MURDER BY DEATH

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Im Maul des Wolfes

Mit der Musik von MURDER BY DEATH verhält es sich ähnlich wie mit ihrem Namen. Zunächst hält man das Ganze vielleicht für übertrieben grimmig und pathetisch, aber bald darauf erkennt man, dass hier ein doppelter Boden im Spiel ist. Benannt haben sie sich nach einer Kriminalfilmparodie von 1976, und ihr Metier ist verschrobener Indierock, den neben Country-Einflüssen und dem Einsatz eines Cellos vor allem auszeichnet, wie perfekt Musik und Texte ineinander greifen. Sicher handeln die meisten ihrer Lieder von wenig lebensfrohen Themen, aber es geht hier nicht um die Pflege eines möglichst düsteren Images, sondern um das Erzählen von atmosphärisch dichten, unterhaltsamen (Grusel-)Geschichten. An einem der ersten schönen Tage des Jahres saß mir vor dem Kölner Gebäude 9 Adam Turla gegenüber, der ganz und gar nicht finstere Kopf der Band ...

Ihr seid zum ersten Mal in Deutschland, oder?


Ja, innerhalb von Europa waren wir bisher ausschließlich in England. Gestern hatten wir unsere erste Deutschland-Show in Bremen für eine Radiosendung in einer Konzerthalle. Das war ziemlich schick - bestuhlt, ausverkauft und vor vielen Leuten unterschiedlichen Alters. Von der Atmosphäre her ähnelte es eher einem klassischen Konzert als einer Rockshow. Wir haben dann ein Set aus unseren langsameren Liedern gespielt; heute Abend wird es etwas mehr Rock'n'Roll geben. Uns gefällt es in Europa bisher sehr gut, da es so viele historische Orte gibt, die wir besichtigen können, wenn wir etwas Freizeit haben. Wir sprechen innerhalb der Band auch einige Sprachen, so dass wir bisher keine Probleme damit hatten, uns zu verständigen.


Euer neues Album trägt mit "In Bocca Al Lupo" ja nun auch einen italienischen Namen und es gibt eine ältere Platte von euch, die "Konrad Friedrich Willhelm Zimmer" heißt. Wer ist das denn?

Es ist ziemlich lustig, dass du ausgerechnet darauf zu sprechen kommst. Das war damals nur eine kleine Split-CD mit einer befreundeten Band. Allerdings wird der Besitzer des Labels, auf dem die Scheibe damals erschienen ist, heute Abend auch auf das Konzert kommen. Konrad Friedrich Willhelm Zimmer war sein Großvater und er ist auch der Mann, der auf dem Cover der Platte zu sehen. Er ist leider während der Aufnahmen verstorben, weswegen wir ihm dann die Platte gewidmet haben. Besagter Freund hat sein Haus geerbt und dort wohnt er jetzt, keine 45 Minuten von hier. Konrad Zimmer war Tierpräparator und so wird unser Freund nachher ein paar ausgestopfte Tiere als zusätzliche Dekoration für die Bühne mitbringen.


Wenn ich das richtig verstanden habe, dann ist "In Bocca Al Lupo" in Eigenregie erschienen; trotzdem seid ihr auf der Suche nach einem neuen Label.

Es war gar nicht so richtig unser eigenes Label, auf dem die Platte erschien. Warner Brothers hat uns die nötigen Mittel zur Verfügung gestellt, um die Platte auf diese Weise herauszubringen. Es war ein Experiment, das von Anfang an nur für dieses eine Album geplant war. Wir wollten etwas Neues ausprobieren und alles nach unseren eigenen Vorstellungen angehen. Außerdem waren wir von keiner der anderen Optionen, die sich uns damals boten, wirklich begeistert. Vieles hat sehr gut funktioniert, aber anderes war auch anstrengend. Diesmal wird das sehr viel einfacher, nachdem sich gleich mehrere sympathische Labels interessiert zeigen.


Was habt ihr anders gemacht als bei den Vorgängern?

Aufgenommen haben wir diesmal in Baltimore mit J Robbins als Produzent, der auch schon mit Bands wie JETS TO BRAZIL und AGAINST ME! gearbeitet hat. Er ist wirklich großartig. Nach den Aufnahmen bestand er darauf, nur als Koproduzent aufgeführt zu werden, weil er unsere eigenen Ideen und Anstrengungen würdigen wollte. Auch inhaltlich sind wir etwas anders vorgegangen. Das letzte Album "Who Will Survive, And What Will Be Left Of Them?" war ein klassisches Konzeptalbum mit einer durchgehenden Story. Es ging um den Teufel, der in einer Barschießerei in einem mexikanischen Städtchen niedergeschossen wird und sich dann bitter rächt. Das neue Album "In Bocca Al Lupo" dagegen enthält zwölf Songs mit jeweils völlig unterschiedlichen Geschichten und Protagonisten, die allerdings alle um die Themen "Sünde" und "Moral" kreisen. Es gibt also keine verbindende Story, dafür aber ein gemeinsames Thema.


Beim letzten Album ging es also um den Teufel und bei diesem um "Sünde". Du scheinst ein Faible für religiöse Motive zu haben ...

Stimmt! Ich habe früher Religionswissenschaft und Englisch studiert, so lag es nahe, beides zu kombinieren, indem ich mich für meine Geschichten bei Bildern aus dem Bereich der Religion bediene. Ich schreibe gerne Mysteriöses und Phantastisches, dafür stellt etwas, das so durch und durch irrational ist wie Religion, eine gute Inspirationsquelle dar.


Dann bist du also nicht religiös?

