MR. T EXPERIENCE

Wenn die Herr T.-Erfahrung darin bestehen soll, daß man sich für das Interview mit einer netten, kleinen Punkband aus Berkeley, Kalifornia durch Horden von GREEN DAY- und wahrscheinlich auch KELLY FAMILY-hörenden Teenies kämpfen muß, dann habe ich sie gemacht. Durften letztes Jahr Ben Weasel und seine RIVERDALES vor zehntausend Blagen den Affen machen, war diesmal Dr. Frank mit seiner Truppe auserkoren worden. Sowieso sind MTX einmal mehr der Beweis, daß Erfolg wie Blitzschlag ist: er trifft nie den Richtigen. Denn was machen MR. T EXPERIENCE seit Mitte der Achtziger? Sie spielen hypermelodischen Punk mit Pop-Appeal, sind auf Lookout, und haben ausgesprochen gute Texte. Letzteres unterschied sie freilich schon immer von Billie Joe & Band, und so ergriff ich die Chance, mich mit dem bebrillten, nicht gerade ungeschwätzigen MTX-Chef zu unterhalten.

Bestehen Sie auf der Anrede Doktor Frank oder darf ich Sie - unter Freunden - einfach nur Frank nennen?

You can call me anything, but don´t call me late for dinner.

Danke, äh, Frank. Wie kommen Sie, ähm, kommst du zu diesem Titel?

Nun, irgendwelche Leute fingen an, mich so zu nennen, um sich über mein intellektuelles Getue lustig zu machen. Das ging schon in der Schule los. Und was macht man in so einer Situation am besten? Man macht die Not zur Tugend, und so fing ich mit acht Jahren an, mich Doctor Frank zu nennen.

Aha, du warst bzw. bist also so ein Typ wie dieser Murray Bozinski von "Trio mit vier Fäusten".

Hä?

Na, diese amerikanische TV-Serie mit diesen drei Privatdetektiven, die auf ´nem Boot leben. Und einer von denen ist so ein bebrillter Tüftler-Trottel.

Tut mir leid, aber die kenne ich nicht, oder zumindest kann ich mich gerade nicht daran erinnern. Das ist auch eine der großen Tragödien in meinem Leben: Ich schaffe es nicht, soviel fernzusehen, wie ich aus Gründen der Allgemeinbildung eigentlich sollte, weil ich soviel auf Tour bin. Deshalb kamen bei einem Konzert in Florida auch ein paar enttäuschte Kids an, die sich beklagten, daß auf der neuen Platte keine einzige TV-Anspielung enthalten ist. Die meinten, ich solle wieder mehr fernsehen. Ich sagte, das könne nicht sein, die gebe es auf jeder MTX-Platte. Ich bin dann alle Texte durchgegangen, und shit, die hatten recht! Ich war genauso geschockt wie die! Ich mußte mich echt bei denen entschuldigen und habe für die nächste Platte Besserung gelobt.

Stop, stop, stop: Fernsehen ist böse und schädlich und jede gute Punkband muß die Leute da draußen vor den schädlichen Einflüssen des Fernsehens warnen. Da kannst du doch nicht einfach hergehen und die TV-Kultur glorifizieren.

Ach ja? Klar kann ich das! Fernsehen ist großartig, Fernsehen macht Spaß, Fernsehen ist die Basis unseres Lebens! Wer das Gegenteil behauptet, verfälscht die Realität. Ich weiß nicht, wie das bei euch in Deutschland ist, aber zu der Zeit und dort, wo ich aufgewachsen bin, war und ist Fernsehen ein essentieller Bestandteil des Lebens. Als Songwriter schreibe ich natürlich Texte über meine Erfahrungen, und wenn das Fernsehen 85% meiner Erfahrungen ausmacht, muß ich darüber natürlich auch schreiben. Die restlichen 15% Erfahrungen haben dann vor allem mit Girls zu tun, und so kann ich ehrliche Songs nur über TV und Mädchen schreiben, alles andere wäre aufgesetzt und erlogen.

