MARPLES

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Mord ist ihr Hobby

Harte Jungs und alte Damen nehmen selten ein gutes Ende. Fast immer betrifft das schlechte Ende die alten Damen. Nur Miss Marple hat es immer geschafft, sowohl harte als auch schwere Jungs kaltzustellen. Die Crimepunker THE MARPLES sind zwar durch die brutale bayrische Schule auch harte Jungs geworden, aber haben doch eine Schwäche für ältere Damen beibehalten. Ob Miss Marple allerdings ihre eigenwillige musikalische Mischung aus Trash, Junk, Powerpop, Punk, NDW und Was-weiß-ich-was mit bayrisch-englischem Gesang gutheißen würde, bleibt dahingestellt. Ihr aktuelles Album „Another Body Murdered“ ist für alle anderen auf jeden Fall ein Tipp. Fränk, Mastermind und Sänger der MARPLES, stand Rede und Antwort.

Dem Bandnamen nach sind THE MARPLES kleine alte Damen mit einem Hang zum Mord. Welche Rolle spielen Mord und Gewalt für euch?

Der Bezirk von Kronach-City, in dem ich aufgewachsen bin, war die zu recht berüchtigte „Westside“, das Ghetto der Stadt, und da waren Blut und Gewalt durchaus keine Seltenheit und haben mich meine Kindheit und Jugend über begleitet. Bei Kollege AK 47 war es der „Lindenblock“ in Ebensfeld, nahe dem legendären Irrlicht. Irgendwie prägt das ganz automatisch und wird zwangsläufig zu einem Teil deiner Biografie.

Also ist Bayern doch gefährlicher, als man allgemein denkt. Da sind Neukölln oder der Gaza-Streifen anscheinend nichts dagegen. Wie habt ihr das überlebt?

Von Bayern, speziell vom Bayern nahe der ehemaligen Ostgrenze, hörst du immer nur derartige Geschichten, dass jeder Polizist jede Katze jeder alten Frau mit Namen kennt, weil er sie schon mindestens viermal von einem Baum geholt hat, und dass das alles ist, was er macht. Gerade in den katholischen Gemeinden im grenznahen Gebiet waren in den Achtzigern Gangbildungen, politische Streetfights oder ganz banale Straßenbrutalität an der Tagesordnung. Das hat vor lauter Kreuzwegen und Sebastiani-Andachten wohl entweder keiner gemerkt oder es wurde geschickt unter den christlich-sozialen Teppich gekehrt. Eine Misereor-Aktion der Katholischen Jugend lässt sich halt einfach besser verkaufen als blutig geschlagene Gang-Mitglieder im Viertel. Überleben kannst du da nur mithilfe deiner Rock’n’Roll-Familie – und der einen oder anderen Stunde auf der Hantelbank.

Woher kommt euer Bandname?

Der kommt natürlich von der absoluten Crime-Göttin Miss Jane Marple. Wir wollten uns eigentlich erst JANES ENKEL nennen und politischen Deutschpunk machen, haben uns dann aber für die internationale Variante mit einem „THE“ im Bandnamen entschieden, weil wir unseren Senf über die ganze Welt verbreiten wollen und der Rock’n’Roll unsere Sprache ist.

Seht ihr euch als Opfer von Schundliteratur und B-Movies?

Weniger als Opfer, vielmehr als Junkies. Wir sind und waren schon immer große Fans von beispielsweise sämtlichen Edgar Wallace-Romanen und -Filmen. Vor allem die späteren Werke, die teilweise leider schon in Farbe abgedreht wurden, behandeln alle großen Rock’n’Roll-Themen wie Sex and Crime and Violence. Aber es ist natürlich eine besondere Perspektive, wenn man selbige Täler auch persönlich durchschritten hat.

Das klingt spannend. Erzählt mal mehr.

