MYANMAR-HILFE

Foto

Punk-affine Hilfsorganisationen – Teil 4: Aufstehen gegen die Militärdiktatur

Teil 4 unserer Reihe zu NGOs und Vereinen, die sich sozial engagieren und einen Bezug zur Punk-und Hardcore-Szene haben, führt uns diesmal nach Südostasien. Genauer gesagt nach Myanmar, dem früheren Burma. Auch dort gibt es Punks und die haben es unter dem derzeitigen Militärregime nicht gerade leicht. Deshalb haben sich zwei Exil-Unterfränk:innen, die seit vielen Jahren in Berlin leben, entschlossen zu helfen. Die beiden machen seit dem Putsch der Militärregierung in Myanmar im Februar 2021 Infoveranstaltungen und drucken Solishirts. Sie wollen damit über die Situation aufklären und dabei helfen, dass die Menschen dort gehört werden, und mit den Verkäufen natürlich auch Geld für die Menschen und die Organisation Civil Disobedience Movement sammeln und diese unterstützen.

Wie, wo, wann und warum kam es zur Gründung eurer Organisation?

2019 waren wir das erste Mal in Myanmar und waren sofort begeistert von den Menschen, von der fröhlichen und positiven Haltung und Stimmung im Land nach der jahrzehntelangen Militärdiktatur. Vor allem bei der überdurchschnittlich jungen Bevölkerung war allerorts Aufbruch, Sehnsucht und konkretes Handeln für ein neue Myanmar erlebbar. Das Alte hinter sich lassen, eine bessere Zukunft aufbauen und im 21. Jahrhundert ankommen. Ein Freund war bereits ein Jahr vorher schon dort und hatte Kontakt zu einer kleinen, aber großartigen Community rund um die Punkband REBELRIOT. Über verschiedene soziale Kanäle informierten wir uns weiter und waren beeindruckt von deren Engagement und Aktionen. Nicht nur in Sachen Politik, Bildung und Kultur lebten sie in ganz nachahmenswerter Weise den DIY-Gedanken – etwas, das mich an „Punk“ schon immer mit am meisten begeistert hat. Sie kümmern sich im Rahmen von sozialen Projekten wie „Food Not Bombs“ um Menschen auf der Straße, verteilen Essen, Hilfsmittel. Mit „Books Not Bombs“ engagieren sie sich für Aufklärung, Toleranzbildung und Zusammenhalt von Kindern, nicht nur denen auf den Straßen Yangons, sondern auch auf den Dörfern außerhalb, die oft nur aus buddhistischen Klöstern Input bekommen. „Solidarity Not Charity“ ist dabei das Motto. Es gibt einen schönen Film über die Community namens „My Buddha is Punk“. Direkt nach der ersten Reise waren wir eingeladen, auf dem Outside Rodeo-Festival in Coburg einen Live-Siebdruck-Stand zu machen. Gedruckt haben wir auf Spendenbasis und die Einnahmen sollten an „Books Not Bombs“ gehen. Aus der Schnapsidee, die Spenden selbst nach Myanmar zu bringen, wurde 2020 die zweite Reise. Wir trafen Menschen, die wir schon kannten, lernten sie besser kennen und konnten auch Kyaw Kyaw, dem Sänger von REBELRIOT, die Gelder persönlich übergeben. Zu diesem Zeitpunkt waren alle sehr hoffnungsvoll. Der Plan war, mit dem Geld ein Comicheft zu machen für die Kids auf der Straße, die nicht oder nicht so gut lesen können, um Respekt und Toleranz zu vermitteln gegenüber anderen Religionen und Lebensformen, jenseits der buddhistischen Lehren, die in Myanmar nach wie vor den Alltag bestimmen. Remember: Damals predigten radikale Mönche gegen das Volk der Rohingya, die durch das Militär immer wieder vertrieben und verfolgt wurden. Wir hatten dort zum Beispiel auch Menschen kennen gelernt, die voller Enthusiasmus ein kleines Unternehmen aufgebaut haben, nachhaltigen Tourismus und besondere Führungen und Ausflüge anboten. Wichtig war ihnen dabei, die Menschen vor Ort einzubeziehen und möglichst viel von Kultur und Traditionen zu vermitteln, um ein Verständnis zu schaffen, sich mit gegenseitigem Respekt kennen zu lernen. Wir konnten mit ihnen eine Aktion organisieren, wo Touristen zusammen mit jungen Menschen aus dem Ort eine Müllsammelaktion auf einer vorgelagerten Insel unternommen haben Zusammen abhängen, was Sinnvolles unternehmen und sich gegenseitig mit einer Wertschätzung begegnen, wie es nur passiert, wenn sich Menschen mit der Lebenswelt des anderen auseinandersetzen. Es gab große Pläne und riesiges Engagement.

