Frontmann Andrea von den MANGES aus La Spezia, einem beschaulichen Ort mit 100.000 Einwohnern an der Westküste Italiens, kam bereits im Jahr 2000 im Ox zu Wort. Es gibt viele gute Gründe, den RAMONES-Liebhaber nach knapp 13 Jahren wieder einmal zu interviewen. Schließlich hat sich der Musikmarkt in den letzten Jahren doch erheblich gewandelt. Seine Band ist immer noch weltweit unterwegs und kann 2013 zwanzigjähriges Jubiläum feiern. Da ihn das offenbar nicht auslastet, hat der alte Haudegen inzwischen auch noch einen Mailorder am Start und sich auch als Produzent für einige italienische Bands verdient gemacht.
Wie würdest jemand, der euch nicht kennt, deine Band beschreiben?
Die MANGES sind eine Punkrock-Band aus Italien, die stark von den RAMONES beeinflusst wurde und mit viel Leidenschaft, persönlicher Hingabe und großen Herzen am Start ist.
Ohne die RAMONES hätte es also die MANGES nie gegeben?
Die RAMONES haben uns veranlasst, selbst musikalisch aktiv zu werden. Wir haben 1993 begonnen und waren absolute Anfänger. Mass und Manuel wollten eine Band im RAMONES-Stil gründen und haben noch Mitstreiter gesucht. Und da ich zu dieser Zeit regelmäßig mit meinem RAMONES-T-Shirt durch La Spezia gerannt bin, haben sie mich angesprochen. Wer weiß, ohne mein RAMONES-Shirt wäre ich vielleicht nie in dieser Band gelandet.
Und wo kommt der Bandname her?
„Mange“ ist der englische Begriff für Räude, eine parasitäre Hauterkrankung bei Tieren, vor allem bekannt bei Hunden. Das fanden wir damals irgendwie sehr passend.
Euren Bandfotos nach zu urteilen, scheinen Streifen-T-Shirts euer Markenzeichen zu sein.
Als wir angefangen haben, wollten wir irgendwas haben, was uns auch optisch verbindet. Wir fanden es schon cool, so eine Art Band-Uniform zu haben und damit eine richtige Gang zu sein. Ein Freund kam dann mit den gestreiften T-Shirts an. Das fanden wir extrem lässig, zumal es das im Bereich Punkrock damals nach unserer Einschätzung nicht noch ein zweites Mal gab. Auch heute gilt noch: Ohne gestreifte T-Shirts keine richtige MANGES-Show.
Beim Betrachten eurer Diskografie fällt auf, dass ihr in knapp zwanzig Jahren zwar viele Singles herausgebracht habt, aber gerade mal drei Studioalben.
In den ersten Jahren haben wir uns als 7“-Band gesehen. In den Neunzigern sind die CDs richtig durchgestartet, aber mit diesem Format konnten wir uns damals nicht wirklich anfreunden. Wir waren früher totale Fans von den Veröffentlichungen des Mutant Pop-Labels, dort sind viele tolle Singles rausgekommen. Wir hatten den Plan, über die Singles so eine Art Kultstatus zu bekommen. Wir finden, dass „MANGES“ und „Singles“ eine tolle Kombination ist. Wir sind damals regelmäßig ins Studio gegangen, haben immer so fünf bis sechs Songs eingespielt und die dann auf zwei Singles veröffentlicht. Wir haben das alles auch ein bisschen als Sammlersache gesehen. Hier mal eine Single mit Sticker und Badge, da mal eine mit Poster, ab und an natürlich auch farbiges Vinyl.
Zieht ihr das immer noch durch?
