Die neue Platte „In Stasis“ markiert eine echte Zäsur für die britischen Modern-Metaller: Der langjährige Frontmann Chris Barretto hat die britische Band ebenso verlassen wie Gitarrist Olly Steele. Neu dabei sind nun Sänger Andy Cizek, und auch Ex-Drummer Mike Malyan kehrte zurück. Wir haken bei Mastermind und Wunder-Klampfer John Browne mal zu den aktuellen Entwicklungen rund um die Prog-Durchstarter nach.
Jedes Album, das dieser Tage erscheint, ist zwangsläufig irgendwie durch die Umstände der Corona-Pandemie beeinflusst. Wie verhält es sich im Fall von „In Stasis“?
Das war natürlich auch so, aber in unserem Fall ein wenig speziell. Es gibt ja sehr viele Bands da draußen, die während der Pandemie außergewöhnlich kreativ waren und massig neues Material geschrieben haben. Weil die meisten ja keine Live-Shows spielen konnten. Wir haben mit den Arbeiten an der Scheibe tatsächlich aber erst dann angefangen, als hier in England schon wieder erste Lockerungen kamen. „In Stasis“ wurde zwischen Juli und November 2021 geschrieben, aufgenommen und fertiggestellt. Das hatte vor allem den Hintergrund, dass unser neuer Sänger Andy in den USA lebt. Und er konnte sich einige Zeit lang nicht einfach in ein Flugzeug setzen und rüberfliegen. Wir wollten die Songs aber auf jeden Fall gemeinsam fertigstellen. Es ist wichtig, sie mal gemeinsam gespielt zu haben, um zu sehen, wie sie sich anfühlen und ob sie funktionieren.
Es gab bei euch zuletzt diverse Line-up-Wechsel. Euer Ex-Drummer Mike ist zurück, Andy ist als Sänger neu dabei. Dafür haben Chris und Olly die Band verlassen. Wie schwierig war es, vor allem Andy, der in den USA lebt, in die Band zu integrieren?
Nun, Chris lebte ja auch in den USA. Wir hatten also schon ausreichend Erfahrungen mit der logistischen Herausforderung. Und es ist ja auch der Segen der Technologie, dass du heutzutage als Band trotzdem arbeiten kannst, auch wenn du auf unterschiedlichen Kontinenten lebst. Die Integration von Andy lief aber wirklich super einfach. Er hatte ja schon eine Tour mit uns als Fill-in-Sänger absolviert. Und du lernst jemanden dann wirklich kennen, wenn du mit ihm in einem Tourbus unterwegs warst, haha. Wir wussten, dass er ein super Sänger ist. Wir mussten dann nur noch schauen, wie wir miteinander klarkommen, wenn wir wochenlang auf einem Haufen zusammengepfercht sind. Da lief aber alles super entspannt.
Chris hat durchaus große Fußstapfen hinterlassen. Glaubst du, Andy kann diese in Zukunft ausfüllen?
Zunächst einmal ist es nie gut, wenn du versuchst, die Rolle eines anderen zu spielen oder jemanden nachzuahmen. Aber jeder gute Musiker realisiert auch, was eine Band ausmacht. Er erkennt den Kern, der den Sound definiert. Und diesen Kern will Andy bewahren. Er hat die alten Songs gelernt, ein paar Kleinigkeiten verändert. Aber die Fans werden das Material nach wie vor genießen können. Jeder muss am Ende seinen Platz im Gesamtkonstrukt finden – und Andy hat seinen schnell gefunden.
Hast du noch Kontakt zu Chris?
Wir alle lieben „The Amanuensis“. Das war Chris’ erste Platte. Und es gibt auch heute überhaupt keinen Grund, irgendetwas Negatives über Chris zu sagen. Er ist ein großartiger Sänger, Songwriter und Frontmann. Tatsächlich habe ich von ihm aber nichts mehr gehört, seit wir uns im Juli 2019 nach der Südamerikatour am Flughafen verabschiedet haben. Das liegt aber sicher nicht daran, dass wir uns nicht mehr mögen. Es war damals einfach der Zeitpunkt gekommen. Die Öffentlichkeit und viele Fans haben natürlich einen anderen Blickwinkel. Manche waren oder sind vielleicht sauer. Aber dabei vergessen die Leute gern unsere persönliche Situation. Manchmal funktioniert es eben einfach nicht mehr. Das passiert unter Menschen, auch unter Nicht-Musikern. Dass man einfach den Draht zueinander verliert. Aber das ist völlig okay.
Auch Olly hat die Band verlassen. Macht ihr künftig mit dir als alleinigem Gitarristen weiter?
Ja, wir bleiben erst mal zu viert, mit mir als alleinigem Gitarristen. Das ist am Ende auch eher eine technische Frage. Viele Parts, die Olly und ich gespielt haben, waren tatsächlich sehr ähnlich. Weil sie natürlich auch sehr rhythmusorientiert waren. Natürlich muss ich mir nun überlegen, wie wir das künftig live hinbekommen. Ich werde wahrscheinlich zwei Amps benutzen und eine kleine Verzögerung im Signal einbauen, so dass es ungefähr wie zwei Gitarristen klingt. Und wir werden auch den Bass in den Passagen, in denen Leads gebraucht werden, über einen Gitarren-Amp laufen lassen. Es ist ein bisschen Getüftel, aber es ist machbar. Ende 2014, auf der Tour mit Devin Townsend, hatte Olly nach sechs Tagen in Kanada seinen Pass verloren. Er konnte somit nicht in die USA einreisen. Damals habe ich schon notgedrungen mit der Zwei-Amp-Lösung experimentiert. Und festgestellt, dass das ganz gut klingt. Außerdem kommen wir vier in der Band einfach super miteinander klar. Und wir wollen uns diese Euphorie, die wir gerade verspüren, bewahren. Wir haben uns deswegen bislang nicht mit dem Thema eines weiteren Gitarristen auseinandergesetzt. Vielleicht machen wir das in der Zukunft, es ist nicht ausgeschlossen. Aber aktuell besteht kein Bedarf.
Gab es noch etwas abseits von MONUMENTS, mit dem du dich in den vergangenen zwei Jahren beschäftigt hast?
Nachdem unser Album „Phronesis“ 2018 rauskam, hatte ich eine Website namens Riffhard gegründet. Dort gibt es Online-Gitarren-Tutorials. Und tatsächlich habe ich in den vergangenen zwei Jahren da viel Arbeit reingesteckt. Denn offensichtlich haben viele Leute während der Pandemie festgestellt, dass sie gern Gitarre lernen wollen, vermutlich weil sie plötzlich die Zeit dafür hatten. Ich habe die Website dann so ausgebaut, dass sie mittlerweile das bietet, was ich mir vorstelle. Dadurch habe ich tatsächlich mittlerweile auch ein regelmäßiges Einkommen. Und es ist unfassbar, wie es sich anfühlt, wenn du dir nicht jeden Monat überlegen musst, wie du deine Miete bezahlst. Vor der Pandemie hatte ich ehrlich gesagt finanziell immer eine Ungewissheit. Ich hatte nicht wirklich Rücklagen oder genug Geld mit meinen Bands verdient. Ich musste in der Vergangenheit öfter mal Gitarren oder Equipment verkaufen, um meine Miete zu bezahlen. Das ist jetzt nicht mehr so, und dafür bin ich sehr dankbar.
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