Seit einigen Jahren etabliert sich auf der Webseite gigposters.com eine weltweite Community der Posterdesigner. Wenn man sich neue Plakate zu den Touren unterschiedlicher Bands ansehen möchte, ist dies die erste Adresse. Zu den Künstlern, die ihre Arbeiten auf der Webseite vorstellen, gehört auch Leia Bell. Seit über drei Jahren schon macht sie Plakate für Bands und hat eine beachtliche Anzahl an Arbeiten vorzuweisen (bisher über 150 Plakate), jede Woche kommen neue Poster dazu, und sie druckt die entworfenen Arbeiten in ihrer eigenen Werkstatt. THE MELVINS, PJ Harvey, ENGINE DOWN, THE DIRTBOMBS und THE HIVES gehören zu den von ihr Verewigten.
Leia, zunächst einmal zu deinen Anfängen und wie du mit dem Gestalten von Postern angefangen hast.
„Ich wurde 1977 in Knoxville, Tennessee, geboren. So lange ich denken kann, wollte ich Künstlerin werden – sogar als kleines Kind. Als ich fünf Jahre alt war, habe ich tagelang nur gemalt und Kreidezeichnungen fabriziert. Die habe ich dann versucht, an meine Nachbarn zu verkaufen – für Süßigkeiten. 1997 bin ich nach Salt Lake City, Utah, gezogen, um dort auf die Schule zu gehen. Ich wollte eigentlich von Zuhause weg und Utah bot sich an, da ich dort Freunde hatte.“
Und wann hast du mit dem Drucken von Postern und Tourplakaten angefangen?
„Ich ging aufs College, um Druckgrafik zu lernen, hatte aber ehrlicherweise keine Ahnung, ob ich das Gelernte je nach meinem Studium würde benutzen können. Ich hatte dann einen Vollzeitjob in einem Ein-Stunden-Fotolabor, und ungefähr um die selbe Zeit freundete ich mich mit Phil an, dem Besitzer von Kilby Court, einem Club. Ich bin da zu Konzerten hingegangen, seit er 1999 eröffnet hatte, kannte Phil aber nur als den Besitzer des Kilby. Als wir uns näher kennen lernten, merkte ich, wie anstrengend es war, eine solche Location zu führen. Ich bot ihm an, ihn zu unterstützen und Flyer für die Shows zu machen. Das war etwas, was ich schon gerne gemacht hatte, als ich noch auf der High School war. Ich fotokopierte Zeichnungen aus meinem Skizzenbuch und fügte einfach Text hinzu. Das war ein guter Weg, um Phil zu helfen, und gleichzeitig meine Kunst unter die Leute zu bringen. Irgendwann wurden aus Phil und mir dann mehr als Freunde, und eines Tages fragte er mich nach meinem Druckabschluss, und ob ich meine Kilby-Poster nicht auch als Siebdrucke produzieren wolle. Er dachte, es sei dumm, meine Zeichnungen einfach nur für Kopien, die weggeschmissen würden, zu verschwenden. Die Siebdrucke wären bunt, ein Hingucker und gleichzeitig noch kleine Sammlerstücke. Außerdem wäre es etwas, das Kilby Court eine eigene Handschrift verleihen würde, so etwas wie ein Markenzeichen.“
Wie wichtig ist die Website gigposters.com für deine Arbeit?
„Sehr wichtig! Salt Lake City ist nicht gerade der Hot Spot für Musik und Kunst. Als ich meine Poster auf gigposters.com veröffentlichte, fragte jeder ganz erstaunt: ‚Und die kommt aus Utah? Wie kann das denn sein?‘ Gigposters.com erlaubt Menschen auf der ganzen Welt, meine Arbeit zu sehen, die sonst nicht einmal gewusst hätten, dass sie existiert. Und ich sehe Posterarbeiten aus Frankreich, Deutschland, Großbritannien und aus anderen Regionen der USA. Das schafft eine unglaubliche Gemeinschaft und erhöht erheblich den kreativen Input.“
Wie entscheidest du, für welchen der Künstler, die im Kilby Court spielen, du ein Poster entwirfst?
„Unser Club hat ungefähr vier Live-Acts pro Woche. Da jedes Poster Zeit und Engagement erfordert, suche ich mir nur zwei bis drei Shows pro Monat heraus und mache dafür Poster. Das sind meistens Bands, deren Musik ich auch gerne mag. Manchmal kommen auch lokale Bands und fragen mich, ob ich ein Poster für eine Show machen kann, bei denen sie die Vorgruppe sind. Manchmal mache ich auch so etwas. Die lokalen Bands haben dann eine Erinnerung bzw. ein Andenken an die Show.“
Für welche Bands würdest du gerne noch ein Poster machen ...?