Ich lese zwar viele religiöse Texte und bin sehr interessiert an der Materie, aber ich bin nicht gläubig. Je mehr du dich mit den unterschiedlichen Religionen wissenschaftlich beschäftigst, desto idiotischer kommt es dir vor, eine davon tatsächlich zu praktizieren.



Versucht ihr eigentlich auch live umzusetzen, dass viele eurer Songs miteinander verknüpft sind?

Als "Who Will Survive ..." herauskam, haben wir auf Konzerten das Album von Anfang bis Ende durchgespielt und dann die älteren Songs als Zugaben beziehungsweise als ein zweites Set. Mit dem neuen Album variieren wir häufiger. Trotzdem verwenden wir viel Zeit darauf, eine ausgewogene Abfolge der Songs zu finden. Wir spielen kleine Folgen zusammenpassender Songs und versuchen so die Stimmung im Publikum erst in die eine, dann wieder in eine andere Richtung zu beeinflussen. Manchmal geht man auf ein Konzert und langweilt sich, weil alles zu sehr in die gleiche Kerbe schlägt, das wollen wir auf jeden Fall vermeiden.


Hast du nie das Bedürfnis, über etwas zu schreiben, das mehr mit deiner Lebensrealität zu tun hat?

Nein, eigentlich nicht, aber ein paar der Songs haben mehr mit meinem eigenen Leben zu tun, als man vielleicht denken würde. Ich kann nicht viel mit Songwritern anfangen, die den lieben langen Tag von sich selbst erzählen. Für manche mag das ja ganz gut funktionieren, aber ich persönlich bin einfach nicht so veranlagt. Ich interessiere mich für Literatur und finde es wesentlich spannender, ausgedachte Geschichten zu erzählen, schon allein, weil es seltener gemacht wird.


Welche Art von Literatur interessiert dich denn?

Mein Lieblingsautor ist wohl Gabriel García Márquez. Leider spreche ich kein Spanisch, ich würde seine Bücher gerne im Original lesen können. Er schreibt in einem Stil, der sich "magischer Realismus" nennt und sich dadurch auszeichnet, dass er phantastische Elemente in ansonsten sehr alltagsnahe Geschichten einbindet. Márquez ist sicher ein großer Einfluss. Von den englischsprachigen Literaten sind mir Ernest Hemingway und John Steinbeck am liebsten. Was ich an Hemingway mag, ist, dass es in seinen Geschichten weder einen richtigen Anfang noch ein Ende gibt, er versetzt dich einfach in eine bestimmte Situation, das hat mich ebenfalls sehr geprägt.


Erzähl doch bitte etwas über die Anfänge der Band.

Die waren ziemlich unspektakulär. Wir haben einfach bei einem gemeinsamen Besäufnis festgestellt, dass jeder von uns ein Instrument spielt. Wenig später spielten wir bei einem unserer ersten Auftritte in einem anarchistischen Buchladen zusammen mit THURSDAY vor etwa 20 Leuten. Nach der Show fragten uns THURSDAY, ob wir nicht eine Platte auf ihrem Label herausbringen möchten, aber wir sagten ihnen, dass wir einfach noch nicht genügend Songs hätten. Sechs Monate später waren THURSDAY plötzlich riesig, was für uns sehr überraschend kam. Diese Art von Musik war bei uns in Indiana nicht sehr populär und ist es auch heute noch nicht wirklich. Jedenfalls gaben sie uns das Geld für unsere erste Platte und verhalfen uns zu etwas Aufmerksamkeit. Wir begannen uns als eine richtige Band zu fühlen und beschlossen, das Studium für eine Weile ruhen zu lassen. Ursprünglich wollten wir damals alle noch seriöse Jobs ergreifen. Das ist jetzt fünf, sechs Jahre her und wir haben seither nichts anderes mehr gemacht. Wir sind nicht überragend erfolgreich, aber nachdem wir ständig auf Tour sind, reicht es, um davon leben zu können.


Wie war das, als ihr euch ganz am Anfang auf ein grobes Konzept für die Band einigen musstet?

Wir haben alle ganz unterschiedliche Geschmäcker und haben uns eigentlich gar keine Gedanken darüber gemacht; wir hatten einfach Spaß daran, zusammen Musik zu machen. Vielleicht ist die Band aber auch gerade deswegen etwas Einzigartiges. Unsere Cellistin Sarah hört hauptsächlich klassische Musik, Soul und Rock'n'Roll. Matt, der Bassist, steht auf MOGWAI, GODSPEED YOU! BLACK EMPEROR und EXPLOSIONS IN THE SKY. Ich dagegen mag Tom Waits, die ANMIALS und ebenfalls sehr gerne Soul.


Dafür klingt eure Musik aber sehr stimmig ...

Wir haben eine Weile gebraucht, um dahin zu kommen, wo wir jetzt sind. Das allererste Album klang noch ganz anders, viel weniger einheitlich. Wir hatten ja nicht geplant, eine Platte aufzunehmen. Wir hatten neun Songs zu dem Zeitpunkt und sind dann eben mit denen ins Studio. Aber es gibt Leute, die das Album trotzdem gut finden ...


Kommt ihr denn generell gut an zu Hause in Indiana?

Wir leben ja in Bloomington, einer sehr kleinen, aber auch sehr trendbewussten Studenten-Stadt. Die Leute da stehen hauptsächlich auf obskuren Indierock und ausgewählte Americana-Bands. Für den vorherrschenden Geschmack dort sind wir wohl etwas zu düster und ich glaube, die meisten würden uns nicht unbedingt zu den "coolen Kids" rechnen. Aber unsere Konzerte in der Heimat sind immer sehr schön und irgendwie sind die meisten wohl auch stolz, dass wir Bloomington ein wenig in der Welt bekannt machen.