Am 1. Februar 2021 kam dann aber der Militärputsch.
Ja, damit war auf einmal alles vorbei. Für mich war es ein Schock. Die Menschen gingen so viele Tage und Wochen in Massen gegen das Militär auf die Straße. Selbst als die Soldaten begannen, die Menschen auf der Straße zu erschießen, ließen sie sich nicht einschüchtern. So etwas Mutiges habe ich mir nicht vorstellen können, und bis heute setzt sich das Volk zur Wehr. Auch wenn der Militärapparat mit seiner noch bestehenden Logistik schnell wieder Terror und Schrecken verbreitete und versuchte einzuschüchtern, so wehren sich die Menschen immer noch. Das Civil Disobidience Movement, die Bewegung des zivilen Ungehorsams, ist ein starker Zusammenschluss von Menschen in Solidarität gegen die Diktatur. Viele der jungen Leute, wie die, die bei der Müllaktion mit uns unterwegs waren, sind nach dem Putsch in den Widerstand gegangen. Sie schlossen sich den bestehenden Armeen der Minderheiten an, absolvierten eine Grundausbildung und gründeten die People Defence Forces, die zu Beginn das Civil Disobidience Movement/CDM, den zivilen Ungehorsam und die Demonstrationen schützten, mittlerweile versuchen sie. ganze Dörfer und Regionen unter ihre Kontrolle zu bekommen und gegen das Militär zu verteidigen. Viele davon waren eigentlich damit beschäftigt zu überlegen was sie studieren werden oder wo die nächste Party stattfinden wird. Stattdessen sitzen sie jetzt im Dschungel und kämpfen für ihre Freiheit. Das mitzuerleben ist einfach absurd und so unfassbar unnütz. Es war uns sofort klar, dass wir etwas tun mussten. Diese Situation durfte weder unkommentiert bleiben noch durften der Mut und der Glaube der Menschen an das Freisein verhallen. Am wichtigsten war, den Menschen dort so gut wie möglich zu zeigen, dass sie gesehen werden, anders als während der letzten fünfzigjährigen Militärdiktatur. Wir haben zum einen sehr solidarische und vor allem tolle Menschen und Initiativen um uns herum, und deshalb war klar, wir drucken T-Shirts! Die verkaufen wir, machen Krach und schicken die Fotos um die Welt und das Geld nach Myanmar. Eine Freundin zeichnete das Motiv, in mittlerweile unzähligen Stunden druckte Eugen mit mir T-Shirts, Longsleeves, Taschen, Hoodies, egal ob in Berlin beim Weisestraßenfest oder in den Kneipen von Freund:innen, die ihre Läden zur Verfügung stellten, in Schweinfurt im Stattbahnhof oder beim Festival in Würzburg. Überall gibt es Menschen, die uns dabei unterstützen, noch mehr Leute zu erreichen.

Wer waren damals die Ideengeber:innen und „Köpfe“, wer ist es heute?
Die Ideengeberin war damals wie heute ganz klar die bittere Ungerechtigkeit. „Wie kann sich etwas, das sich so schön und sicher anfühlt, von etwas anderem einfach kaputtgemacht werden. Nö, das darf nicht sein, lass was machen ...“ Info- und Soliaktionen gegen die Hilf- und Machtlosigkeit, die vielleicht dann auch noch weitere Ideengeberin ist.

Was ist die Geschichte zu eurem Namen?
Wir haben keinen Namen, wenn ich von Myanmar-Soli-Aktion spreche, wissen alle in meinem Umfeld, worum es geht. Eine Facebook-Seite, die wir zur Bündelung von Infos und auch als Kontakt gerade erstellt haben, findet ihr unter fb.com/cdmmyanmarpowertothepeople

Was wollt ihr erreichen?
Das CDM und der Widerstand ringen die Militärregierung aus dem Amt und der Comic für die Kids in Yangon wird produziert. Das wäre ein Anfang. Auch wenn das das schönste Ziel wäre, sind vor allem Aufmerksamkeit und Solidarität das hauptsächliche Ziel für unser Engagement.

Welche wichtigen Aktionen und Erfolge gab es in der jüngeren Vergangenheit?
Jedes verkaufte Shirt ist ein Erfolg, jedes Gespräch, von dem das Gegenüber vielleicht einem Dritten erzählt, ist ein Erfolg, weil es das ja ist, worum es uns geht. Und immer, wenn wieder ein Batzen Geld im Land ankommt, ohne dass das Militär es abgefangen hat, ist das eine wichtige Aktion.

Mit welchen Risiken ist euer Engagement verbunden? Seid ihr Anfeindungen ausgesetzt, werdet ihr kriminalisiert?
Nein. Das einzige Risiko ist, dass wir unter dieser Militärregierung vielleicht nie wieder ein Visum für die Einreise nach Myanmar bekommen. Das ist so winzig und unwichtig, im Gegensatz zu dem, was den Menschen dort verwehrt wird. Die einzigen negativen Stimmen generell zu Myanmar beziehen sich auf den Genozid an den Rohingya und der diesbezüglichen Politik von Aung San Suu Kyi. Das hat sich aber meist ganz schnell erledigt, wenn klar wird, dass sowohl hier als auch da das Problem das Militär ist. Da wir uns doch meistens in unserer Szene bewegen, gibt es ja einen sehr viel aufgeklärteren Umgang.

