Irgendwann gehen wir alle zur Hölle. Die Hölle ist tief in uns drin. Die Hölle, das sind wir und die anderen. Irgendwann fahren wir alle zur Hölle – einige Schauspieler und Filmhelden haben uns das schon vorgemacht. Oft nicht besonders sanft. Pussy Galore, John Rambo, Dr. Slaughter, Geheimagent Colonel Flagg aus „M*A*S*H“ schmoren in der Hölle. Sie und viele andere werden musikalisch auf dem neuen Album „Hell & Damnation“ der Trucker- und Pop-Punks THE MARPLES zur Hölle geschickt. Da gibt es keine Wolken in der ewigen Verdammnis. Manchmal liegt die Hölle auch mitten in Kronach, in der bayrischen Provinz. Fränk Marple (Gitarre, Gesang) und seine Bandkollegen „AK47“ Marple (Gitarre und Gesang), Lord Victor Marple (Bass und Gesang) und Rü del Gado (Schlagzeug) machen jetzt zum dritten mal in D.I.Y.-Manier klar, wie heiß Sünde brennen kann. „Hell & Damnation“ gibt es aber nur musikalisch. Fränk Marple stand Rede und Antwort. Die Hölle, das ist Punkrock. Die Hölle, das sind Tattoos. Gelegentlich ist es auch Miss Marple. Aber wer weiß das schon.
Glaubst du, Miss Marple schmort in der Hölle?
Sie schwebt definitiv auf einer geilen Turbowolke direkt neben Charles Bronson, Jeremy Brett und Joey Ramone, einen derben Gin oder wahlweise einen samtigen Port von 1902 in den vom Leben gegerbten und dennoch eleganten Händen, und blickt milde lächelnd auf die Freaks und Schweinehunde, die im Fegefeuer vor sich hin schmoren und leiden, bis die Seele stirbt – great!
Gibt es eine Verbindung zwischen der netten alten Dame, die Mordfälle aufklärt, und der Hölle und ewigen Verdammnis?
Zwei extrem leckere Longplayer der leckersten Trucker-Punkband der westlichen Hemisphäre – also von uns. MARPLES befassen sich mit diesen Themen, das muss die Verbindung sein.
Mord, Verdammnis – und Pop-Punk. Wie passt das alles zusammen?
Pop-Punk – oder in unserem Fall eher Truckerpunk – muss ja nicht heißen, dass man über nichts als Surfen, Highschool-Abschlussbälle und die Probleme brustimplantierter Blondinen an kalifornischen Stränden singt. Die Dinge müssen stimmen. Warum nicht eine Hymne an die „Boondock Saints“, eine In-die-Eier-Rock’n’Roll-Nummer über die „Rote Maske“ von Edgar Allan Poe, oder eine Hammer-Countryballade über den „Ice Truck Killer“-Buck. Man sollte immer und ausschließlich machen, wozu man Lust hat und hinter dem man steht. Authentizität kicks butt!
Was ist das Besondere an den MARPLES?
Wir spielen astreinen Sixties-Trucker-Punk, das heißt, wir schreiben Soundtracks für die ultimative Fahrt im Ford Mustang Cabrio, Wind in den Haaren, die Hand an ihrem Schenkel und die Kiste Bier und ein kleines Fläschchen Absinth auf dem Rücksitz. Wir schreiben nur über Sachen, die wir gut finden oder extrem scheiße, ob populär oder nicht, ist uns egal. Wir scheißen eigentlich auf ziemlich viel und finden Melodien, mehrstimmige Vocals und Achtziger-Metal-Soli nicht peinlich, sondern supergeil. Im Endeffekt wollen wir kein Klischee bedienen. Wir wollen vielmehr ein neues Klischee definieren.
Und was wird wohl mal auf eurem Grabstein stehen?
Nicht irgendwelche Daten, sondern ein Statement wäre nett. Mir fallen da die Vocalparts von dem Song „Ice truck fuck hardcore“ auf unserer neuen Scheibe ein: ein Trackdropping einer unserer Lieblingsbands THE LEGENDARY SHOTDOWNS. Sie lautet: „Jesus was a drinker, had a doublefuck tonight, faded flowers and a shotdown in the sun, four Ave Marias, our Cowcore-pride, wild women and whiskey rock, my son“ – der perfekte Grabsteintext.
