NIGHT FEVER

Foto© by Will Kinser

The New Wave Of Danish Metal Hardcore

NIGHT FEVER sind nicht aus New York City, sondern ... aus Kopenhagen. Von 2007 an war die Band um Shouter Salomon aktiv, veröffentlichte neben Kleinformaten die Alben „New Blood“ (2009) und „Vendetta“ (2014), um sich dann eine Auszeit zu gönnen und nun 2024 via Svart Records mit „Dead End“ ein neues Album rauszufeuern, das so tut, als wären sie nie weg gewesen. Kein Stück eingerostet rocken sie zwölf Songs runter, das SUICIDAL TENDENCIES-Shirt trägt Salomon sicher nicht zufällig auf dem Bandfoto, und wer seinen Testosteronspiegel etwas pushen will, muss dafür nicht mal Pillen schlucken, denn das Aggro-Geprügel mit freundlichem Nicken Richtung Boston und NYC hat die gleiche Wirkung. „Dead End“ ist pure Raserei, ein giftiger Vollgas-Ritt und trotz Metal-Infusion purer Hardcore und ein großer Spaß. Kasper Maarbjerg (gt), Mathias Friborg (gt) und Salomon Segers (voc) beantworteten meine Fragen.

Wie ging das alles los mit eurer Band?

Salomon: Ich bin der Sänger oder auch Schreihals der Band und wir kommen aus Kopenhagen, Dänemark, einem deprimierenden Drecksloch von einer Stadt. Wir haben NIGHT FEVER 2007 gegründet, um mal etwas langsameren Punk zu spielen. Ich hatte schon mit elf in schnellen Hardcore- und Punkbands gespielt, also wollten wir es dieses Mal etwas langsamer angehen lassen, aber dann haben wir den Amp doch wieder voll aufgedreht und das Maximum herausgeholt, haha. Unser erstes Album „New Blood“ erschien 2009, der Nachfolger „Vendetta“ 2014. Das ist auch wieder schon zehn Jahre her, weshalb manche jetzt von einem Comeback sprechen, aber das trifft es eigentlich nicht. Im Anschluss an die Veröffentlichung von „Vendetta“ sind wir zunächst ausgiebig durch die ganze Welt getourt. Dann kam die Pandemie und damit eine unfreiwillige Auszeit. Also verbarrikadierten wir uns zu Hause und beschlossen, die Zeit zum Schreiben eines neuen Albums zu nutzen. Das hieß auch, erst mal gar nicht mehr live zu spielen, da wir zu viel Energie darauf verwenden müssten, uns für die Konzerte in Form zu bringen, um gleichzeitig neue Songs zu schreiben. Doch schließlich war es geschafft und jetzt ist unser neues Album „Dead End“ auf Svart Records erschienen.
Kasper: Ich spiele den Bass. Die ganze Sache mit dem Comeback von NIGHT FEVER beruht auf einem Missverständnis. Klar, es erschienen keine neuen Platten, aber es gab durchgehend Konzerte und Touren. Ich bin 2016 zur Band gestoßen, um für meinen jüngeren Bruder einzuspringen, der gerade Vater geworden war und raus wollte aus dem straffen Tourplan . Bei der ersten Probe fragte ich, wie denn der Song heißt, an dem sie gerade arbeiten. Es war eine frühe Version von „Waiting for death“, doch damals hieß er noch „Vendetta“ – was für mich keinen Sinn ergab, da er nicht auf dem „Vendetta“-Album war – und sie hatten schon ein paar Jahre lang daran herumgeschraubt ... Da wurde mir klar, ein ganzes Album zu schreiben könnte eine Mammutaufgabe werden. Aber es war gar nicht so schlimm, es brauchte einfach seine Zeit. Ich denke, Salomon musste einfach die Richtung vorgeben. Er ist hier der Songlieferant. Er beherrscht bloß kein Instrument, also summt er uns die Riffs vor oder spielt etwas auf der Gitarre, was wir dann entschlüsseln und zusammensetzen. Als ich diese Prozedur zum ersten Mal miterlebt habe, dachte ich, die sind verrückt geworden, aber aus irgendeinem Grund funktioniert es wirklich. Er und unser Gitarrist Hasse scheinen sich dabei auf magische Weise zu verstehen.
Mathias: Ich bin der andere Gitarrist bei NIGHT FEVER. Ich glaube, gegründet wurde die Band von unserem alten Bassisten Andreas und Salomon, der mich zum Glück fragte, ob ich bei ihnen mitmachen will, nachdem er einen anderen Gitarristen ausprobiert hatte. Das war damals nach der Räumung des alten Jugendhauses in Kopenhagen. Die anderen hatten eine Band, bei der nichts mehr passierte, und meine anderen Bands waren auch nicht wirklich interessant, also war das für uns alle der Anfang von etwas Besonderem, denke ich. NIGHT FEVER hatte im Laufe der Jahre ein oder zwei andere Gitarristen, die ein- und wieder ausgestiegen sind. Doch seit einigen Jahren sind Hasse und ich nun zu zweit. „Dead End“ ist jetzt die erste Aufnahme, an der Hasse beteiligt war, und das hat dem Sound sehr gutgetan. Bei NIGHT FEVER hat es nie wirklich eine Auszeit gegeben, es hat nur etwas länger gedauert, Songs zu schreiben, die wir für gut genug hielten, um auf der Platte zu erscheinen. Wir wollen keine Filler. Deswegen ist die letzte Veröffentlichung nun schon ein Jahrzehnt her. Das Einzige, was die Band in der Zeit etwas gebremst hat, war der Umstand, dass ich mir bei einer unserer Shows eine Gehirnerschütterung und ein Schleudertrauma zugezogen habe, so dass ich eine Weile ausgefallen bin. Und natürlich Corona, aber das ist ja klar.

