Der Garage-Hype geht weiter, doch warum meckern? Im Vergleich zum Melodic-Punk-Boom von Mitte der Neunziger gefällt es dann doch viel besser, wenn einer Band wie den Schweden MANDO DIAO überproportional viel Aufmerksamkeit wiederfährt, ohne dass sie was anderes tun würde als mit Wasser zu kochen. In Schweden erschien ihr Debüt-Album „Bring ‘Em In“ bereits 2002 und entwickelte sich bald auch in Deutschland zum Geheimtip, was jedoch ihr Label nicht davon abhalten konnte, die Platte erst Anfang 2004 offiziell zu veröffentlichen – ein albernes Spielchen, das man ja auch schon bei THE SOUNDTRACK OF OUR LIVES und den HIVES erleben durfte.
Aus dem Geheimtipp, bestehend aus einer deliziösen Mischung von Garagepunk, Britpop, Soul und R&B, wurde so binnen kürzester Zeit ein solider Hype, der aber den Vorteil hat, auf einem wirklich meisterlichen Album zu fußen. Das Ox sprach vor dem Konzert in Münster mit Schlagzeuger Samuel und Bassist Carl Johan.
Erzählt mal, wie es mit MANDO DIAO eigentlich losging. Vor MANDO DIAO hieß die Band ja Butler.
Samuel: „Ich war nicht von Anfang an dabei, sondern kam erst 1998 dazu, CJ dann ein Jahr später. Butler wurde bereits viele Jahre früher von Björn, unserem Sänger, und Daniel gegründet. Man hat anfangs immer eine Idee im Kopf von einer bestimmten Band und einer bestimmten Musikrichtung, die man anpeilen will, aber wie das nun mal so ist, die Mitglieder kommen und gehen. Nach unseren ersten Auftritten gab es soviel begeisterte Resonanz, da dachten wir uns, dass es ja nicht schlecht wäre, noch mehr Leute damit zu erreichen. Jetzt brauchten wir nur noch jemanden, der alles in die Wege leitet, und wir mussten zur richtigen Zeit am richtigen Ort sein. Glücklicherweise kam es dann auch genauso.“
Ihr kommt aus einer Stadt namens Borlange, spielt sich da musikalisch viel ab?
Carl: Es ist eine Industriestadt mitten in Schweden. Abgesehen davon, dass es dort stinkt, regiert zusätzlich die pure Langeweile. Es gibt keine lokale Szene, da die Möglichkeit, dort als Band größer zu werden, nicht gegeben ist.“
Samuel: Die Leute arbeiten in Fabriken und das scheint auch deren einzige Beschäftigung zu sein. Als Jugendlicher will man einfach nur von da weg, bevor man auch so endet. Die Kriminalitätsrate ist dort verdammt hoch, und außer dem vielen Stahl kriegt man da nichts geboten. Entweder du wirst Fußballspieler, Alkoholiker, Krimineller oder du gehst den Weg des Rockstars. Letzterer erschien uns der beste zu sein, womit direkt ein Umzug verbunden war, und nun leben und arbeiten wir in Stockholm.“
Anderthalb Jahre nach dem Release kann man „Bring ‚Em In“ auch in Deutschland käuflich erwerben. Hast du eine Erklärung dafür, wieso eure Platte für EMI in Deutschland bisher keine Rolle gespielt hat?
Samuel: „Ja, das war schon ziemlich seltsam. Ich denke, die wollten einfach mal abwarten, wie das Album ankommt, um es dann zur selben Zeit im gesamten europäischem Raum herausbringen zu können. Obwohl, in den Niederlanden ist es auch schon vor einem Jahr erschienen ...“
Carl: „Vielleicht liegt es auch nur daran, dass es halt ein großes Label ist. Da werden oft Sachen gemacht, die man als Band nicht kontrollieren kann. Wir verstehen es selber nicht, wieso z.B auch mit der Veröffentlichung in England so lange gewartet wird, anscheinend braucht man da ein bisschen Zeit. Unseren ersten Kontakt mit EMI hatten wir 2001, da haben wir die ersten Shows in Stockholm gespielt. Unser Manager hat ein paar der Auftritte gefilmt und an seine Freunde aus dem Musikbusiness weitergeleitet. Ein schwedischer Musiksender bekam die Tapes in die Hände, und sie wurden im Fernsehen ausgestrahlt. Daraufhin meldete sich EMI bei uns. Und wir kommen mit den Leuten an sich auch sehr gut klar. Viele sind halt der Auffassung, dass gute Musik nicht die breite Masse erreichen darf, und ich finde diese Einstellung echt beschissen. Gute Musik ist gute Musik – entweder du stehst drauf oder du lässt es halt. Nenn mir eine Band, die nicht so viele Platten wie möglich verkaufen will. Das ist totaler Bullshit. Die Leute reden sich da etwas ein, was einfach nicht der Realität entspricht. Ich meine wieso machen die Leute das?“
Samuel: „Du willst die Hörer doch irgendwie mit der Musik erreichen, das Ganze soll ja auch einen Sinn haben. Du kannst mit dem Thema Geld immer ein bisschen sarkastisch umgehen, das tun wir ja auch, aber wenn ich davon leben kann, finde ich das auf die nächsten zehn Jahre gesehen in Ordnung. Auf Tour zu gehen, genau das zu machen, was man will, damit sowohl wir als Band als auch das Publikum was davon hat, das ist etwas, was einen sehr glücklich macht.“
Was waren so die ersten Bands, die einen bleibenden Eindruck bei euch hinterlassen haben?