Wie viele ehrenamtliche und hauptberufliche Mitarbeitende habt ihr?
Keine. Wir sind aktivistisch und solidarisch handelnde Menschen, es hilft immer der, der kann.

Wo ist der Sitz oder die Zentrale eurer Organisation?
Vielleicht in der Kiste, in der die Shirts, die Plakate, die Flyer sind. Gedruckt werden die Sachen in unserem Siebdruck-Kollektiv im Kiezladen, Sonnenallee 154 in Berlin. Zu Hause ist die Aktion immer da, wo sich Raum bietet.

Wie viele Mitglieder beziehungsweise Unterstützer:innen habt ihr? Beschreibt doch mal die „typischen“ Unterstützer:innen.
Die UnterstützerInnen sind Freund:innen, die angestiftet wurden. Menschen, die sich sowieso schon mehr oder weniger aktiv für eine bessere Welt einsetzen. DIY und in direkter Aktion. Oft auch Leute, die selbst schon in Myanmar waren und den Funken der Hoffnung auf eine bessere Zukunft, in einem freien, demokratischen Land zu leben, direkt bei den Menschen in Myanmar gespürt haben.

Was könnt ihr leisten, was eine staatliche oder konfessionelle Organisation nicht kann?
Staatliche und konfessionelle Organisationen könnten das auch tun. Tun sie an anderer Stelle vielleicht auch, aber wie so oft handelt es sich leider nur um warme Worte und viele Gelder erreichen nicht die Menschen, die sie erreichen sollen. Deshalb machen wir weiter. Für Deutschland, die EU gäbe es so viel zu tun, was unter dem Deckmantel der Vermeidung diplomatischer Verwicklungen nicht getan wird. Oder nur mit Druck. Der Verein German Solidarity with Myanmar macht hier sehr gute Arbeit. Ganz breit aufgestellt versuchen die Menschen, Politik oder Wirtschaft dazu zu bringen, etwas zu tun oder auch nicht mehr zu tun, falls es der Junta dient.

Welche konkrete Arbeit leistet eure Organisation?
Wir machen Öffentlichkeitsarbeit, informieren über die Situation, halten den Kontakt zu den Menschen vor Ort, die es mit großem Risiko für sich selber auf sich nehmen, das von uns gesammelte Geld ins Land zu schmuggeln und an das CDM zu verteilen.

In welchen Ländern/Regionen seid ihr aktiv?
Wir agieren ganz klein immer da, wo wir vor Ort sind, hauptsächlich in Berlin und rund um Schweinfurt, wo wir zu Hause sind. Es gibt aber ähnliche Aktionen zum Beispiel in Zürich: United Punk Solidarity.

Wofür verwendet ihr das Geld, das euch gespendet wird? Und habt ihr so was wie ein Spendensiegel beziehungsweise wie wird gewährleistet, dass mit den Spenden satzungsgemäß umgegangen wird?
Da es keine Satzung gibt, gibt es kein Siegel, es gibt nur unser Wort und das Vertrauen. Unser Wort, dass die Kohle komplett nach Myanmar geht, abzüglich der Produktionskosten. Und das Vertrauen in die Menschen, die das Risiko, persönlichen Schaden zu erleiden, dennoch eingehen und unser Geld ins Land schmuggeln und dort am besten wissen, was damit jeweils passieren soll. Wir schreiben das nicht vor, wie könnten wir?

Wie kann man euch unterstützen? Nur mit einer Spende oder auch mit aktiver Mitarbeit?
Informiert euch, erzählt es weiter. Es gibt einige Solisampler zum Download, es gibt immer wieder Veranstaltungen und es gibt viele Möglichkeiten zu unterstützen – nicht uns, sondern den zivilen Ungehorsam in Myanmar und überall auf dieser Welt. Klar könnt ihr auch ein Shirt kaufen, damit ihr von möglichst vielen Leuten darauf angesprochen werdet, was da überhaupt drauf gedruckt ist. Viele Bands und Aktive in der Szene solidarisieren sich mit dem, was wir tun, unterstützten die Sache so, wie sie das eben können. Das können Ansagen bei Konzerten sein, Kooperationen wie mit No Sweat-Shirts aus England, Einladungen zu Demos ...

Habt ihr prominenten Fürsprecher:innen aus dem Musik- und Kulturbereich? Wer ist das, und warum passen die zu euch?
Na, für uns nicht, die Menschen, um die es geht, sind die prominentesten, da sie wahrhaftig Großes leisten, unter anderem die Community um REBELRIOTS!