Du meinst also, daß man das echte Leben verpaßt, wenn man nicht fernsieht.

Aber natürlich! Schade ist nur, daß sich das echte Leben nicht an Fernsehrealität hält. Ich habe mir das schon oft gewünscht, aber es ist leider nicht so. Du hast dir doch sicher auch schon mal gewünscht, daß es im "richtigen" Leben wie bei Fernsehkomödien diese Gelächter-Tonspur gibt, damit man weiß, wann etwas Witziges geschieht oder gesagt wird. Oder daß es für dein Leben auch sowas gibt wie das Fernsehprogramm, wo bei dem einzelnen Ereignis dabeisteht, ob es eine Komödie oder eine Tragödie ist. Und was ist mit Filmmusik? Stell dir vor, du fährst mit dem Auto die Straße lang und plötzlich wird die Musik lauter, hektisches Geigengefiedel setzt ein, und du weißt, daß du aufpassen mußt, weil vielleicht gleich ein Unfall passieren könnte. Das wäre doch eine große Hilfe, findest du nicht?

Angesichts deiner TV-Obsession verwundert es nicht, daß auch euer Bandname aus diesem Zusammenhang stammt. Mr. T ist dieser etwas beschränkte Schwarze aus dem A-Team.

Richtig, und dreimal darfst du raten, was im Fernsehen lief, als wir diese Band gründeten. Wir haben natürlich gerade "The A-team" geschaut.

Worin besteht die "Mister T-Erfahrung"?

Ehrlich gesagt ist die Idee, die dahintersteckt, eine ziemlich dämliche - wie so viele meiner Ideen. Ich glaube, es war damals eine Reaktion auf die Massenvermarktung, die mit diesem Typen damals durchgezogen wurde. Es gab kein Produkt, das nicht als Mr. T-Produkt vermarktet wurde: Unterwäsche, Cornflakes, Raumspray, Schuhe, Brettspiele, Fitnessgetränke und was man sich sonst noch vorstellen kann. Und da dachten wir uns, daß in dieser Kollektion nur noch eine Mr. T-Punkband fehlt. Außerdem glaubten wir so, die ganzen Logos übernehmen zu können, worin wir kein Problem sahen, da niemand von uns glaubte, die Band würde länger als für ein paar Konzerte existieren. Tja, das Schicksal wollte es dann aber anders, denn plötzlich hatten wir eine Platte und noch eine Platte und fragten uns, weshalb wir so doof waren, uns nicht einen vernünftigen Namen auszudenken. Uns wurde klar, daß uns jeder auf diesen Namen ansprechen oder sich darüber lustig machen würde. Naja, da war es aber schon zu spät, der Name klebte an uns und wir sind ihn bis heute nicht losgeworden. Andererseits macht es aber auch Spaß, auf Konzerten all diese Kids zu sehen - und hey, ich weiß genau, wie man sich fühlt, wenn man so ein Junior Highschool-Kid ist -, die so cool wie nur möglich sein wollen und sich deshalb ein MR. T EXPERIENCE-Shirt besorgt haben. Das ist schon ganz schön mutig, sich mit so einem T-Shirt in der Öffentlichkeit zu zeigen. Damit outest du dich sofort als streberhafter Trottel: Nimm einen normalen Menschen, zieh ihm unser T-Shirt über, und fertig ist der Trottel. Ich muß sagen, dieses Wissen verschafft mir eine gewisse Befriedigung.

Habt ihr eigentlich mal vom echten Mr. T ein Feedback bekommen?

Nein, zumindest nicht persönlich. Vor einer Weile hat Mr. T allerdings mal wieder einen weiteren vergeblichen Comeback-Versuch unternommen, mit einem Comicheft. Und das stellte er in einem Comicshop in Santa Rosa vor, so mit Signierstunde und so. Naja, dort gibt es eine ziemlich große Punkszene, und deshalb waren da auch ein paar Kids mit MR. T EXPERIENCE-T-Shirts. Als er die sah, ist er wohl völlig ausgerastet, warf den Tisch um und wollte auf das arme Kid losgehen. Jemand hat die Szene fotografiert, und im Booklet zur CD-Wiederveröffentlichung unserer Debüt-Platte "Everybody´s entitled to their own opinion" ist das abgedruckt. Dieses Foto ist einer meiner Schätze, es klebt an meinem Kühlschrank. Aber um auf deine Frage zurückzukommen: Nein, ein direktes Feedback gab es glücklicherweise nicht. Wahrscheinlich hätte er uns eh nur aufs Maul gehauen.

