MENZINGERS

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Ein wenig Wahrheit

THE MENZINGERS sind ein Phänomen. Das Punkrock-Outfit haben sie längst hinter sich gelassen und lassen bereits seit Jahren anderen Einflüssen den Vortritt. Und trotzdem oder gerade deswegen sind THE MENZINGERS so eine verdammt spannende Band, die sich nicht verbiegt und konsequent ihren Weg geht. Auch wenn man es manchmal nicht für möglich halten würde, schafft es das Quartett aus Scranton, Pennsylvania immer wieder sich selbst zu übertreffen. Wo „Hello Exile“ vor über drei Jahren wie das Maß aller Dinge erschien, schicken sie sich nun an, mit „Some Of It Was True“ sämtliche bisher aufgestellten Superlative mit Leichtigkeit zu übertrumpfen. Bruce Springsteen, der Boss, wäre stolz auf dieses Album. Wieso THE MENZINGERS eine solche Konstanz an den Tag legen, kann uns Co-Frontmann Tom May zwar nicht beantworten, aber er steht uns für alle weitere Fragen Rede und Antwort.

Euer neues Album wird „Some Of It Was True“ heißen, ein sehr kryptischer Name. Was hat es damit auf sich?

Vieles von dem, was wir hören und sehen, sind die Erfahrungen und Eindrücke von anderen Menschen, von Menschen, die wir kennen oder eben nicht kennen, es sind Meinungen, die wir teilen oder eben nicht. Erfahrungen, die gesammelt wurden und die zu Geschichten werden. Geschichten, an denen nicht immer alles wahr sein muss, aber in denen oft viel Wahres steckt. Wir versuchen, auf „Some Of It Was True“ Geschichten und Erfahrungen aus dem Blickwinkel von anderen Menschen zu erzählen. Sozusagen aus der Erzählerperspektive. Das schafft eine gewisse Form der Freiheit und des Interpretationsspielraumes. Das heißt nicht, dass die Dinge, über die wir singen, dabei frei erfunden sind, im Gegenteil, es sind alles Dinge, die uns so oder in ähnlicher Form auch schon passiert sind, aber eben aus einer anderen Perspektive betrachtet und vorgetragen.

Wann habt ihr angefangen, euch mit dem neuen Album auseinanderzusetzen?
Das war im letzten Jahr nach unserer Tour. Als die Pandemie soweit durchgestanden war und alles wieder geöffnet wurde, sind wir quasi sofort auf Tour gegangen und haben versucht, vieles nachzuholen, und haben uns den Arsch abgespielt. Nachdem wir von der Tour zurück waren, haben wir uns fast sofort in unseren Proberaum zurückgezogen und angefangen, alle Ideen zu sammeln, alle Demos überarbeitet und wirklich intensiv an „Some Of It Was True“ gearbeitet.

Euch gibt es mittlerweile verdammt lange und ihr steigert euch von Album zu Album, was ist eure Erfolgsformel?
Ich glaube, das Geheimnis liegt im gegenseitigen Respekt füreinander. Wir sind zusammen aufgewachsen und haben gelernt und akzeptiert, wie der jeweils andere so tickt. Wir wollen alle in die gleiche Richtung, wir haben uns irgendwann zusammengesetzt und uns selbst die Frage gestellt, ob wir wirklich den Fokus gänzlich auf die Musik legen sollen. Die Antwort war bei jedem die gleiche und so blieb uns quasi keine andere Option, als unsere chaotische Arbeitsweise voranzutreiben und alles für unsere Musik zu geben. Unsere gemeinsamen Erfolge haben uns dabei natürlich noch mehr zusammengeschweißt.