Wo siehst du euren Platz, im Himmel mit Miss Marple teetrinkend oder in der Hölle mit den lustigen Jungs?
Auf jeden Fall da, wo die Drinks kühler, die Rib-Eye-Steaks saftiger und die Pilze bekömmlicher sind. Wenn dann noch der „King of Trash“ Else Admire in der Nähe steht und mit den BREITENGÜSSBACH DOLLS „C’mon baby let’s rock“ oder „Kalle aus Halle“ singt, dann sind wir da genau richtig, egal ob der Weg nach oben oder unten führt.
Was war euer größter Erfolg bisher?
Für uns ist es durchaus ein Riesenerfolg, nach „The Spooky Lullabies Of Dr. Mabuse“ und „Another Body Murdered“ mit „Hell & Damnation“ nun den dritten Longplayer im D.I.Y.-Style aufnehmen und veröffentlichen zu können. Außerdem können und konnten wir immer mit Bands spielen, die wir selbst super finden, wie MIKABOMB, LEGENDARY SHOTDOWNS, THE BONES, THE GO FASTER NUNS, VIC DU MONTES, SMOKE BLOW etc. Die Freiheit, das zu machen, was man will, und sich nach nichts und niemanden richten zu müssen und trotzdem gewollt zu sein, ist wohl der größte Erfolg, den man sich als Musiker wünschen kann.
Wieso hat es bis zu eurem neuem Album so lange gedauert?
Wir hatten gerade angefangen, die Demos für die neue Platte aufzunehmen, als wir das Angebot bekommen hatten, als eine der „Rock in Oberfranken“-Bands eine Tour durch Nordbayern zu machen. Also haben wir das gespielt, was wirklich eine absolute Supersache war, dann noch Release-Gigs bei Freunden und so kam eins zum anderen und es ist ruckizucki eine Menge Wasser den mächtigen Mississippi hinuntergeflossen. Erst als wir uns selbst ein konsequentes Auftrittsverbot auferlegt hatten, ging es zügiger voran und die neue Scheibe hat ziemlich flott Gestalt angenommen. Und „D.I.Y. ’til we die“ ist zwar die mit Abstand beste Maxime fürs Recorden, definitiv aber nicht so flott, wie irgendwo ins Studio zu gehen und loszulegen. Umso glücklicher sind wir jetzt mit dem Endergebnis.
Gibt es für dich eine Verbindung von Tattoos und Musik?
Es gibt sicherlich einige supergeile Musikbastarde, die authentisch tätowiert sind. Wie Dregen von den BACKYARD BABIES zum Beispiel, Ginger von den unglaublichen WILDHEARTS natürlich, oder auch Nikki Sixx – oder besser gesagt sein Penis –, aber auch solche, die sich irgendwelche pseudo-bedeutungsschwangeren Motive stechen lassen. Ich denke da an die SLIPKNOT-Heulsuse Corey Taylor zum Beispiel ... Aber es gibt natürlich auch hervorragende nicht tätowierte Bands, wie zum Beispiel die mächtigen SLOPPY SECONDS. Trotzdem glaube ich, dass der Tätowiertenanteil unter Musikern schon hoch ist, nicht zuletzt wegen des oben erwähnten Rebellenstatus’, und schließlich sind Tattoos und Musik beide für sich wunderbare Kunstformen.
Was ist wichtiger in eurem Leben: Musik oder Tattoos?
Eindeutig die Musik. Denn nicht umsonst heißt es über sie: „Du holde Kunst, in wie viel grauen Stunden, wo mich des Lebens wilder Kreis umstrickt, hast du mein Herz zu warmer Lieb’ entzunden, hast mich in eine bessre Welt entrückt!“ Auch mein zweitliebster Wiener Falco visionierte die einzig wahre Bedeutung von Musik und Banddasein: „Sie machen History, denn sie sind scharf wie nie, the first pre-elected Rock’n’Roll Band ...“
Muss ein echter MARPLES-Musiker zugetackert sein?