Also bisher auch keine Gefahr, wegen des Namens verklagt zu werden.

Nein, und ich glaube auch nicht, daß es jemals so weit kommen wird. Wenn doch, wäre das natürlich der Prozeß des Jahrhunderts.

Ihr wart nicht von Anfang an auf Lookout...

Nein, und das war auch schlecht möglich, da wir zwei oder drei Jahre älter sind als das Label. Die erste Platte haben wir 1986 selbst rausgebracht. Ich kannte Larry allerdings damals schon, er fing da gerade mit seinem Fanzine an. Unsere nächste Platte "Nightshift at the thrill factory" erschien dann auf Rough Trade USA, und kurz darauf gründete Larry Lookout. Er bot uns an, eine Single zu machen, aber wir nahmen bereits für Rough Trade auf. So erschien "Big black bugs bleed blue blood" 1989 auch wieder auf Rough Trade. Kurz darauf gingen die Pleite, und so erschien im gleichen Jahr unsere erste Lookout-Platte, die "So long sucker/zero"-7". Das war, glaube ich, die zwölfte Lookout-Veröffentlichung.

Das Thema Lookout führt uns zum nächsten Punkt, nämlich dem Grund eures Hierseins. Jahrelang waren MTX und GREEN DAY zwei Bands auf dem gleichen Label, die sehr ähnliche Musik spielen, nämlich extrem poppigen, melodischen Punkrock. Und dann plötzlich verkauft die eine Band neun Millionen Platten, während die andere genauso unbekannt bleibt wie all die Jahre zuvor.

Als GREEN DAY und wir anfingen Musik zu machen, gab es keinen vernünftigen Grund, ausgerechnet diese Art Punkrock zu spielen. Kein Schwein wollte so einen Sound hören, den man heute "Pop-Punk" nennt. Nenn es, wie du willst, ich finde an diesem Begriff nichts schlimmes und bin mit Pop-Punk großgeworden. Was gibt es denn auszusetzen an Liedchen mit ´ner schönen Melodie, die man mitsummen kann?

Nichts, denn CLASH waren auch immer sehr poppig.

Genau. Obwohl ich weniger an CLASH als an BUZZCOCKS oder UNDERTONES oder Johnny Moped gedacht habe. Aber als wir Mitte der Achtziger MTX gründeten, gab es diese Art von Punkrock nicht mehr. Zu der Zeit war Punk fast ausschließlich Hardcore mit viel politischem Anspruch und wenig Sinn für schöne Melodien. Mein Ding war das aber nicht. Wir waren dann auch eine der Bands, die diese Pop-Punk-Szene mitbegründeten. Nach und nach kamen dann immer mehr Bands dazu, die zwar vielleicht einen anderen Anspruch hatten, aber ein ähnliches musikalisches Ziel verfolgten. Zu dieser Zeit gründeten sich auch GREEN DAY, die sich damals aber noch SWEET CHILDREN nannten. Als die ihre ersten Konzerte spielten, sprachen mich mehrere Leute darauf an, daß es da eine Band gebe, die beinahe den gleichen Sound spiele und aussehe wie unsere kleinen Brüder. Wir spielten in der Folgezeit eine ganze Menge Konzerte mit ihnen zusammen, und in den letzten Jahren sind sie dann, wie so viele andere Bands, mit denen wir mal zusammengespielt haben, raketengleich in die Höhe geschossen. Sowas hätte sich damals niemand vorstellen können. Aber wer kann sowas schon vorhersehen? Damals lief der Wettstreit unter den Bands noch ganz anders ab: Du spieltest in der Pizzeria, die anderen schon in einem richtigen Club, und dann spieltest du schließlich in den Clubs, aber die anderen schon in einer Halle, und so weiter. Aber was war eigentlich deine Frage? Die musikalischen Parallelen zwischen uns und GREEN DAY? Klar, es ist offensichtlich, daß wir eine ähnlicheIdee von Punkrock bzw. Rock´n´Roll haben. Der musikalische rote Faden verläuft ganz eindeutig von Buddy Holly über die KINKS, die MODERN LOVERS und BUZZCOCKS bis hin zu GREEN DAY und MTX. Diese Ähnlichkeit besteht aber zwischen allen, die Musik auf eine ganz simple Schiene herunterfahren und noch richtige Songs spielen. Lange Zeit schien diese Tradition allerdings ausgestorben zu sein, und so ist es o.k., daß es jetzt wieder ein paar mehr Leute gibt, die solche Musik spielen.

