Mit sieben veröffentlichten Alben seit 2009 sind LEPROUS zweifelsfrei fleißig darin, neue Musik zu liefern. Dabei hat sich der Sound der Norweger vom einst rohen, ungestümen Progressive Metal hin zu smoothem, teils poppigem Progressive Rock entwickelt und auf den letzten drei Alben nahm der Metal-Aspekt in ihrer Musik immer weiter ab. Warum sich das auf „Melodies Of Atonement“ wieder ändert, erklärt Gitarrist Robin Ognedal.
Stetes Wachstum
Für Robin ist die Band über die Jahre graduell gewachsen. Selbst während der Pandemie gelang es ihnen, sich mit Livestreams weiter in die Herzen ihrer Fans zu spielen und auf sich aufmerksam zu machen. „Manchmal muss man sich selbst daran erinnern, welche Shows wir vor fünf Jahren gespielt haben, und stellt fest, dass alles viel kleiner war. Ich glaube einfach, dass wir in der Pandemie eine Lücke geschlossen und damit etwas richtig gemacht haben.“ Dabei war für LEPROUS immer klar, dass sie durchweg busy bleiben wollen. „Bei uns ist immer etwas in Arbeit“, so Robin. „Als es den Lockdown in Norwegen gab, hatten wir ein Gespräch und waren uns direkt einig, dass wir das Beste aus der Situation machen, Livestreams veröffentlichen und uns beschäftigt halten wollen. Als die Pandemie vorbei war, hatten wir alle das Gefühl, dass die Band gewachsen ist, was total surreal war – denn es fühlte sich währenddessen an wie das Ende unserer Karriere und war mit vielen Unsicherheiten verbunden.“ Dass es anders kam, weiß auch Robin sehr zu schätzen. „Ich lebe den Traum, den ich hatte, als ich noch ein Kind war. Manchmal ist es einfach, das zu vergessen, also muss man sich das immer wieder vor Augen halten.“
Einfluss
Als Robin 2017 Teil von LEPROUS wurde, waren die Norweger bereits eine etablierte Band innerhalb der Szene. Mit „The Congregation“ veröffentlichten sie 2015 ein Prog-Metal-Opus, von dem sie sich zwei Jahre später auf „Malina“ klanglich wieder entfernte. Der Einfluss, den der Gitarrist auf dieses Album hatte, war allerdings nur gering. „Ich bin erst sehr spät während der Albumproduktion Teil der Band geworden“, erinnert er sich. „Ich würde aber sagen, dass hauptsächlich die Gitarrensounds darauf von mir beeinflusst wurden – insbesondere bei ‚Pitfalls‘.“ Das liegt zum einen daran, dass Robin sich als Strat-Spieler versteht und den Sound eines Single Coil Pickups mit in die Band brachte. „Ich mochte diesen komprimierten Gitarrensound im Metal, den man überall hört, nie. Strats gibt es im Metal Genre-hingegen nicht so oft. Ich spiele ohne viel Gain, dafür sehr hart im Anschlag, das ist selten.“ Dass er das Vertrauen geschenkt bekommen hat, den Gitarrensound der Band zu verändern, Neues auszuprobieren und mit Effekten zu spielen, weiß er dabei sehr zu schätzen. „Dadurch wurde der Sound weniger Metal, stattdessen dynamischer und experimenteller.“ Im Songwriting ist die Aufgabe von Robin oft die, dass er einzelne Parts, die von anderen geschrieben wurden, nimmt und weiterentwickelt. „Ich versuche, die Ideen, die ich zum Beispiel von Einar bekomme, zu erweitern, drumherum zu spielen und sie zu komplettieren.“ Mit diesen Einflüssen und dem Gefühl etwas Frisches zu erschaffen waren „Malina“, „Pitfalls“ und „Aphelion“ zunächst softer, als man es von LEPROUS gewohnt war, was sich auf „Melodies Of Atonement“ aber wieder ändert.
Neugefundene Härte
Schon „Aphelion“ offenbarte härtere Riffs, die auf „Pitfalls“ nahezu verschwunden waren. Das lag unter anderem auch daran, dass LEPROUS zu diesem Zeitpunkt etwas „müde vom Metal“ waren, wie Robin sich erinnert. „Wir spielen alle schon immer in Metalbands. Es fühlte sich frisch und aufregend an, mal etwas anderes zu machen.“ Nach drei Alben geht es nun jedoch zurück zu den Wurzeln, die laut Robin einen ähnlichen Aspekt mit in das Songwriting brachten. „Es klingt wahrscheinlich langweilig, aber es ist einfach wie von selbst passiert. Es war keine Entscheidung, die wir bewusst getroffen haben. Es fühlte sich frisch an, den Metal zurück in unsere Musik zu bringen, weil da etwas in der Energie dieser Musik ist, die mich sehr befriedigt.“
Grundsätzlich lassen sich LEPROUS bei ihrer Musik kaum einschränken. Es gibt weder feste Entscheidungen noch Pläne – stattdessen geht es darum zu schauen, wie sich der Prozess entwickelt. Im Vergleich zu den vorherigen Alben entstand „Melodies Of Atonement“ jedoch ohne die Beteiligung von Cellist Raphael Weinroth-Browne, der mit seinen Arrangements einen großen Einfluss auf den Sound von LEPROUS hatte. Dahinter steht der Wunsch nach einem neuen Sound. „Wir wollten unseren Sound etwas unabhängiger von den großen Arrangements machen. Es ging mehr darum, wie wir fünf gemeinsam in einem Raum klingen, ohne eine sinfonische Produktion mit lauter Tracks und Strings, die wir live nicht umsetzen können. Wir wollten es etwas runterbrechen. Raphael ist ein großartiger Musiker, ich vermisse es schon, mit ihm zu performen, und da gibt es keinerlei böses Blut, aber wir wollten unseren Sound etwas ändern.“
Große Pläne
Anfang 2025 werden LEPROUS auf Europatour kommen, allerdings nur wenige ausgewählte Shows spielen. Eine davon im Osloer Centrum Scene, wo die Band bereits 2023 ein ausverkauftes Konzert gab. Für Robin ist dieser Ort von besonderer Bedeutung. „Es ist das größte Venue, das es in Oslo gibt. Ich habe so viele Bands, die ich liebe, dort gesehen und hatte immer den Traum, dort selbst einmal zu spielen. Als wir zum ersten Mal da auftraten, war es einfach überwältigend. Ich konnte kaum glauben, dass es wirklich geklappt hat.“ Für die restlichen Termine planen LEPROUS eine Produktion, die über die Show einer gewöhnlichen Tour hinaus geht. „Wir wollen diese Abende zu etwas Besonderem machen und haben ein Album im Gepäck, mit dem alle in der Band so zufrieden sind, wie nie zuvor. Darauf sind wir sehr stolz.“
© by Fuze - Ausgabe #89 August/September 2021 und Rodney Fuchs
© by Fuze - Ausgabe #107 August/September 2024 und Rodney Fuchs