Da eurer LP dieses große Poster mit Fotos von euch beiliegt: Von welchen Bands hattet ihr als Teenager Poster an der Wand? Und welche davon verehrt ihr heute noch?
Salomon: Ich habe erst Metal gehört, bevor ich mich mit Punk und Hardcore beschäftigt habe. Ich habe sehr früh angefangen, weil ich einen Bruder hatte, der auf Metal stand. Ich war sechs Jahre alt, als ich mein erstes Metal-Album bekam. Die Bands, auf die ich als Kind stand, waren MEGADETH, JUDAS PRIEST, BLACK SABBATH, METALLICA, SLAYER und DEICIDE. Ich werde nie vergessen, wie ich das erste Mal SLAYER gehört habe. Ich weiß noch, wie ich dachte: Das ist das Wahnsinnigste, was es überhaupt gibt! Ich liebe diese Bands bis heute. Das letzte Mal, als wir JUDAS PRIEST gesehen haben, habe ich Tränen vergossen vor Freude. Rob Halford hat es echt immer noch drauf!
Kasper: Bei mir waren es definitiv Punkbands. Nachdem ich GREEN DAY und OFFSPRING auf MTV gesehen habe, bin ich auf SEX PISTOLS, CLASH und RAMONES gestoßen, dann ging es tiefer in den Kaninchenbau mit FEAR, X-RAY SPEX und den MISFITS. Oh, und natürlich JUDAS PRIEST, immer wieder JUDAS PRIEST! Aber auch THE VELVET UNDERGROUND, BLACK SABBATH, ROLLING STONES und ähnliche Monolithen halte ich immer noch hoch. ZEKE sind meiner Meinung nach die beste Band, die aktuell auf Tour ist. Unbedingt anhören!
Mathias: Bei mir ging es vor allem los mit lokalen Hardcore- und Punkbands aus Kopenhagen. Durch meinen älteren Bruder und meine Schwester kannte ich fast alle Bands, die in den späten Neunzigern aktiv waren. Also hingen bei mir SNIPERS, AMDI PETERSENS ARMÉ, GORILLA ANGREB, HUL und PARAGRAF 119 an der Wand. Aber ich mochte auch BLACK FLAG, DEAD KENNEDYS, MISFITS, BAD RELIGION, POISON IDEA und MINOR THREAT. Später habe ich mich mehr dem Death und Thrash Metal zugewandt. Bands, die ich seit meiner Jugend liebe, sind BLACK SABBATH, JUDAS PRIEST, DEEP PURPLE, KING DIAMOND, DEICIDE, MORBID ANGEL, um nur einige zu nennen.