Aber war da nicht mal was in der Art, daß Punk auch sowas wie Provokation bedeutet? Den Aspekt allerdings kann ich bei GREEN DAY nicht gerade erkennen.

Seien wir doch mal ehrlich: dieses Provokationsspielchen wird schnell langweilig. Ob nun beim nihilistischen Ansatz in der Malerei und Graphik der Siebziger oder beim Schockeffekt generell - es ist doch so, daß die Idee zwar wirklich gut ist, der Reiz der Provokation jedoch schnell verloren geht. Man hat mittlerweile alles schon mal gesehen. Ich ziehe mir meine Kicks deshalb lieber daraus, eine vermeintlich normale Person zu sein. Die Subversivität dieses Vorgehens macht mir viel mehr Spaß, denn so Leute wie ich werden vom altmodischen Punk-Establishment schon wieder mit Mißtrauen betrachtet. Ich meine damit ganz konkret die Leute aus dem MRR-Umfeld. Außerdem kommt hinzu, daß ich aus einer sehr politisch korrekten Ecke der USA komme, wo jeder irgendwelchen Regeln folgt, von denen die wichtigste lautet, keinen Regeln zu folgen. Wenn du das aber tust, bist du schon wieder ein Außenseiter. Das paßt zu mir, denn seit meiner Kindheit verspüre ich den Drang, immer das genaue Gegenteil von dem zu tun, was die anderen tun. Das macht Spaß! Um auf den musikalischen Aspekt zurückzukommen: ich gebe offen zu, daß mich an Punk schon immer der Rock´n´Roll-Aspekt interessiert hat. Zwar wurde in den Achtzigern mit der Hardcore-Bewegung versucht, Punk von Rock´n´Roll zu trennen, aber das führte nur zu Bands wie MDC, die ein interessantes soziologisches Phänomen sind, aber keine Musik spielen, die wirklich Spaß macht. Oder kannst du dir vorstellen, daß jemand zuhause die Platten anhört, einfach aus Spaß am Zuhören? Nein, die sind eher was für den Soziologie-Unterricht an der Highschool. Da kannst du ein Referat über MDC halten und ihre Texte vor dem Hintergrund der politischen Situation Mitte der Achtziger analysieren

Andererseits geht es in deinen Texten aber auch nicht nur um Liebe und Mädchen, sondern du greifst auf zynische, überlegte Weise Themen auf.

Naja, aber das mache ich in erster Linie für mich selbst. Viele der Texte dürfte kaum jemand verstehen, weil sie zu speziell auf einzelne Erlebnisse oder Personen bezogen sind, aber das stört mich nicht. Wenn wir live spielen, reicht es mir völlig aus, wenn drei, vier Leute im Publikum meine Anspielungen verstehen. Jetzt, da unser Publikum größer wird, werde ich allerdings auch vermehrt mit Reaktionen konfrontiert, wo Leute richtig rummaulen, weil sie finden, meine Texte seien viel zu schwer zu verstehen oder ergäben keinen Sinn. Bei der neuen Platte ist es noch etwas krasser, denn da existiert erstmals ein Konzept, das ich vom ersten bis zum letzten Song durchziehe und das noch viel weniger Leute verstehen. Da wurden Leute schon richtig sauer, weil sie da nicht durchblicken.

