Die Münsteraner Rocksteady-Punks veröffentlichen dieser Tage ihr drittes Album. Nach „Schnaps & Liebe“ (2017) und „Badaboom“ (2018) kommt nun „Turn It Up“. Doch bei dem Quintett sind nur noch zwei Gründungsmitglieder dabei, Drummer Marci sowie Sänger und Mastermind Claas, der die Platte, wie auch schon die Split-10“ mit JAYA THE CAT, wieder auf seinem eigenen Label Ring Of Fire veröffentlicht hat. Wer wäre also kompetenter als Claas König selbst, um Licht in das vermeintliche Dunkel zu bringen?
Claas, auf eurem Debüt gab es neun musikalische Gäste, auf dem Nachfolger 17 und auf der neuen Scheibe sind es 13. Okay, drei waren doppelt dabei, aber 36 Personen auf nur drei Scheiben, wollt ihr ins „Guinness Buch der Rekorde“?
Das wäre natürlich nicht schlecht. Aber es stimmt, wir haben wohl immer überdurchschnittlich viele Gäste mit an Bord, angefangen von Kumpels aus der Nachbarschaft bis hin zu internationalen Künstlern. Für uns ist die Band einfach unser größtes Hobby, in das wir sehr viel Zeit und auch Energie reinstecken. Und tolle Musikerinnen und Musiker, die wir sehr schätzen, bei unseren Aufnahmen dabei zu haben, ist für uns natürlich eine große Ehre, über die wir uns sehr freuen.
Einer der Beteiligten auf der neuen, sehr abwechslungsreichen Platte ist Reggae-Ikone Lee „Scratch“ Perry, der kurz darauf leider verstarb. Wie ging die Mitarbeit vonstatten, und was überwiegt bei dir oder euch generell, der Stolz, dass so eine Legende euch beehrte, oder die Trauer über sein Ableben?
Das kann man natürlich schlecht gemeinsam in die Waagschale werfen. Leider ist ja alles vergänglich, aber was Lee Perry in seinem Leben alles Tolles geschaffen hat, würde ja bei anderen Menschen für Dutzende Leben reichen. Lee hat die Aufnahmen für uns auf Jamaika gemacht und seine Frau Mireille hat mir währenddessen per Messenger ein paar Videos davon geschickt. Es war natürlich der Wahnsinn, zu sehen, wie eine solche Legende unseren Song ziemlich laut auf den Kopfhörern hat und seine verrückten Texte aus ihm heraussprudeln. Zwischendurch sah man auch seinen Tontechniker, der dabei eine gute Party gefeiert hat, deswegen sind ihm wohl leider so komische elektrische Störgeräusche nicht mehr aufgefallen. Aber die Jungs vom Luna Tonstudio in Lüdinghausen, wo wir immer aufnehmen, konnten die Tonspuren glücklicherweise bereinigen.
Ich bin ganz geplättet von dem Album. Teilweise bin ich echt am Anschlag beim Multitasking, Songs hören und zugleich im Booklet schauen, wer jetzt als Gast loslegt. Es ist ein bisschen so, als ob man eine Party veranstaltet und nicht weiß, wer nun als Nächstes klingelt ... Absicht?
Das ist für uns beim Entstehungsprozess der Songs nicht anders. Wir schreiben einen Song und parallel dazu entwickelt sich die Idee, wen man dafür eventuell als Gast einladen könnte. Manchmal habe ich aber auch jemandem im Kopf, mit dem ich sehr gerne mal etwas machen würde, und dann schreibe ich speziell einen Song, der gut zu dem Künstler passen könnte, in der Hoffnung, dass er oder sie Zeit und auch Lust hat. Mit vielen Gästen sind wir befreundet, durch gemeinsame Shows oder weil ich mit ihnen bei Ring Of Fire Records zusammenarbeite. Aber wir fragen auch manchmal Menschen, die uns überhaupt nicht kennen. In erster Linie sind wir ja selber Fans, und wenn wir dann meist total nette Antworten bekommen, egal, ob eine Zusammenarbeit klappt oder auch nicht, dann ist das natürlich ein sehr schönes Gefühl.
