LIVING WITH LIONS

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God hating crust punks?

Nach dem grandiosen Debüt „Make Your Mark“ erschien Ende 2011 der nicht weniger vor Spielfreude strotzende Nachfolger „Holy Shit“ der Kanadier LIVING WITH LIONS. Schon die ersten Blicke auf das Artwork sollten ausreichen, um für das unmittelbare Entgleisen der Gesichtspartie zu sorgen: der stolze Inhaber blickt auf eine an die Bibel angelehnte Aufmachung. Das Booklet, welches mit dem Untertitel „The Poo Testament“ versehen wurde, ist eine einzige Satire auf das Christentum. Abgesehen davon, dass die Linernotes eine ähnliche Einteilung wie die der Texte der Bibel aufweisen, wird Jesus hier als Stück Scheiße dargestellt, einmal am Tag seiner Geburt „in the finest abundance of toilet papers“ und das zweite Mal bei der Himmelfahrt „to the heavently ,throne‘“.

Wie einige andere kanadische Bands und Solokünstler holten sich auch LIVING WITH LIONS für diese Platte Unterstützung von der Foundation Assisting Canadian Talent on Recordings, kurz FACTOR. Diese private Non-Profit-Organisation, deren Logo auch im Booklet zu finden ist, wurde 1982 ins Leben gerufen, um kanadischen Bands, Songwritern, Managern, Labels und Vertrieben finanziell unter die Arme zu greifen. An sich eine ziemlich gute Sache, doch die konservative, kanadische Regierung, die wiederum als Unterstützer dieses Konzepts gilt, konnte die Kirche nicht im Dorf lassen und meinte, der Band rückwirkend die Unterstützung wieder entziehen zu müssen. Der Haken an der Sache mit der Förderung war also erst mit etwas zeitlicher Verzögerung erkennbar. Es ist also eine Geschichte, in der Staat und Kirche mal wieder nicht die Finger voneinander lassen konnten. Dabei geriet fast in Vergessenheit, dass die Band in der Vergangenheit vom Ausstieg zweier Mitglieder betroffen war, worüber ich unter anderem mit Bill Crook sprach, dem neuen Bassisten.

Euer zweites Album, „Holy Shit“, wurde in Europa via Redfield Records veröffentlicht. Während der Aufnahmen verließen zwei eurer Mitglieder die Band. Wie frustrierend ist so etwas?

Unser damaliger Bassist Shayne hatte die Band bereits vor den Aufnahmen zu „Holy Shit“ darüber informierte, dass er sie verlassen will. Also hatten die Jungs ein bisschen Zeit, um jemanden zu finden, der von nun an den Posten des Bassisten übernimmt, und es ergab sich, dass ich diese Person sein sollte. Matt und Shayne verließen die Band allerdings im Guten, sie wollten es einfach nicht mehr. Und es gibt auch keinen Grund irgendeine Sache weiterhin zu verfolgen, wenn du nicht mit dem Herzen dabei bist.

Und wie seid ihr mit Matts Ausstieg, immerhin der Sänger, während der Aufnahmen umgegangen?

Wir gingen damit so schnell um, wie es nur ging, wie es eben menschenmöglich war. Immerhin war bereits eine Tour gebucht und wir mussten die Aufnahmen für die Platte beenden. Also riefen wir Stu an und waren ein oder zwei Monate später zurück im Business!

Wie beeinflusste oder veränderte dies den weiteren Aufnahmeprozess?

Als Matt die Band verließ, waren alle Aufnahmen der Instrumente fertig, es fehlte nur noch der Gesang. Für diese Leistung muss ich einfach Stu und besonders Chase ein Lob aussprechen. Die beiden haben sich den Arsch aufgerissen. Chase verbrachte seinen Geburtstag in einem dunklen Raum, um die Texte zu schreiben, die Stu dann einsang. Diese ganzen Umstände änderten auf jeden Fall die Inhalte der Platte. Auf „Holy Shit“ geht es viel um den Verlust von Freundschaften, Geliebten, Beziehungen ... Ich glaube, die ganze Situation und die gesamte Zeit haben im Endeffekt das Feuer weiter angefacht. Die Jungs haben die Vocals in zwei Wochen fertiggestellt, wir waren ziemlich glücklich darüber, wie sich alles noch entwickelt hat.