Ein Aufkleber auf dem Album beschreibt eure Musik als eine Mischung aus Hardcore und NWoBHM. Nun, Hardcore und Metal waren nicht immer die besten Freunde, manchmal ähnelten sie sogar zwei verfeindeten Brüdern. Wie sieht also vor diesem Hintergrund eure Familiengeschichte aus?
Salomon: Die meisten von uns sind schon zusammen zur Schule gegangen. Damals haben wir Metal und Alternative Rock gehört und in der Schulband SLAYER und DEEP PURPLE gecovert. Als Teenager habe ich SUICIDAL TENDENCIES entdeckt und „Lights, Camera, Revolution“ war wie eine Erleuchtung! Für mich war das die Band, die den Mix aus Hardcore und Metal perfekt hinbekommen hat. Daraus hat sich irgendwie ganz natürlich das entwickelt, was wir jetzt als Band machen. Letztlich ist das genau der Sound, den wir schon immer geliebt haben.
Kasper: Aber unser Musikgeschmack ist extrem vielseitig. Unsere Playlist im Tourbus ist wirklich eklektisch, dazu gehören alle Formen von Metal und Punkrock, aber auch Outlaw-Country, HipHop, Fünfziger-Jahre-Doo-wop, schräger Thai-Beat, Classic Rock und so weiter. Wenn es gut ist, ist es gut, das ist die einzige Regel. Das Lustige ist, dass Salomon immer irgendwelche verrückten Riffs mitbringt, bei denen ich mich wundere, wie er bloß auf so was kommt, und manchmal lautet die Antwort: „Oh, das ist ein altes Thema aus einem französischen Chanson, nur total bekloppt gespielt und ein bisschen verändert.“
Mathias: Ja, manchmal haben die besten Bands kleine Zutaten aus verschiedenen Genres. Ich hasse es, dass wir immer definieren müssen, in welche Schublade unsere Musik passt. Ich spiele auch in mehreren Death Metal-Bands. Aber die Hauptsache ist, dass ich/wir Rock/Hard/Heavy-Musik lieben. Das ist der Ursprung von allem. Keiner von uns hört nur eine Art von Musik und deshalb sind unsere Songs auch nicht typisch Hardcore.

In meinem Review habe ich euch mit D.R.I., CORROSION OF CONFORMITY, SUICIDAL TENDENCIES, SLAPSHOT und SHEER TERROR verglichen ... Wo stimmt ihr zu, wo nicht, wer fehlt noch auf dieser Liste? Irgendeine dänische Band?
Salomon: Ich liebe diese Bands, aber Inspiration hole ich mir auch teilweise ganz woanders. Vinylplatten zu sammeln ist meine Leidenschaft und ich höre fast alles ... Abgesehen von elektronischer Musik, ich kann diesen Scheiß nicht ausstehen! Was zum Beispiel letzte Woche auf meinen Plattenspieler landete, waren LOVE, KANSAS, TERVEET KÄDET, Jack Kittel, THE BRUISERS, BEATLES, THE WHO, BOLT THROWER, SPAZM 151, Johann Sebastian Bach, DION AND THE BELMONTS, CARRY NATION, THE BARRY SISTERS, EURYTHMICS, SPERMBIRDS, Al Green, Chris Isaak, SUICIDAL TENDENCIES, MASTODON, VISUAL DISCRIMINATION, YOUTH YOUTH YOUTH und ANTI-CIMEX ... ich bin also musikalisch überall dabei. Aber wenn du wissen willst, was mich am meisten beeinflusst hat, dann sind das zu 100% POISON IDEA, die beste Hardcore-Band, die es je gab! Außerdem vielleicht etwas DEATH SIDE, etwas OUT COLD, OFFENDERS aus Texas und JUDAS PRIEST. Und dänische Bands ... vielleicht KING DIAMOND und ARTILLERY?
Mathias: D.R.I., CORROSION OF CONFORMITY und SUICIDAL TENDENCIES haben definitiv ähnliche Vibes wie wir. Also sind das wahrscheinlich alles gute Referenzen. Zu den anderen beiden kann ich nichts sagen, da ich so was nie wirklich gehört habe. MERCYFUL FATE und KING DIAMOND sind wahrscheinlich die dänischen Bands, die wir am meisten mögen, aber ich denke, wir sollten nicht anfangen, uns mit ihnen zu vergleichen, hehe.