Jens an der Gitarre, Wolle am Bass und Benni am Keyboard sind deine neuen Bandmates. Woher kennst du sie, wo spielten sie zuvor und haben sie sich schon gut ins neue Gefüge eingefunden?
Alle drei kommen aus unserem erweiterten Freundeskreis. Wolle und unser Drummer Marci hatten zum Beispiel früher mal eine gemeinsame Punkband namens PORNBEAT. Menschlich und musikalisch passt es super. Vor allem beim Gesang hat sich bei der neuen Besetzung auch ordentlich was getan, weil alle Lust haben, gute Background Chöre oder teils sogar Hauptgesang beizusteuern. Vor allem live macht das richtig Spaß und ist zwischendurch eine gute Entlastung für mich.
Zurück zum neuen Album. Den Song „Meine dunkle Seite“ singst du, aber das ist doch sicher mit einem Augenzwinkern zu verstehen, oder?
Nein. Auch wenn der Song ja eher unterhaltsam daherkommt, denke ich, dass jeder Mensch auch eine dunkle Seite hat. Warum sollten wir uns sonst zum Beispiel Horrorfilme anschauen wollen, wenn uns das Gruselige oder Grausame nicht auch irgendwie faszinieren würde. Bei mir sind es ab und zu so „Was wäre wenn“-Fragen. Es gibt Situationen, wo man genau weiß, dass man bestimmte Sachen nicht tun darf, um sich oder anderen nicht zu schaden. Man will es eigentlich auch gar nicht tun, aber im Kopf spielt man die Frage durch, was wäre, wenn man es doch einfach tun würde. Ich frage mich dann manchmal, warum ich über so einen Quatsch nachdenke, aber bis jetzt habe ich noch nichts Schlimmes getan, haha.
Im Song „Turn it up“ heißt es: „Music was my first love / And will be my last“. Das hätte ja wirklich auch von Lemmy sein können und packte mich sofort. Aber hat Musik nicht auch viel mit Süchten, Übertreibungen und dem zeitweiligen Verlust der Bodenhaftung zu tun?
Das ist nicht von Lemmy, sondern ich habe mir diese Zeile von John Miles ausgeborgt. Aber du hast recht, Musik kann süchtig machen, sie neigt stark zu Übertreibungen und man kann durch sie auch abheben. Und das alles ist ja gerade das Tolle an der Musik: eine Droge ohne schädliche Nebenwirkungen, ein Mittel, um in andere Rollen zu schlüpfen, sich stärker zu fühlen oder seinen Emotionen freien Lauf zu lassen. Musik hilft einem den ganzen Alltagsstress nicht ganz so ernst zu nehmen.
Also weiterfeiern und tanzen. In „Heute Nacht“ befeuert ihr ja noch einmal das Partywesen, entgegen allen Nörglern ...
Wie erwähnt stehe ich der Zukunft der Menschheit eher pessimistisch gegenüber. Ich versuche daher ein so guter Mensch zu sein, wie es mir möglich ist, und parallel dazu das Leben so sehr zu genießen, wie es eben geht. Der Song handelt ja nicht nur vom Feiern, sondern er ist auch ein guter Partysong. Sollte er also dazu beitragen, dass einige Leute eine gute Zeit haben, würde uns das natürlich freuen.
Wie sieht es mit dem Live-Spielen aus, in der Szene generell und mit MACSAT im Speziellen? Fällt das Anschieben schwer?