Habt ihr in der Zeit jemals daran gedacht aufzugeben?

Nein, niemals.

Die Position des Sängers ist immer schwierig neu zu besetzen, wie kam es dazu, dass Stuart Ross es letztendlich wurde?

Wir waren wirklich begeistert davon, wie er in seiner anderen Band LOWTALKER gesungen hatte, so kamen wir auch auf ihn. Mit Stu kann man außerdem auch total gut seine Zeit totschlagen und er hat immer Zigaretten. Wenn du also mal nichts zu rauchen hast, dann kannst du dir eine bei ihm schnorren. Er war einfach genau das, was wir brauchten, und erfüllt nach wie vor unsere Erwartungen. Ach ja, er kann außerdem zwei ganze Pizzen am Stück essen, ohne eine Pause einzulegen.

Kann man davon sprechen, dass 2011 rückblickend ein erfolgreiches Jahr war für LIVING WITH LIONS?

Das Jahr kann auf alle Fälle als großer Erfolg eingestuft werden. Wir haben ziemlich großartige Touren gespielt, ein paar neue Städte gesehen und viele richtig coole Leute getroffen. Es war definitiv eine positive Erfahrung. Jeder Einzelne in der Band ist zu diesem Zeitpunkt total begeistert und wir können es kaum erwarten, was das neue Jahr bringt!

Und was wird 2012 bringen?

Also, wir konnten bereits einige Shows in den Staaten bestätigen, hoffen, dass wir im Frühling wieder nach Europa kommen, und wir werden anfangen, neue Songs zu schreiben. Außerdem denke ich, dass wir ein weiteres Musikvideo drehen könnten.

Wie du schon vorhin sagtest, beschäftigen sich die Songs auf „Holy Shit“ mit Beziehungen und persönlichen Problemen. Im Gegensatz dazu imitiert ihr mit dem Artwork offensichtlich die Bibel.

Das Artwork des Albums sollte total satirisch herüberkommen. Als wir während einer Pause von der Bandprobe zum Kiosk um die Ecke gingen, kam einer auf diese Idee. Wir dachten, es wäre lustig, und daran hielten wir dann auch fest.

War die unmittelbare Reaktion der Medien nach der Veröffentlichung vorhersehbar?

Auf keinen Fall. Wir waren ziemlich überrascht von der vielen Aufmerksamkeit, die uns die Medien entgegenbrachten. Ich denke, man kann sagen, dass sie viel Lärm um nichts gemacht haben.

Aufgrund der Unterstützung durch FACTOR, die durch die kanadische Regierung gefördert wird, gab es sogar Kritik seitens des kanadischen Kultusministers.

Ja, wir haben eine sehr konservative Regierung in Kanada und leider passiert es, dass die Grenzen zwischen Staat und Religion in unserem Parlament verschwimmen. Unser Kultusministers ist kein Förderer von Kunst und nahm unser Album zum Anlass, sich dafür einzusetzen, dass weder das Geld der Steuerzahler in solche Kunst fließen sollte noch jegliche andere Unterstützung.

War die öffentliche Reaktion übertrieben?

Einige Artikel, die geschrieben wurden, waren absurd. Viele der Journalisten hatten nie ein Foto von uns gesehen, geschweige denn Musik von uns gehört. Ich glaube, wir wurden in einem Artikel als „God hating crust punks“ abgestempelt oder irgendwas in der Richtung. Das nahmen und nehmen wir weiterhin nicht so ganz ernst.

Wie habt ihr darauf reagiert? Gab es für euch Konsequenzen?

Wir gaben den FACTOR-Kredit zurück und entfernten das Logo von unserer Platte in Kanada. Nie im Leben hätten wir unser Artwork verändert!

Aber ist es nicht total paradox, dass eine Organisation, die sich selbst als eine „private Non-Profit-Organisation“ sieht, unmittelbar mit der Regierung zusammenarbeitet?

Die Regierung finanziert FACTOR, wie viele andere Non-Profit-Organisationen auch. Und ja, es ist zwar Geld der Regierung, aber es ist ursprünglich das Geld der Steuerzahler, und deshalb denke ich nicht, dass die Regierung das Recht hat, uns vorzuschreiben, wie das Cover unseres Albums auszusehen hat.