Erzähl uns etwas über die Kopenhagener Musikszene. Wie gut seid ihr vernetzt, was sind eure Verbündeten, wie sieht die Club- und Proberaumsituation in einer so gentrifizierten und teuren Stadt aus?
Salomon: Ich denke, wir sind schon ziemlich gut vernetzt. Die meisten unserer Freunde spielen in Bands und wir selbst sind auch noch in anderen Bands aktiv, zum Beispiel bei TYRANT, einer Oi!/Hardcore-Band, in der ich spiele und zwei andere von uns. Ein paar dänische Bands, die du dir anhören solltest, wären THE WAR GOES ON, DECORTICATE, PLEASER, INDRE KRIG, SMERTEGRÆNSES TOLDERE, JJ AND THE A’S, TAPHOS, SULPHUROUS, ASCENDENCY HYPERDONTIA, SORT SIND, HAD – allein bei den letzten sechs ist unser Gitarrist Mathias beteiligt. Was Konzerte angeht, so gibt es in der Stadt mehrere Clubs, in denen man auftreten kann, es ist kein Problem, eine Show zu bekommen, aber es ist kaum möglich, die Ticketpreise niedrig zu halten. Wir haben einen Bunker aus dem zweiten Weltkrieg, in dem wir proben, Bier trinken, Scheiße reden und abhängen. Er liegt in der Nähe der Innenstadt. Wir haben ihn ganz nett mit Sofas, Tischen und Leuchten eingerichtet. Er ist nicht super teuer, aber auch nicht billig. Bei einigen der größeren Proberäume allerdings sind die Preise einfach lächerlich, wir reden da von über 1.000 Euro im Monat. Ich wiederhole: über 1.000 Euro!
Mathias: Die Szene in Kopenhagen ist ziemlich klein und viele Leute, die Musik machen, haben gleich mehrere Bands oder zumindest kennt man sich untereinander. Fast alle unsere Freunde machen Musik, ansonsten gibt es hier auch nicht viel zu tun. Insofern haben wir eine ziemlich gute Szene in Kopenhagen, und das war schon immer so. Auf unserer Release-Party beispielsweise haben drei tolle dänische Bands gespielt: MORAL END, TYRANT und INDRE KRIG. Zum Glück haben wir in unserer kleinen Stadt viele gute Veranstaltungsorte und es finden immer irgendwelche Konzerte statt, egal, ob du auf Hardcore, Punk oder Metal stehst, du wirst fündig. Im Moment sind wir mit NIGHT FEVER in unserem sechsten Proberaum angekommen. Entweder waren die Räume zu teuer oder völlig schimmelverseucht, vor allem die Keller. Früher haben wir uns oft mit befreundeten Bands einen Raum geteilt, das hieß viele Leute und eine Menge Equipment auf wenigen Quadratmetern. Aber jetzt haben wir unseren Bunkerraum fast für uns allein, aber der ist auch scheiße, wenn du mich fragst, haha. Zu viel Feuchtigkeit und beginnender Pilzbefall. Aber ich schätze, so ist das eben in einem verregneten Land und beim Proben in Kellern in Dänemark. Leider gibt es in Kopenhagen nicht so viele Alternativen und das, was es gibt, wird fast alles von denselben Leuten betrieben, die viel zu viel Geld verlangen und die Räume für ihre Mieter nicht gerade in Schuss halten.

Zurück zu eurem Album: Euer Artwork hat einen sehr ausgeprägten NYHC-Look, angefangen mit der typischen Schriftart bei eurem Bandnamen, die mich an GORILLA BISCUITS, JUDGE oder SICK OF IT ALL erinnert, bis hin zu dem Coverfoto, auf dem ihr fünf wie eine Gang posiert. Was ist die Idee, das Konzept?
Salomon: Ich war schon immer ein großer Fan der New Yorker Punk- und Hardcore-Szene der späten 1970er bis Anfang der 1990er, aber im im Grunde stehe ich einfach auf US-Hardcore. Es freut mich, dass du JUDGE erwähnst, denn das ist eine meiner Lieblings-Hardcore-Bands aus New York. „Bringin’ It Down“ habe ich mit 15 von meinem Freund Andy Exciter bekommen, mit dem ich damals zusammen in einer Punk-WG wohnte. Als ich diese Platte zum ersten Mal auflegte, explodierte mein Verstand. Es war der härteste Scheiß, den ich je gehört hatte. Bis heute kenne ich alle Texte auswendig und bevor ich alt und nutzlos bin, möchte ich noch eine Band im Stil von JUDGE gründen, mit dem Saufen aufhören und dann kann der Hammer fallen ...
Mathias: Am Anfang fiel es uns sehr schwer, einen Bandnamen zu finden. Uns sind nur völlig idiotische Sachen eingefallen, die bloß wir für lustig hielten. Aber bei unserem Debüt-Gig nahm uns ein Freund, der damals bei HJERTESTOP spielte, die Entscheidung ab und erklärte, dass NIGHT FEVER von allen Ideen die beste ist, und dabei blieb es dann. Es war auch gleich klar, dass wir ein echtes „amerikanisches“ Hardcore-Logo haben wollten, das passt zu unserer Musik, außerdem mögen wir alle alten New Yorker Hardcore-Bands. Wir wollten, dass alle unsere Plattencover optisch das gleiche Gefühl vermitteln, durch das Logo, das Licht, die Farben. Bei diesem Album war es am schwierigsten, das passende Motiv zu finden. Salomon hatte dann die Idee mit dem Gegenlicht und den langen Schatten, wodurch es ein wenig an dieses DICTATORS-Album erinnert.