Samuel: „Ich denke, ich kann wohl für alle in der Band sprechen, wenn ich sage, dass es mit der Liebe zur Musik bei uns allen mit den BEATLES angefangen hat. Ich weiß zum Beispiel von Gustaf, dass er ‚A Hard Days Night‘ zum ersten Mal im Alter von sechs Jahren gesehen hat. Danach war für ihn klar, dass er Rockstar werden würde.“
Carl: „Ja, die BEATLES haben mich auch schon früh fasziniert. Wir hören auch alle viel Pop und Soul aus den 60s, viel Motown und diesen ganzen Detroit Soul. Wir hören die unterschiedlichsten Bands. Das geht von den SEX PISTOLS und THE CLASH über Neil Young und Bob Dylan bis zu OASIS und NIRVANA. Es hat mal jemand über uns geschrieben, wir würden uns anhören, als ob die BEATLES mit den SEX PISTOLS jammen. Das fand ich eine ganz treffende Beschreibung.“
Und was hört ihr momentan so an neueren Bands?
Samuel: „Wir mögen Bands wie THE CORAL, BLACK REBEL MOTORCYCLE CLUB und THE STROKES. Das sind Bands wie wir, denen es darum geht pure, rohe Musik zu machen, Rock‘n‘Roll eben. Gustaf hört auch manchmal Hip Hop, aber er ist da auch eher der einzige in der Band.“
Ihr habt in Interviews auch schon erzählt, eure Platten seien besser als die der KINKS und der SMALL FACES und mindestens so gut wie die der BEATLES und der Stones. Glaubt ihr das wirklich?
Samuel: „Klar meinen wir das ernst. Hör dir doch mal unser aktuelles Album an. ‚Bring ‚Em In‘ ist einfach ein tolles Album von Anfang bis Ende. Diese Bands, die du da jetzt erwähnt hast, sind zwar alle großartig, aber viele Alben von denen haben einfach nicht durchgängig diese Qualität. Die können die Spannung teilweise nicht bis zum Ende des Albums halten.“
Carl: „Das sehe ich auch so. Allerdings würde ich das weniger Großkotzigkeit nennen, sondern realistische Selbsteinschätzung. Wir haben eben ein gesundes Selbstbewusstsein.“
Wieso seid ihr Schweden eigentlich alle so verdammt gute Musiker?
Carl: „Ich denke, das ist ganz einfach zu erklären. Jedes Kind hat spätestens ab dem 9. Lebensjahr die Möglichkeit, Musiker zu werden. Denn im Schulsystem ist es so geregelt, dass jeder ab dann ein Instrument erlernen muss, sprich auch automatisch in eine Musikschule geht. Es ist auch sehr einfach, Instrumente auszuleihen und diese Schulen zu besuchen. Der Staat gibt da einen Haufen Geld für aus, um die Kinder zu fördern, das ist schon ganz gut gemacht.“
Samuel: „Ein ganz entscheidender Faktor für diese staatlichen Förderungen wird wohl der internationale Erfolg von ABBA gewesen sein. Es stellte sich heraus, dass man schwedische Musik auch im Ausland vermarkten kann und somit Geld einfließt. Als wir vor kurzem durch Japan tourten, war es echt der totale Wahnsinn, wie die Menschen, die ja aus einer ganz anderen Kultur stammen, abgegangen sind. Das ist schon lustig, denn man hat ja eigentlich keinen richtigen Bezug zu dieser Region.“
Eure Texte handeln überwiegend von der Liebe. Wie sieht es mit anderen Einflüssen aus?
Carl: „Liebe ist schon das zentrale Thema, das in den Lyrics behandelt wird. Politisches bringen wir gar nicht ein, da wird auch untereinander nicht drüber geredet. Es gibt massig Bands, die sich total in einer politischen Message verbeißen und das in jedem Lied in den Mittelpunkt stellen. Wir wollen auch nicht Rock‘n‘roll mit Politik vereinen und schon gar nicht jemandem unsere Meinung aufzwängen. Manchmal kommt das echt blöd rüber, weil sich die ganze Musik total darauf fokussiert. Es wird auch kaum jemanden in den USA interessieren, was politisch bei uns in Schweden passiert.“
Was geht in nächster Zeit bei euch? Hoffentlich wird man diesmal nicht so lange auf die Veröffentlichung warten müssen.
Samuel: „Wir werden soviel wie möglich auf Tour gehen und zusehen, dass wir viel rumkommen. Als Band können wir bestimmt mitentscheiden, wie die Vermarktung demnächst abläuft, damit alle früher was davon haben. Ansonsten wird man sehen, was sich so mit der Zeit entwickelt. Wir haben auch schon ziemlich viele neue Demos aufgenommen, so um die fünfzig Stück.“
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #55 Juni/Juli/August 2004 und Martha Biadun
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #55 Juni/Juli/August 2004 und Manuel Möglich
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #50 März/April/Mai 2003 und Ritchie Apple
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #58 Februar/März 2005 und Joachim Hiller
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #68 Oktober/November 2006 und Joachim Hiller
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #87 Dezember 2009/Januar 2010 und Ben Bauböck