Wir veröffentlichen immer noch gerne Singles, aber das machen wir nicht mehr so exzessiv wie früher. Man darf nicht vergessen, dass sich die Zeiten doch erheblich geändert haben. Damals haben wir Singles weltweit auf vielen verschiedenen Labels rausgebracht, darunter auch solche, die nach drei oder vier Veröffentlichungen wieder von der Bildfläche verschwunden sind. Damals war das noch eine gute Möglichkeit, international bekannter zu werden. Über diese Veröffentlichungen sind Leute in England, in Frankreich, in den USA und auch in Japan auf uns aufmerksam geworden. Jeder, der damals bei uns angefragt hat, hat Songs für Singles, Split-EPs oder Compilations von uns bekommen. Es war irgendwie schon eine verrückte Zeit.
Und wie sieht es heute aus?
Durch das Internet und seine ganzen Möglichkeiten hat sich der Musikmarkt erheblich geändert. Wir hatten das Glück, dass wir bereits recht früh eine sehr ordentliche Band-Homepage an den Start bringen konnten. Anfang 2000 waren wir hier schon sehr aktiv, weil wir auch die Chancen sahen, die mit einer entsprechenden innovativen Kommunikation verbunden waren. Das eröffnete viel mehr Möglichkeiten. Für unsere Englandtour 1998 haben wir viele Monate vorher mit den Vorbereitungen begonnen. Wir haben Briefe nach England geschickt, um die Gigs klarzumachen. Ein Brief dauerte damals noch ca. zehn Tage hin und zehn Tage zurück. Wochenlang habe ich dem Briefträger aufgelauert wegen der Antworten aus England. Das alles zu koordinieren, war schon sehr aufregend. Aber auch extrem aufwändig. Ein Vorgehen, das heute für junge Bands wahrscheinlich undenkbar ist. Also, das Internet bietet natürlich schon enorme Erleichterungen, aber ich bin auch froh, dass wir als Band fast schon zwanzig Jahre aktiv sind und einen gewissen Bekanntheitsgrad erreicht haben. Ich wüsste heute nicht, wie ich mich als neue, unbekannte Band ins Gespräch bringen sollte. Wie fällt man heute noch auf? Wie kann man heute im Hinblick auf die Band-Promotion noch etwas Spezielles bringen? Viele junge Bands haben tolle Band-Homepages, sind bei Facebook aktiv und bringen auch live respektable Shows zustande, aber schaffen es trotzdem nicht, größere Bekanntheit zu erlangen.
Ihr seid gerade zurück von einer kurzen Japantour zusammen mit den APERS, wie war’s?
Alle Bands, die aus Japan zurückkommen, schwärmen immer davon, dass es eine wundervolle Erfahrung war, durch dieses Land zu touren. Wir waren als Band das erste Mal in Japan und wir wussten nicht genau, was uns erwartet. Ich selbst war bisher sicherlich auch kein ausgemachter Japan-Fan und im Vorfeld der Tour entsprechend skeptisch. Im Nachhinein muss ich eingestehen, dass Japan ein tolles Land ist. Es ist schön, sehr sauber und die Leute super diszipliniert und ausgenommen freundlich. Über die ganze Tour gab es nicht den geringsten Ärger.
Und wie waren die Konzerte?
Die waren richtig klasse. Die Stimmung war immer super und die Clubs voll. Wobei man natürlich auch zugeben muss, dass wir teilweise in Clubs gespielt haben, die bei 50 Zuschauern schon aus allen Nähten geplatzt sind. Das Publikum ist im Schnitt etwas jünger als in Europa, aber man sieht keine Kids oder Teenager in den Clubs. Es ist auf jeden Fall schon ein tolles Gefühl, wenn Japaner deine Songs mitsingen.
Zum Jahreswechsel habt ihr die USA bereist und steht zusammen mit den QUEERS und SCREECHING WEASEL auf der Bühne. Ist euer Verhältnis zu Joe Queer und Ben Weasel rein geschäftlich oder pflegt ihr mit den Herren echte Freundschaften? Sie sollen ja nicht unbedingt pflegeleicht im Umgang sein.