„Some Of It Was True“ hat einen völlig anderen Vibe als „Hello Exile“. Kannst du erklären, woher dieser Stimmungswechsel kommt?
Das Album ist sehr roh und auf die essentiellen Elemente reduziert. Wir haben keine zwanzig Gitarrenspuren mehr und diesmal einen viel direkteren Ansatz gewählt. Ich glaube, das überträgt sich auch auf die Stimmung des Albums, auch wenn es „nur“ ein technischer Aspekt ist. Des Weiteren sind wir auch einfach andere Persönlichkeiten, als wir es noch bei „Hello Exile“ waren. Das Leben steht nicht still und man entwickelt sich weiter. Situationen, die uns damals beschäftigt haben, spielen nur noch eine sehr kleine Rolle und heute gibt es andere Dinge, die man abarbeiten muss. Ich glaube, diese Kombination macht das Album aus. Wir haben diesmal auch besonders auf die Live-Tauglichkeit der Songs geachtet und somit das meiste auch live im Studio eingespielt. So können wir die Lieder nachher auf der Bühne auch einfach besser rüberbringen.

Brad Cook hat als Produzent agiert. Wie ist eure Beziehung zu ihm? Immerhin gilt er als Ikone seines Fachs.
Wir sind Chaoten. Brad kann dieses Chaos ordnen und ist ein fantastischer Musiker mit einem extrem feinen Gespür für tolle Melodien und gute Songs. Wir sind mittlerweile gute Freunde und fühlen uns auch auf emotionaler Ebene extrem miteinander verbunden. Er hat genau verstanden, was wir uns für „Some Of It Was True“ vorgestellt haben, und hat mit uns den richtigen Weg eingeschlagen. Wir haben die Geschichten, die hinter den Songs stehen, und die Texte dazu sehr intim und intensiv besprochen und so gemerkt, welcher emotionale Kontext für das Album nötig war. Da floss dann auch die eine oder andere Träne, aber was gibt es denn Schöneres, wenn dich etwas so stark berührt?

Ihr habt „Hope is a dangerous little thing“ als erste Single ausgewählt. Was hat euch dazu bewegt?
Der Song ist wirklich der Wegweiser für das Album. Wir wollten etwas Schnelles, Melodiöses, Singalong auf die Zwölf, was zwar typisch THE MENZINGERS ist, aber dennoch auch die neuen Aspekte unserer Musik aufzeigt und so die Schnittmenge des Albums gut wiedergeben kann. Bei dem Song war eigentlich sofort klar, dass er die erste Single sein würde. Der Song beschreibt uns auch sehr gut. Wir haben es meist satt zu warten, wir wollen gleich mit allem raus und zeigen, was so abgeht. Die Energie des Songs steht für uns als Band.

Man hört dem Album an, dass Bruce Springsteen ein großer Einfluss für euch ist. Welche musikalischen Einflüsse haben dich persönlich am meisten geprägt?
Ich bin relativ spät auf Bruce Springsteen gestoßen. Ich meine, er lief im Radio hoch und runter, als ich ein Kind war, aber ich hatte damals noch nicht den Zugang, wie ich ihn heute habe. Man hat ja damals mitbekommen, was im Radio lief oder was die Eltern und Freunde so gehört haben. Bei mir war es so, dass in meinem Elternhaus oft Billy Joel und GENESIS liefen, das hat mich geprägt. Mein Großvater hat selbst traditionellen irischen Folk gespielt, das hatte sicher auch einen Einfluss auf mich. Auch Kirchenmusik hat damals definitiv eine Rolle gespielt.

Euer neues Album kommt digital im Oktober raus, physisch, also auf Vinyl, aber erst im Januar 2024. Ich dachte, die Vinylkrise ist soweit vorbei? Was ist da los? Habt ihr Angst, dadurch Verkaufszahlen einzubüßen?
Ehrlich gesagt gebe ich selbst auf eine Vinylversion unserer Platte nicht wirklich viel. Ich glaube nicht, dass es ein Risiko ist, den digitalen und den Vinylrelease an unterschiedlichen Tagen zu machen. Die Musikwelt ist leider heutzutage voll auf digitale Musik ausgelegt. Der normale Hörer braucht keinen physischen Release mehr. Ich betrachte zum Beispiel Vinyl viel mehr als Fanservice und kann verstehen, wenn sich Leute über eine Platte freuen, aber ich kann da auch nicht für die gesamte Band sprechen. Die Kunst wird quasi über das Vinyl manifestiert. Aber die Musik und die Geschichte dahinter bleiben am Ende etwas, das kein physisches Vehikel benötigt, solange es eine Emotion in dir auslöst.