Nachdem LEFTÖVER CRACK ein, in meinen Augen, textlich und musikalisch brillantes Album auf Hellcat abgeliefert haben und auch noch einen Gig (u.a. zusammen mit AGNOSTIC FRONT) in Oberhausen hatten, war klar, dass ich ein Interview mit ihnen machen musste. Als meine liebreizende Freundin Kanwal und ich gegen 21 Uhr im Zentrum Altenberg zu Oberhausen eintrafen, mussten wir mit Entsetzen feststellen, dass LÖC schon gespielt hatten. Leicht entnervt suchten wir einen Ansprechpartner für das Interview, welcher auch schnell gefunden war, und innerhalb kürzester Zeit saßen wir mit Stza Crack und Tryla G. zusammen, um ihnen ein paar Fragen über Politik, Amerika und Satanismus zu stellen. Crackrock City are you ready to rock?
Könnt ihr euch mal bitte vorstellen?
Tryla: Ich bin Tryla, spiele Gitarre und kümmere mich um die Backing Vocals.
Stza: Hi, ich bin Stza. Ich spiele Gitarre und singe bei LEFTÖVER CRACK und CHOKING VICTIM.
Tryla: Zur Erklärung, wir hießen CHOKING VICTIM bevor wir uns in LEFTÖVER CRACK umbenannten.
Stza: Eigentlich sind wir aber immer noch CHOKING VICTIM.
Euer Sound ist ja eine ziemlich ungewöhnliche Mischung aus Ska, Metal, Punk und Hardcore. Wer oder was beeinflusst denn eure Musik?
Stza: Ich höre viele unterschiedliche Musikrichtungen und alles, was ich höre, beeinflusst mich natürlich auch. Wenn ich etwas höre, was mir gefällt, versuche ich es herauszufiltern und nachzuahmen. Mir ist dabei egal, ob es Psychobilly, Metal oder Skapunk ist. Wenn man kein guter Songwriter ist, ist halt jeder Song ein Punkrocksong und wird nach zehn Liedern langweilig, da es sich schliesslich immer gleich anhört. Wenn man allerdings alles vermischt, kann jeder Song besser werden und das Publikum verliert auch nicht so schnell das Interesse.
Dies ist ja eure erste Europa-Tour. Wie hat denn das deutsche Publikum bis jetzt darauf reagiert?
Stza: Unsere erste Show hier war in Cottbus zusammen mit PÖBEL & GESOCKS. Da waren nur Skinheads, die ziemlich böse geguckt haben.
Tryla: Ich glaube "skeptisch" ist das bessere Wort. Das war das erste Mal, dass wir ausgebuht wurden.
Stza: Stimmt, ich habe das Lied "Gay Rude Boys united" allen Gayskins gewidmet. Ich dachte, das wäre lustig, aber es machte die Leute nur wütend.
Bands wie AGNOSTIC FRONT oder PÖBEL & GESOCKS ziehen ja leider auch viele Leute an, die sich in einer politischen Grauzone befinden.
Tryla: Das ist hier auch nicht unsere Szene bzw. unser Publikum, aber wir haben mit dem Booking nichts zu tun. Deswegen werden wir auch nicht mit Bands gebucht, die zu uns passen. Wir sind halt noch zu unbekannt.
Stza: CHOKING VICTIM wurde ca. 1993 gegründet, also sind wir schon einige Jahre dabei, auch wenn wir einen neuen Namen haben.
Tryla: Die Leute kennen den Namen LEFTÖVER CRACK noch nicht so gut wie CHOKING VICTIM. Aber wir wollen nicht dahin zurück, wo wir vor zehn Jahren angefangen haben.
Eure Texte sind sehr politisch und es kommt immer wieder eine gewisse Anti-Haltung zum Vorschein. Hat eure Band eigentlich auch einen anarchistischen Hintergrund?
Tryla: Nein, wir sind keine Anarchisten. Anarchie ist für Ungläubige. Ich bin Freidenker und ein Realist. Ich akzeptiere die Wirklichkeit und träume nicht von irgendeiner Scheisse, die niemals passieren wird.
Stza: Ich bin ein Atheist und ein überzeugter Nihilist. Ich will frei sein und nicht gelenkt. Nicht einmal von Anarchie.
Stza: Auch Anarchie ist wieder nur eine weitere politische Struktur, in der irgendwann wieder jemand auftauchen wird und Anführer sein will. Das liegt nunmal in der menschlichen Natur.
Tryla: Anarchie und Kommunismus sind, meiner Meinung nach, großartige Ideen, die aber in der Realität nicht umsetzbar sind. Du musst wissen, wir leben in einem Squat in New York. Überall sind Anarchiezeichen an die Wände gesprüht und alle schreien: Hey, Anarchie! Aber bei uns ist das alles nur Spaß. Wir haben noch nicht mal einen beschissenen Manager für die Band. Wir managen uns selbst und alles läuft friedlich ab, obwohl wir auch nicht harmonieren. Wir machen einfach, was wir wollen.
Wir waren letzten Sommer zusammen im Frankreich-Urlaub und haben auch in diversen Squats übernachtet. Wir haben dort nette Leute kennengelernt und viel Spaß gehabt. In Deuschland gibt es nicht mehr so viele besetzte Häuser wie früher. Der Staat greift halt auch immer härter durch. Ihr scheint ja auch ziemlich angenervt zu sein von der amerikanischen Regierung und Gesellschaft.