Ach ja? Wie sieht dieses Konzept denn aus?

O.k. Es ist kein supertolles Konzept und ich will auch nicht angeberisch klingen, aber die Idee hinter "Love is dead" ist ungefähr folgende: Alle Songs drehen sich um das Thema Liebe bzw. verlorene Liebe. So wird aus einem Love-Song mittendrin ein Break-up-Song, und statt davon zu singen, wie es ist, morgens frischverliebt aufzuwachen, geht es um das Gefühl, sich schon frühmorgens völlig scheiße zu fühlen. Es ist blöd, das zu erklären, denn die Sache funktioniert eigentlich nur im Song selbst. Generell ist es mir wichtig, daß sich die Texte meiner Songs reimen, schöne Wortspiele haben und rätselhafte Anspielungen enthalten. Ich weiß, daß viele das für aufgesetzt und wichtigtuerisch halten, aber das stört mich nicht weiter. Es ist ja ein altes Ding in der Punkszene, daß es für suspekt gehalten wird, wenn man zugibt, daß man einen Song nicht nur rauskotzt, sondern richtig konventionell komponiert. Dabei ist dieses Verhalten völliger Schwachsinn, denn gerade aus der Punkszene kommen ein paar sehr gute Songwriter. Nimm zum Beispiel Pete Shelley von den BUZZCOCKS: seine Songs sind einfach perfekt, manche von denen rühren mich zu Tränen.

Das sind doch aber Aspekte von Musik, die nur sehr wenige Leute zu erfassen in der Lage sind. Du wirst in zwei Stunden hier oben in der Halle stehen und vor 8.000 Teenieblagen den Affen machen dürfen, von denen mit viel Glück fünf verstehen, was du willst.

Da hast du absolut recht, aber das paßt zu MR. T EXPERIENCE: dieses Konzert heute wird unsere Sammlung von Szenen aus dem Theater des Absurden um eine weitere Folge anreichern. Und vor diesem Hintergrund muß man natürlich fragen, was für einen Sinn es überhaupt macht, daß eine Band wie MTX existiert. Gar keinen, und schon deshalb sind wir Punk. Klar, heute abend wird keiner kapieren, was wir wollen, wer wir sind, aber das stört nicht weiter. Uns reicht als Belohnung die Genugtuung, daß nachher Tausende 30 Minuten lang unsere Musik ertragen müssen. Aber vielleicht wird in zehn oder zwanzig Jahren, wenn niemand mehr sich an MTX erinnern kann und wir als Penner am Straßenrand liegen, ein Sechzehnjähriger auf dem Flohmarkt eine zerkratzte MTX-Platte kaufen und völlig begeistert sein. Und dann wird er in einem Anfall von musikarchäologischem Eifer möglicherweise eine ganze Musikgattung neu entdecken. Mir ist sowas auch schon passiert: Ich habe Platten von mehreren Bands zuhause, von denen keiner, den ich darauf ansprach, zuvor gehört hatte. Ich denke da speziell an die SWELL MAPS, die Band von Nikki Sudden. In den Vorstädten Kaliforniens waren deren Platten nun wirklich nicht Alltagskost. Ich erinnere mich genau, wie ich die "Let´s build a car"-7" fand und alles daran cool war: das Artwork, die Musik, die Texte. Ich versuchte natürlich, alle SWELL MAPS-Platten aufzutreiben und verlor mich richtig in deren eigener, kleiner Welt. Anderen Leuten ging und geht das genauso. Elvis Costello erzählt zum Beispiel immer wieder, wie er für sich die Beat-Musik und Cole Porter wiederentdeckte.

Kannst du MTX mal mit einem Satz beschreiben?

Hm, o.k., ich hab´s: Wir sind ein Haufen Weirdos, die ein Teekränzchen stürmen und den Tisch mit dem ganzen guten Chinageschirr umschmeißen.