Salomon, deine Texte sind, gelinde gesagt, nicht sehr positiv. Es geht viel um Wut, Frustration, Tod und Dunkelheit ... passiert nichts Gutes in deinem Leben?
Salomon: Das hat wohl auch damit zu tun, wie ich aufgewachsen bin, im Ghetto, ohne Geld, ohne Essen auf dem Tisch und ohne Zukunft. Ich habe gelernt zu stehlen und zu klauen, in einem Alter, in dem man eigentlich hätte lernen sollen, wie man sich mit anderen Kindern auf gesunde Weise auseinandersetzt, anstelle von Gewalt und Streit. So etwas hinterlässt Spuren. Manchmal fühle ich mich immer noch wie dieses ausgestoßene Kind ohne Zukunft, so was lässt sich nur schwer abschütteln. Aber jeder Tag ist eine neue Chance, etwas zu verbessern. Ich kann auch nur schwer Vertrauen aufbauen, ich gehe den Menschen so weit wie möglich aus dem Weg. Schon im Zug auf dem Weg zur Arbeit überkommt mich häufig ein überwältigendes Gefühl von Hass und Ekel. In mir steigen Gewaltfantasien hoch und der Drang, Menschen ins Gesicht zu schlagen, lässt mich schwindelig werden. Ich versuche, das zu abzumildern, indem ich Kampfsport betreibe oder in ein Mikrofon schreie, aber je älter ich werde, desto weniger funktionieren diese Mittel. Ich fühle mich von unserer gegenwärtigen Gesellschaft entfremdet, sogar noch mehr als damals als Kind. Wenn ich mir die jungen Leute ansehe, verliere ich jede Hoffnung. Manchmal denke ich, dass ich ein Außerirdischer bin, der in einem menschlichen Körper gefangen ist und auf diesem Planeten festsitzt, ohne jede Chance zu entkommen. Ich kann mit nichts mehr etwas anfangen. Aber ich bin mir sicher, dass ich durchhalte und weder Mord noch Selbstmord begehe, wenn ich meine zwischenmenschlichen Beziehungen auf ein Minimum beschränke. Was soll ich sagen, ich bin einfach kaputt.
Kasper: Ich muss Salomon zugute halten, dass er durchgehalten hat! Ich kenne ihn, seit er zehn oder so ist, und das Leben hat ihn ganz schön hart getroffen. Während er sich an Hasse wendet, wenn es um Riffs und so was geht, bin ich derjenige, bei dem er sich für seine Texte Rat oder Anregungen holt. Und ich finde, dass die Texte auf „Dead End“ einen großen Schritt nach vorne darstellen im Vergleich zu den beiden vorherigen Platten. Sie sind zwar introvertierter und düsterer, aber auch viel kraftvoller und aufrichtiger. Sie werten die Platte wirklich auf. Ich war der Einzige, der wusste, worum es in den Songs geht, bevor wir ins Studio gingen, denn bei den Proben ist einfach nichts zu verstehen. Insofern denke ich, dass es für die anderen eine kleine Überraschung war zu erkennen, wie düster das ganze Chaos ist.

Kannst du uns mehr über den Hintergrund einiger Texte erzählen?
Salomon: In „Amen“ geht es um Religion und wie sehr ich sie verachte. Ich bin mit dem Judentum mütterlicherseits und dem Islam väterlicherseits aufgewachsen. Gebete an zwei verschiedene Götter ... Religion ist ein abscheuliches Werkzeug, um die Massen zu kontrollieren, und ich empfinde keinerlei Zuneigung oder Respekt für Menschen, die religiös sind oder religiösen Bestrebungen Raum geben. Das werde ich auch nie. In der „Dead end“ geht es um Menschen, die die Meinung vertreten, dass wir alle frei sind, dass wir ein freies Leben führen und einen freien Willen haben, was meiner Meinung nach nicht der Fall ist. Diese Leute sind in der Regel Parolen schwingende Wichser, die erschossen gehören. „Waiting for death“ ist mein Appell, sämtliche Drecksäcke in unserer Gesellschaft loszuwerden.