Vor allem in den Wallace-Filmen der späten 60er Jahre spiegeln sich Geschichten des Lebens wieder, die sich durchaus in unseren Vierteln zwanzig Jahre später genau so oder sehr ähnlich abspielten. Exemplarisch seien hier „Der Gorilla von Soho“, „Das Geheimnis der grünen Stecknadel“ oder „Das Rätsel des silbernen Halbmonds“ genannt. Du schaust dir die Filme an und erkennst deine Jugendzeit. Das ist schon sehr speziell. Ähnlich muss es unseren Eltern gegangen sein, als sie zum ersten Mal „Irgendwie und sowieso“ gesehen haben. By the way, nicht umsonst wurde AK 47s „Lindenblock“, das „Soho von Ebensfeld“ genannt, da war der Name einfach Programm und der Soundtrack zur Gewalt war die Überhymne „Paul“ der Giganten TRIO: „Das ist die Art von Gewalt, die wir sehn wollen, wenn auch nicht spüren wollen ...“

Ihr kommt aus dem tiefsten Bayern. Wie ist das auszuhalten?

Block ist Block und Viertel ist Viertel. Egal, ob in Bayern, New York, London oder Paris. Da bestimmt der Bezirk das Leben, und du bist selbst deines Glückes Schmied, und wie lange du das aushalten kannst, liegt alleine an dir.

Wo habt ihr bisher gespielt und wer hat euch beeinflusst?

Bespielt haben wir eigentlich schon alles. Soll heißen, dass vom Wartesaal im Bahnhof über den Lkw-Anhänger und dem American Diner bis zum Stadion schon ziemlich jede Lokalität dabei war. Als Kinder der Achtziger Jahre sind unsere Einflüsse natürlich unter anderem all das, was zu dieser Zeit laut und wild war, als da wären die deutsche Metal-Riege von RUNNING WILD bis zu den frühen HELLOWEEN. Genauso natürlich wie sämtliche internationale Größen à la MOTÖRHEAD, den RAMONES und natürlich den einzigartigen SLOPPY SECONDS, unserem wahrscheinlich größten Einfluss.

In eurer Musik bedient ihr euch bei Pop, Surf, Gospel, Punk, Trash, Neue Deutsche Welle, 60s, B-Movies, Powerpop. Gibt es ein Konzept oder entsteht eure Art der Musik eher aus dem Bauch heraus?

Es sind die Lieder, die das Leben schreibt und die besitzen dieselbe wunderbare Vielfalt wie das Leben selbst. Also kein Konzept, alles Leben, alles Bauch!

Der Gesang von dir, Fränk, klingt wie Englisch mit bayrischem Akzent. Ist das so von euch gewollt oder einfach schlechtes Englisch?

Der Colonel Fränk hatte nach seinem Englisch-Colloquium – Abschluss: 13 Punkte gleich „sehr gut“ – seine frühe Drogenphase und von selbiger und einer schlechten Tattoonadel diesen Sprachfehler übrig behalten, der unseren Sound natürlich einzigartig macht. Außerdem kreiert jeder wahre Künstler sein Englisch selbst. Hör dir Liam Gallagher, Lemmy Kilmister, Joey Ramone oder den großen B.A. Sloppy an: jeder ein anderes Englisch, jedes einzigartig und jedes supergeil.

Wo seht ihr euch am ehesten musikalisch? Wo soll’s hingehen?

Wichtig für uns ist, dass die Stilmittel, auf die wir selbst stehen, also dicke Gitarrenwände, Melodien ohne Ende, derber Leadgesang, mächtige Chöre und natürlich 80er-Jahre-Melodic-Soli, sich musikalisch wie der berühmte rote Faden durch die Songs ziehen, und dass wir trotz unseres deutlich erkennbaren eigenen Stils immer in der Lage sind, ein gewisses Spektrum zu zeigen. Bei den Texten wirst du nie irgendwelchen Kunstscheiß hören, sondern immer nur Geschichten, in denen es um die herrlichen kleinen Details geht, die das Leben ausmachen.