Warum nennst du die Band nicht "Dr. Frank Experience"? Du schreibst die Musik und die Texte, singst, gibst die Interviews und bist außerdem das einzig verbliebene Urmitglied.

Manche Freunde nennen MTX tatsächlich im Scherz "Dr. Frank Experience". Ich spreche von der Band manchmal als "MTX Starship", denn bei uns ist es wie bei JEFFERSON AIRPLANE, die später JEFFERSON STARSHIP und nach der xten Reunion mit nur noch einem Originalmitglied nur noch STARSHIP hießen.

Eure Platten wurden alle von einem gewissen Kevin Army produziert, dessen Name mir auch schon bei diversen anderen Punkbands aufgefallen ist. Was ist das für ein Typ?

Ha, das ist auch so ´ne Story. Ich war derjenige, der Kevin Army vor Jahren "entdeckte". Der arbeitete damals in einem kleinen Studio und ich rief da an um mich zu erkundigen, ob wir dort aufnehmen könnten. Zufällig war er am Telefon, und er sagte, er hätte bisher noch nicht mit Punkbands gearbeitet, aber man könnte es ja mal versuchen. Nach den Aufnahmen war für mich klar, daß ich nie wieder mit einem anderen Produzenten zusammenarbeiten will. Später machte ich ihn dann mit Larry von Lookout bekannt und nahm dort auch mit meiner anderen Band SWEET BABY JESUS auf, die unter dem Namen SWEET BABY zumindest an der Westküste einen guten Namen hatten. So kam es, daß dann auch OPERATION IVY mit ihm arbeiteten. Die hatten die Aufnahmen schon fertig, aber die klangen richtig übel, und erst durch Kevins Abmischung wurde die Platte so genial, wie sie jetzt ist. Interessant ist wirklich, daß Kevin rein zufällig ans Telefon ging, denn er arbeitete in diesem Studio mit einem gewissen Matt Wallace zusammen, der später als Produzent von FAITH NO MORE bekannt wurde. Wäre der rangegangen, sähe die Welt heute vielleicht ein bißchen anders aus. Kevin ist für mich wie ein zusätzliches Bandmitglied. Es gibt Produzenten, die sich kaum persönlich einbringen, aber er ist mit ganzem Herzen dabei. Ohne ihn wäre ich nicht in der Lage, meine Songideen umzusetzen.

So, das war´s, denn Dr. Frank wurde allmählich nervös: 8.000 hyperaufgeregte Kids steckt eben keiner so leicht weg.

Noch ein kurzer Nachtrag: GREEn DAY entschlossen sich nach nur wenigen Gigs, ihre Europatour wegen Unlust abzusagen. In Berlin liefen sie durch die Halle, gingen auf den Veranstalter zu, sagten, sie fänden seine Halle zu dreckig, und ließen sich mit dem Bus zum Flughafen fahren. Dort bstiegen sie ein Flugzeug gen Heimat. Das Resultat: Zig ausgefallene Shows und für MR. T EXPERIENCE 20.000 Dollar ungedeckte Kosten, sprich Schulden! Sowieso bestand der einzige Freundschaftsdienst seitens GREEN DAY, ihren alten Labelmates keine Kohle dafür abzuknöpfen, DASS sie mitspielen durften - bei Metalbands ist das durchaus üblich. Für Backstageräume, Catering etc. mußten MTX dagegen richtig löhnen. Und nicht nur das: In Italien wurde ihnen sogar der Zutritt zur Konzerthalle verweigert, so daß MTX sich für das eigene Konzert Karten kaufen mußten... Was lernen wir daraus? GREEN DAY sind dämliche Rockstars und in keinster Weise mehr Punkrock, was eh niemand mehr glaubte, auch zuvor nicht. Die von GREEN DAYs Plattenfirma in Bewegung gesetzte Lügenmaschine rollt übrigens sofort los: in Berlin wurde das Konzert aus "Krankheitsgründen" abgesagt.