Ingemar nicht auch? "Ja, das ist schon richtig! Es ist jetzt tatsächlich wesentlich mehr Rock´n´Roll in den Songs, was ich prinzipiell sehr gut finde. Aber deshalb klingen wir noch lange nicht wie die BACKYARD BABIES, obwohl es auch einige Soli gibt." Und da ich schon den Textschreiber von NO FUN AT ALL am Telefon habe, kann ich ihn auch gleich noch nach der inhaltlichen Ausrichtung der neuen Songs fragen. Viele seiner Texte haben einen ziemlich traurigen und nachdenklichen Grundtenor. "Die Texte sind mir sehr wichtig, sonst würde ich sie nicht schreiben. Ich habe schon immer traurige Lyrics geschrieben, aber speziell auf dieser Platte sind sie extrem persönlich ausgefallen - wenn ich z.B. "Second Best" höre, dann bekomme ich echt eine Gänsehaut, soviel gebe ich da von mir preis. Früher habe ich hingegen mehr aus der Perspektive anderer Menschen geschrieben." Zu "Second Best", das mir persönlich auch am besten auf der neuen Platte gefällt, wird es übrigens auch erstmals in der Bandgeschichte einen Videoclip geben. "Wir haben dieses Stück ausgewählt, weil es unser neues Gesicht sehr gut repräsentiert. Allerdings mussten wir den Song etwas verkürzen, weil er mit vier Minuten und 30 Sekunden für ein Video zu lang ist."
Tja, so ändern sich die Zeiten. Doch was ist Ingemars persönlicher Lieblingssong auf der neuen Scheibe? "Ich denke, dass das wahrscheinlich "Not In The Mood" ist. Es ist der langsamste Song der ganzen Platte. Außerdem gefällt mir der Text dazu sehr gut." Und was rotiert sonst noch so auf seinem Plattenteller? "Ich höre natürlich immer noch sehr viel Punk, aber eigentlich mehr Punk mit Rock´n´Roll-Einschlag, also eher solche Sachen wie ZEKE, SUPERSUCKERS oder THE DWARVES. Ich bin vom melodischen Punkrock mittlerweile total übersättigt. Du weißt schon, PENNYWISE oder LAG WAGON. Wir haben früher nur solches Zeug gehört und gespielt, aber irgendwann braucht man einfach etwas Abwechslung. Außerdem stehe ich auch auf ältere New Wave-Bands wie z.B. XTC."
Apropos Weiterentwicklung: Wie ist es momentan um die schwedische Musikszene bestellt? Sieht Ingemar den Höhepunkt des schwedischen Punkrock-Booms als überschritten an? "Hm, schwer zu sagen, aber das kann schon sein. Burning Heart geht es zwar immer noch sehr gut, aber das Label entwickelt sich auch weiter - Stichwort "Strenght Through Diversity". Ska-Bands oder HipHop-Bands wie LOOPTROOP sind schon längst kein Tabu mehr für Burning Heart. Was damals mit dem schwedischen Punkrock-Boom anfing, hat sich mittlerweile stark ausgeweitet und ist organisch gewachsen, ohne dabei gleich dem Mainstream anzugehören. Hör dir doch bloß mal die neuen Platten von THE (INTERNATIONAL) NOISE CONSPIRACY oder THE HIVES an..." Wo er Recht hat, hat er Recht.
Schweden ist in musikalischer Hinsicht interessanter als je zuvor - und NO FUN AT ALL sind meiner Meinung nach nicht ganz unschuldig daran...
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