„Ich habe immer gesagt, dass ich gerne ein Poster für die PIXIES machen würde. Aber bis zum letzten Jahr war nicht klar, dass ich dazu jemals eine Chance haben würde, da sie sich ja getrennt hatten. Es war ungeheuer aufregend, ein Poster für ihre Reunion-Tour zu machen. Für wen ich noch gerne etwas machen würde: BLONDE REDHEAD, WEEZER, COWBOY JUNKIES, David Bowie, und, das klingt vielleicht komisch, Britney Spears!“
Planst du denn etwas für WEEZER, das ist ja die Band deines Bruders? Soweit ich weiß, arbeiten die gerade wieder an einem neuen Album.
„Sie waren gerade im Studio. Ich denke also, dass ich ein Poster für eines der nächsten Tourdates mache.“
Bist du ansonsten an deren Artwork beteiligt?
„Nicht bei WEEZER, aber ich habe ein T-Shirt und das CD-Artwork für sein Soloprojekt SPACE TWINS entworfen. Das war eine ziemliche Ehre für mich.“
Wie ist denn so die Musikszene in Salt Lake City?
„Die Stadt hat überraschenderweise eine ziemlich rege Musikszene und ist sehr liberal, im Gegensatz zu den Vororten, den umliegenden Gegenden und dem gesamten Staat – wie man vielleicht bei den Präsidentschaftswahlen gesehen hat. Wir sind acht Autostunden von den nächsten größeren Städten entfernt, Denver in der einen Richtung und San Francisco in der anderen Richtung. Bands, die auf Tour sind, müssen also fast hier stoppen und einen Gig spielen, um eine 16- bis 20-stündige Fahrt zu vermeiden. Deshalb spielen hier – glücklicherweise – auch viele ganz großartige Bands. Und obwohl Kilby Court eine kleine Location für maximal zweihundert Gäste ist, spielen die Bands gerne hier. Sie finden ein gemischtes Publikum, es ist sehr gemütlich, mit einer niedrigen Clubbühne und einem Feuerwerk in unserem Hof jeden Abend. Der Musikgeschmack des Publikums ist unterschiedlich. Die Jugendlichen mögen zwar hauptsächlich Hardcore, aber weil die Szene sehr gewalttätig ist, vermeiden wir solche Bands.“
Warum bevorzugst du Siebdruck für deine Poster?
„Ich habe alle möglichen Drucktechniken gelernt, aber Siebdruck war die einfachste und billigste, um mich damit selbstständig zu machen. Es geht schnell und einfach, man kann, wenn man möchte, hohe Auflagen produzieren und auch mehrfarbige Plakate sind so gut zu drucken.“
Wie legst du die Auflagenhöhe fest?
„Als mein Sohn Cortez ein Baby war, war meine Auflagenhöhe davon abhängig, wie lange er schlafen würde. Ich kriegte ungefähr 45 bis 64 Abzüge zustande, bis er aufwachte und anfing zu weinen. Deshalb habe ich mich auch nie um gerade Auflagenzahlen gekümmert wie z. B. 100 oder 200 Drucke in einer Auflage. Ich mag 77er Auflagen, weil das das Jahr ist, in dem ich geboren wurde, oder 126, weil das der Geburtstag meines Sohnes ist, der 26. Januar. Im Endeffekt gibt es also kein Schema. Wenn ich 82 Bögen herumliegen habe, dann ist das eben die Auflagenhöhe.“
Was bedeutet die Fotografie für deine Arbeit?
„Ich habe immer fotografiert. Ich verstecke mich fast hinter meiner Kamera, wenn ich zu schüchtern bin, um mit Menschen zu sprechen. Ich bin immer zu Partys gegangen und habe nur Fotos gemacht, so dass ich mit niemandem reden musste. Ich beobachte gerne Leute. Ich schaue mir immer ihre Körpersprache an, während sie mit anderen kommunizieren, ihre Hände und auch ihre Mimik. Wenn ich Zeichnungen von den Fotos mache, nehme ich all die Informationen aus den Beobachtungen hinzu, die ich gesammelt habe.“
Kannst du uns etwas über den Entstehungsprozess eines Posters erzählen?
„Ich versuche mir nur Bands auszusuchen, deren Musik ich auch mag. Deshalb ist jedes Poster, das ich mache, ein Poster eines Fans. Wenn ich eine Band noch nicht kenne, suche ich erst einmal nach Downloads ihrer Musik. Wenn ich eine Band mag und ein Poster mache, dann kommt auch etwas aus meinem eigenen Leben und meinen Erfahrungen hinein, und dann ist das auch irgendwie bedeutsam. Zum Beispiel entscheide ich mich, ein Bild meiner Hunde zu machen. Nachdem ich eine Schwarz-Weiß-Zeichnung davon habe, kommt der Text rein. Danach entscheide ich, welche Farbe ich wofür benutzen will. Wenn ich eine Fünffarbdruck haben will, brauche ich fünf unterschiedliche Zeichnungen. Wenn dies erledigt ist, übertrage ich die Bilder auf das Sieb, mische meine Farben und drucke.“
Hattest du jemals so was wie eine kreative Blockade?
„Ja klar, das passiert meistens, weil ich mir zu viele Gedanken mache. Wenn ich damit aufhöre und intuitiv etwas mache, dann klappt es meistens.“
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #60 Juni/Juli 2005 und Thomas Neumann