Nein. Das Bild eines gutaussehenden Schweinehundes abzugeben, ist da eher maßgeblich. Ob man das durch einen Bruce Lee-Catsuit und Chakos, einen gepflegten Oberlippenbart plus Pornobrille, antike Männeraccessoires oder ein geschmeidiges Tattoo erzielt, ist egal.
Du bist generell sehr tattoobegeistert. Woher kommt das?
Nachdem ich 1992 das erste Mal das Video zu „Punishment“ von BIOHAZARD gesehen habe, war mir vollkommen klar: so was muss ich auch haben. Auch in den Achtziger Jahren waren ja sowohl in der Punk- und Hardcore- als auch in der Metal-Szene die am stärksten Tätowierten immer die größten Rebellen. Je mehr Tattoos, desto größer der imaginäre Stinkefinger, und so wollte man halt auch sein. Zehn Jahre später habe ich dann das erste Tattoo gestochen bekommen und ab da immer so weit die Kohle reicht.
Wie sind deine ersten Tattoos entstanden?
Da waren wir eigentlich schon immer stilsicher und geplant. Aber bei unseren Leidenschaften für Freaks und B-Movie-Heroes und dem damit verbundenen Gespür für eine starke Optik ergeben sich zwangsläufig Motive, die einem quasi ins Auge springen. Zum Glück hatten und haben wir auch immer sehr talentierte und verständnisvolle Grafiker im unmittelbaren MARPLES-Freundeskreis, so dass der Weg vom ersonnenen Motiv bis zur stechreifen Version nie besonders weit war. Bis zum ersten Motiv hat es auch gedauert, aber ab dann ging es immer rasend schnell.
Welche Motive lässt du dir stechen?
Los ging es bei mir mit einem legendären Joker-Porträt, und sofort war klar, dass Poison Ivy und der Riddler auf denselben Arm müssen. Irgendwann sollen dann auf die Arminnenseite noch der Pinguin, Two-Face und Catwoman kommen. Dann natürlich die BEATLES und zwar im lupenreinen Comic-Style mit dem „Magical Mystery Tour“-Motiv auf der Wade und klassische Rock’n’Roll-Geschichten mit ausschließlich persönlichen Elementen auf dem Oberarm. Mein geliebtes Hochzeits-Tattoo und die „Boondock Saints“-Maximen auf den Händen, aber weitere Ideen im Wert von 3.000 Euro sind im Kopf bereits fertiggestellt. In absehbarer Zeit sind Finger und Hals fällig.
Geht für dich Subkultur ohne Tattoos?
Jede Subkultur sollte über genug Dynamik und Inhalte verfügen, um ohne Trademarks auszukommen. Sonst ist sie nichts wert, und Tiefe können Tattoos einer Subkultur auch nicht verleihen – die muss sie schon von sich aus bieten.
Was hältst du von der aktuellen Tattoo-Mode?
Das gleiche wie von jeder gehypeten und kommerzialisierten Mode: einen Dreck. Wer sich nur was stechen lässt, weil man das braucht, um hip zu sein, der sollte es lassen, weil das dämlich ist. Auch Nonkonformismus kicks butt!
Gibt es ein MARPLES-Tattoo-Motiv?
Wenn du die Motive von unserem bewusst sehr aufwendig gestalteten Artwork von „Hell & Damnation“ im Kopf hast, ist eigentlich fast jedes ein astreines MARPLES-Tattoo-Motiv. Sie sind sämtlich selbst entwickelt und passend zu den Texten gestaltet, und von unserem Haus- und Hofgrafiker Chris Killer von Killerartworx perfekt umgesetzt worden. Das hängt eben auch extrem mit unserem Nerd-Dasein und der damit verbundenen Detailverliebtheit zusammen.
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #83 April/Mai 2009 und Lars "Abel" Gebhardt
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #102 Juni/Juli 2012 und Igor Eberhard