Zu beiden Bands pflegen wir schon jahrelang intensive Beziehungen. Wir kennen und schätzen uns und hatten in der Vergangenheit schon häufig Berührungspunkte. Mit den QUEERS haben wir bereits mehrere Touren in den USA und auch in Europa hinter uns und standen bestimmt schon siebzig Mal gemeinsam auf der Bühne. Außerdem haben wir 2003 ein Split-Album mit ihnen rausgebracht. SCREECHING WEASEL haben unseren Song „I will always do“ gecovert. John Jughead hat uns bei unserer US-Tour im Jahr 2002 und bei einigen Konzerten in Italien auf der Bühne unterstützt. Und Ben Weasel hat den Song „Back to the trainings camp“ von unserem letzten Studioalbum „Bad Juju“ geschrieben, das übrigens von Joe Queer produziert wurde. Man kann also schon sagen, dass wir mit Joe Queer und John Jughead befreundet sind. Wir haben regelmäßig Kontakt und das durchaus auch mit privatem Hintergrund. Mit Joe waren wir zwanzig Tage in Atlanta zusammen, um unser letztes Album einzuspielen. Er ist ein total freundlicher Typ. Zwar ein Großmaul, aber durchaus von der sympathischen Sorte. Ein lustiger Typ, mit seinen Witzen zwar nicht immer 100% politisch korrekt, aber mit dem Herz am rechten Fleck.
Und wie sieht das bei Ben Weasel aus? Er stand ja nach seinem Ausraster beim SXSW-Festival im März 2011 in Austin, wo er gegen zwei Frauen gewalttätig wurde, mächtig in der Kritik.
Bei Ben sieht das Verhältnis etwas anders aus, wir respektieren uns und kommen gut miteinander aus, aber als tiefe Freundschaft würde ich unsere Beziehung nicht bezeichnen. Und was seinen Ausraster beim Festival in Austin angeht, muss man eindeutig sagen, dass er in dieser Situation seine Beherrschung verloren hat. Er hat einen Fehler gemacht, das weiß er, das hat er auch zugegeben und sich dafür auch entschuldigt. Und da er ein Typ ist, der polarisiert und dadurch nicht nur Freunde hat, hatte er in dieser Situation das Problem, dass einige scheinbar nur darauf gewartet haben, dass er mal einen Fehler macht, um dann mit dem Finger auf ihn zeigen und ihn fertigmachen zu können.
2013 gibt es die MANGES 20 Jahre. Was habt ihr für das Jubiläumsjahr geplant?
Auf alle Fälle neue Songs schreiben und ein neues Album rausbringen. Am besten in einer schönen Jubiläums-Box mit einem dicken Booklet mit Fotos aus zwanzig Jahren Bandgeschichte sowie einigen Merchandise-Gimmicks. Im September 2013 zum Jubiläum soll es dann auch auf alle Fälle in unserem Heimatclub Scaletta Rock Club in La Spezia ein großes Geburtstagskonzert mit vielen Freunden und allen unseren bisherigen zweiten Gitarristen geben. Das wird bestimmt ein Riesenspaß.
Gibt’s darüber hinaus noch weitere musikalische Aktivitäten?
Zusammen mit Alex bin ich auch bei den VETERANS aktiv, ein Studioprojekt, mit dem ich eigene Songs einspiele, die irgendwie nicht zu den MANGES passen. Bei den Aufnahmen hat mich Alex unterstützt sowie ein Bassist und ein Schlagzeuger, die regelmäßig im Studio von Alex tätig sind. Außerdem konnten wir noch einige Bekannte für dieses Projekt gewinnen, darunter Kurt Baker von den LEFTOVERS sowie Mitglieder von den SURFIN’ LUNGS oder den POPSTERS. Und mit Leuten von den PEAWEES und den MANGES haben wir noch eine RAMONES-Coverband. Wir treten live auf und covern 1:1 das „It’s Alive“-Album mit identischer Setlist. Das haben wir bis jetzt 15 Mal gemacht und hatten dabei immer richtig viel Spaß.
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© by Ox-Fanzine - Ausgabe #164 Oktober/November 2022 und Axel M. Gundlach
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