Ich glaube, für so eine kleine Band, wie es MACSAT nun mal ist, sind wir in vielen Bereichen ganz gut aufgestellt. Sei es durch mein Label oder meine Arbeit als Fotograf und Mediendesigner oder unsere guten Kontakte. Aber im Bereich Booking suchen wir leider schon seit geraumer Zeit nach Unterstützung, da es für uns schwer ist, zum Beispiel auf Festivals mit reinzurutschen. Also ihr Bookerinnen und Booker da draußen, wir sind pflegeleicht, partytauglich und aufgrund der großen Spannbreite unserer Musik sind wir auch sehr vielseitig einsetzbar. Meldet euch gerne, falls ihr Interesse habt. Für 2024 sind wir bereits mit einigen tollen Festivals im Gespräch, da ist aber noch nichts spruchreif. Ich hoffe, dass unser neues Album das Booking etwas ankurbeln wird.
Was macht dein Label? Mir scheint eine Entwicklung stattzufinden, wo die mit dem dicksten Geldbeutel irgendwo „Punk“ draufschreiben und „kleineren“ Labels damit schwer zusetzen. Oder hast du eine Nische gefunden und das alles juckt dich nicht wirklich?
Ich habe mir antrainiert, negative Dinge nicht zu sehr an mich ranzulassen und mich dafür mehr über das Positive im Leben zu freuen. Von daher interessiert es mich nicht so sehr, was andere machen. Bei Ring Of Fire Records tue ich immer das, wonach mir gerade ist und woran ich Spaß habe, es gibt da keinen Businessplan oder so. Ich habe bis auf ganz wenige Ausnahmen auch noch nie Verträge mit Bands oder Künstlern gemacht, das basiert bei mir alles auf Vertrauen, Freundschaft und der gemeinsamen Liebe zur Musik. Ich plane gerade die 70. Veröffentlichung des Labels und ich habe bislang noch nie Unstimmigkeiten oder gar Ärger mit einer Band gehabt, ich denke, das spricht dafür, dass es gut funktioniert, so wie ich es mache. Finanziell gesehen zahle ich natürlich bei einigen Veröffentlichungen auch drauf, aber das stört mich nicht, solange sich das Label insgesamt trägt. Ich mache das ja aus Leidenschaft und nicht zum Broterwerb.
Stichwort Vinylpreise ... Wie ist da deine Politik? Mir als Sammler wird langsam mulmig, für „ganz nette“ Platten aus der Szene zwischen 24 und 27 Euro hinblättern zu dürfen? Bleibst du da stabil und fair?
Fair ist natürlich ein schwieriges Wort, denn dann würden Musiker und auch kleine Labels ja tatsächlich etwas mit den Tonträgern verdienen und davon sind wir im subkulturellen Bereich meiner Meinung nach weit entfernt. Aber mich stören die hohen und nicht immer nachvollziehbaren Preise auch. Ich selbst kaufe mir auch nur noch selten LPs, das liegt sicherlich auch an den Preisen, aber bei mir kommt noch hinzu, dass ich einfach nicht mehr weiß, wo ich in unserer Wohnung all die Platten lassen soll und mir materielle Dinge im zunehmenden Alter auch immer unwichtiger werden. Als Sammler stört mich aber fast noch mehr als die Preise, dass Vinyl teilweise zu einem Lifestyle-Produkt verkommen ist, das nun vor allem von den Majorlabels ausgequetscht wird, bis nichts mehr übrig bleibt. Bestes Beispiel ist der Record Store Day, der unabhängige Plattenläden unterstützen sollte. Die Idee ist super, aber was daraus geworden ist, finde ich schrecklich. Viel zu viel und viel zu teuer, wer braucht den ganzen Quatsch? Aber „unsere“ Szene macht ja auch mit. Wer braucht schon alle Alben von BAD RELIGION in der fünften Vinylfarbe? Das ist einfach nicht mehr mein Ding. Aber um deine Frage zu beantworten, ich glaube, die Veröffentlichungen bei Ring Of Fire Records sind immer sehr hochwertig aufgemacht und dafür preislich eigentlich viel zu günstig, haha.
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #141 Dezember/Januar 2018 und Markus Franz
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