Hatte man Ende der 90er Jahre noch das Gefühl, es bei den unzähligen schwedischen Bands mit mehr oder minder guten Kopien amerikanischer Vorbilder zu tun zu haben, werden in unserem skandinavischen Nachbarland mittlerweile durchaus auch Trends gesetzt. Genannt seien nur THE (INTERNATIONAL) NOISE CONSPIRACY oder FIRESIDE, die beide in den Staaten beinahe größere Erfolge feiern können als in ihrem Heimatland. Gerade FIRESIDE haben sich mit ihren letzten beiden Alben ein eigenständiges musikalisches Universum geschaffen, in dem sie ohne stilistische Beschränkungen agieren können. Unzweifelhaft mit FIRESIDE verbunden ist die charismatische Stimme von Sänger Kristofer Aström, dessen ausdrucksstarkes Organ für die Faszination von Alben wie „Uomini d’Onore“ und „Elite“ maßgeblich mitverantwortlich war. Bereits vor gut zwei Jahren machte Kristofer zusätzlich mit seiner zweiten Band, KRISTOFER ASTRÖM & HIDDEN TRUCK, und deren Debüt „Go, Went, Gone“ von sich reden. Die Musik klang deutlich spontaner als die sehr kopflastigen letzten Werke von FIRESIDE und übte in ihrer Einfachkeit eine ganz besondere Faszination auf den Hörer aus.
Im April hat Kristofer sein zweites Album namens „Northern Blues“ in Deutschland veröffentlicht, und ich hatte die Gelegenheit, Kristofer einige Fragen zu stellen.
Kristofer, in Schweden sind ja in letzter Zeit zwei Alben von KRISTOFER ASTRÖM & HIDDEN TRUCK veröffentlicht worden. Was ist denn der Unterschied zwischen „Northern Blues“ und „Leaving Songs“?
Stimmt, es lagen gerade mal ein paar Wochen zwischen diesen beiden Scheiben. Für ‘Northern Blues’ haben wir fast zwei Jahre gebraucht, weil so viele Dinge schief gelaufen sind. Um zu fühlen, dass wir noch eine Band sind und Musik spielen können, sind wir für zwei Tage ins Studio gegangen und haben ‘Leaving Songs’ aufgenommen. Das Album wurde fast ausschließlich live und ohne Overdubs aufgenommen. So spontan wie möglich.
Die Stücke auf „Northern Blues“ haben alle einen sehr melancholischen, fast schon depressiven Touch. Reflektiert das deine Persönlichkeit?
Man kann schon sagen, dass ich melancholisch bin. Aber nicht die ganze Zeit, das wäre dann doch zu schlimm, haha. Obwohl die Leute denken, ich sei immer traurig. Aber ich höre mir eben auch viel melancholische Musik an. Ich bin damit aufgewachsen. Von daher ist es für mich eine natürliche Sache, in Moll zu schreiben. Die Musik auf ‘Northern Blues’ entspricht mir also schon, allerdings zeigt es natürlich nicht alle Seiten. Denn ich bin auch eine sehr glückliche Person. Ich versuche fröhliche Texte zu schreiben, aber mit denen bin ich eigentlich nie zufrieden.
Welche Rolle spielt denn Musik in deinem Leben?
Wenn du es in Prozent wissen willst: sicherlich 60%. Daneben gibt es aber noch eine ganze Menge anderer Dinge. Vor allem natürlich die Liebe zu Freunden und der Familie. Das sind wohl die wichtigsten Sachen in meinem Leben.
Und was würdest du machen, wenn du kein Musiker wärst?
Puh, schwierig. Ich glaube, ich wäre Tierarzt geworden, haha. Das wollte ich schon, seit ich ein Kind bin, und möchte es immer noch gerne. Wahrscheinlich werde ich aber nie einer werden, denn dafür muss man viel studieren und in der Schule war ich nie eine große Leuchte. Von daher würde ich wahrscheinlich auf der Straße leben, haha.
Zu „All lovers hell“ habt ihr ja sogar einen Videoclip gedreht. Worum geht es darin?
Ich gehe da durch ‘All lovers hell’, bis am Ende alles zusammenbricht. Es war ein One-take-Video und von daher auch nicht so teuer. Ich sitze einfach da und spiele Gitarre, während drei oder vier Mädchen mir die Kleider zerreißen, mich mit Schampus besprühen und Blumen und Schnee auf mich werfen. In dem Video durchlebe ich all die Gefühle, die einem Liebe geben kann.
Wo siehst du denn die Hauptunterschiede zwischen einem FIRESIDE-Song und einem, den du mit HIDDEN TRUCK spielst?
Wenn ich für HIDDEN TRUCK schreibe, mache ich das fast ausschließlich für mich selbst. Es ist egal, was andere Leute davon halten. Bei FIRESIDE gibt es vier verschiedene Meinungen, die es zu vereinigen gilt. Das ist natürlich bei jedem Song ein neuer Kampf. Wenn ich für FIRESIDE schreibe, kommt am Schluss immer etwas völlig anderes heraus, als ich anfangs eigentlich plante. Manchmal wird es schlechter, meistens natürlich besser. So wie ich es mir vorgestellt hatte, wird es eigentlich nie...
Für mich ist die Musik von FIRESIDE eher kopflastig, während die Sache mit HIDDEN TRUCK mehr aus dem Bauch zu kommen scheint...
Sie kommen beide aus dem Herzen... und aus den Lungen, haha. Wir machen in beiden Bands das, wonach wir uns fühlen. Ohne Kompromisse. Bei HIDDEN TRUCK bin es eben nur ich, bei FIRESIDE dagegen vier Menschen, die ihre Köpfe zusammenstecken und Songs schreiben. Aber ich gebe dir recht, dass FIRESIDE ein bisschen kopflastiger sind.
Du warst ja in Schweden für einen Grammy nominiert.
Ja, aber ich habe ihn nicht gewonnen. Jemand anderes hat ihn mir weggeschnappt. 1996 haben wir mit FIRESIDE ja schon einen Grammy gewonnen, und zwar in der Kategorie ‘Bestes Hardrock-Album’. Das war wohl die einzige Kategorie, in die sie uns stecken konnten. Ich bin jedenfalls glücklich, überhaupt einmal einen Grammy gewonnen zu haben.
Wie bekannt bist du denn in deinem Heimatland? Wirst du da auf der Straße erkannt?
Machmal, aber nicht sehr oft. Ich versuche mein Gesicht zu verstecken, hehe. Die Sache ist aber nicht wirklich ein Problem für mich.
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