Beide: Wir mögen Amerika auch nicht besonders.
Stza: Ich bin eindeutig anti-amerikanisch eingestellt.
Es gibt allerdings viele amerikanische Punkbands, die seit dem elften September...
Stza: Ach, du Scheisse. Ich hasse diese patriotische Kacke.
Als ich z.B. hörte, dass die DROPKICK MURPHYS eine "American Pride"-Tour machen, fragte ich mich auch, was der Quatsch soll.
Stza: Wir haben das bei Epitaph gesehen. Mir wurde schlecht, als ich den Flyer dazu sah. Ich konnte das einfach nicht glauben. So was macht mich echt krank.
Und dann wundern sich diese Bands, dass sie auch oft rechtes bzw. nationalistisches Publikum anziehen.
Tryla: Genau, die Leute kommen zu den Konzerten und kaufen deren T-Shirts. Die Bands sollten lieber etwas tun, um solche Leute abzuschrecken.
Ihr benutzt bei euren Plattencovern viele okkulte und satanische Symbole. Habt ihr irgendeinen Bezug zum Satanismus?
Stza: Nein, ich bin Atheist. Ich stimme mit vielem, was da gesagt wird, zwar überein, aber habe zu wenig Ahnung davon, um behaupten zu können, Satanist zu sein. Ich finde, es sieht halt gut aus und ist vielmehr als Spaß gedacht. Genau wie dieses Anarchie-Ding.
Tryla: Es wirkt immer noch sehr bedrohlich für viele Menschen. Wir hassen Religion, und Satanismus ist halt eine Sache, die alle Religionen erschüttert.
Stza: Wir sind die satanischen LEFTÖVER CRACK.
Tryla: Wo es Gott gibt, gibt es auch immer einen Teufel. Also ist es die Anti-Religion.
Hattet ihr eigentlich Probleme mit eurem "Shoot the kids at school"-Cover? Das Cover zeigt eine Gestalt, die mit einer Pistole auf einem Schulhof steht.
Stza: Ja, es wurde zensiert und wir mussten das Cover und den Titel in "Mediocre Generica" ändern.
Tryla: Als die Platte rauskam, waren in Amerika gerade die Amokläufe, bei denen viele Schüler umgekommen sind, ein großes Thema. Das bereitete vielen Leuten Probleme. Sogar welchen bei unserem Label, da manche auch Kinder haben. In Amerika sind die Leute sehr streng, was Wertvorstellungen angeht. Viele sind sehr ignorant und verstehen so etwas einfach nicht. Die Leute haben auch viel Angst, in einen Rechtsstreit zu geraten, denn in Amerika erhebt jeder gegen jeden sofort Anklage. Du kannst zum Beispiel auf dem Bürgersteig ausrutschen, dir den Arm brechen und der Regierung dann einen Prozess machen. Bei so was kannst du Millionen von Dollar bekommen. Also will niemand einen Rechtsstreit, daher wird Kunst ständig zensiert. Nur aus Angst vor einem Rechtsstreit. Im Grunde genommen wird Kunst dadurch mittelmäßig und manipuliert. Wenn du in Amerika zensiert wirst, kriegst du einfach einen schwarzen Balken vor den Mund und die Sache hat sich erledigt.
Erzählt doch bitte mal was über die momentane Punkszene in den USA. Ich habe mal gehört, dass es überhaupt kein Problem sei, schwulenfeindlich und patriotisch zu sein, so lange man kein Nazi ist.
Stza: Ja, das ist typisch amerikanisch. Amerika ist gegen Schwule und patriotisch, aber aus irgendeinem Grund auch gegen Nazis. Du kannst sogar Rassist, Schwulengegner und patriotisch sein, ohne Nazi zu sein. Das ist das Problem. Nazitum wird mit dem Zweiten Weltkrieg verbunden und daher muss man Anti-Nazi sein. In jeder Musikrichtung kommt schwulenfeindliches Gedankengut zum Vorschein, sei es Hip Hop, Punkrock oder anderes. Aus diesem Grund haben wir den Song "Homophobia" geschrieben. Es kotzt uns halt an.
Tryla: Amerika ist sehr rückständig. Es existieren sehr viele Probleme mit Minderheiten. Amerika ist zu 50% Weiß und diese 50% drehen am Rad. Sie wissen nicht, wo das eigentliche Problem ist, aber die verschiedenen Gruppen hassen aneinander. Das ist der Grund, warum es so etwas wie Homophobie gibt.
Auf einer Skinhead-Internetseite habe ich mal in den Musik-Top 10 Bands wie BAD MANNERS und COCK SPARRER, direkt neben SKREWDRIVER und anderen Nazibands stehen sehen. So was wundert mich auch.
Stza: Ich habe schon viele Punkrocker kennen gelernt, die meinen, dass SKREWDRIVER eine gute Band gewesen wäre. Wenn sie es nur der Musik wegen hören, soll es mir egal sein, aber ich kann das nicht mit mir vereinbaren.
Das erste Album "All skrewed up" war ja auch noch ein ganz normales Punkalbum.
Tryla: Die Frage, die man sich stellen sollte, ist: Wenn Hitler eine Platte gemacht hätte, bevor er ein Nazi war, würde man sie immer noch kaufen, nachdem er einer wurde?
Vielen Dank für das Interview. Wollt ihr noch irgendetwas loswerden?
Stza: Fuck World Trade!
Tryla (auf Deutsch): Gegen Nazis!
Übersetzung: Kanwal Meyer
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