Wenn sich durch Gespräche mit den Kölnern KOETER ein roter Faden zieht, dann wohl der, dass sich zu dieser Band nur sehr schwerlich einfache, klare Aussagen treffen lassen. Die Rezensenten versuchen es gern und scheitern doch. Die Statements auf Seiten der Band sind da und vertreten auf dem ersten Album „Caribbean Nights“. Es sind Ansagen in Sachen Leben, Menschen, Szene. Das klingt zunächst nicht sonderlich originell, aber hört man KOETER ein bisschen zu, erfährt man schnell, dass sich so manches nicht auf simple Weise abhandeln lässt, dass das auch nicht der Ansatz sein sollte und dass es genau das ist, was es interessant macht.
Es sind nicht viele Interviews mit euch zu finden. Lehnt ihr es ab, euch in dieser Form selbst zu erklären, oder besteht zu wenig Interesse?
Michi: Ein Interview bedeutet ja nicht zwangsläufig, dass man sich selbst erklären muss oder möchte. Generell tun wir das auch ungern. Wir sind dennoch froh, wenn Leute Interesse haben, aber in der Regel haben sie das eher weniger. Wir hatten in der letzten Zeit so kurze Sachen mit vielleicht zwei Fragen. Oder zum Beispiel die Idee der Intro mit dem Deutschpunk-Fragebogen. Da haben wir uns so verweigert, dass die das gar nicht mit ins Heft genommen haben. Mit den Interviewanfragen läuft das so wie mit den Konzertanfragen. Die kriegen wir nämlich auch nicht. Irgendwer schleppt uns da immer mit. Da kommt wenig.
In den Reviews zu eurer Platte wird der Vergleich zur alten Band NEINNEINNEIN ja gern gezogen.
Matze: Namedropping passiert auf jeden Fall.
Michi: Namedropping ist für mich aber keine Bezugnahme. Es klingt auch einfach nicht wie NEINNEINNEIN. Klar, ist das meine Stimme, aber das war’s auch. Wir selbst finden diese Band KOETER wohl interessanter als viele Leute. Ich glaube, wir geben denen zu wenig. Sei es Referenz oder Klarheit. Wir bewegen uns in so einem musikalischen Kosmos, der entweder nach mehr Klarheit oder mehr Vertracktheit verlangt.
So ein Zwischen-den-Stühlen-Ding?
Michi: Das ist wieder eine sehr schwierige Bezeichnung, das ist so einfach zu sagen. Jeder, der nicht haargenau in ein Genre passt, sitzt irgendwie „zwischen den Stühlen“. Da steckt häufig eine komische Selbstaufwertung dahinter. So eine Bezeichnung taugt nicht als Entschuldigung dafür, dass man scheiße ist. Und die meisten nutzen diesen Begriff so. Deswegen möchte ich mich davon fernhalten. Wir sitzen alle vier auf sehr verschiedenen Stühlen, das ist vielleicht eher der Punkt. Es gibt Überschneidungen, aber auch krasse Differenzen.
Ihr habt die ganzen Reviews zur Split-7“ mit LOVE A auf eurer Seite gepostet, obwohl die ja durchaus nicht durchgängig positiv ausgefallen sind. Habt ihr Spaß daran oder ist das eine Form der Auseinandersetzung? Trifft euch negative Kritik?
Michi: Klar trifft einen das. Jeder, der was anderes sagt, lügt. Man steht da vielleicht drüber, weil man nicht weiß, wie jeder tickt, und ich ja auch weiß, wie subjektiv ich selbst Sachen bewerte. Und je subjektiver ein Review ausfällt, desto besser ist es. Aber man stellt sich schon die Frage nach dem Warum. Es ist keine bewusste Entscheidung, nicht gefällig zu sein. Und es ist auch schwierig, den Leuten zu unterstellen, sie würden nur etwas Gefälliges hören wollen. Es kann tausend Gründe geben, warum die das nicht gut finden, genauso wie es vielleicht tausend Gründe gibt, es doch gut zu finden. Man bewegt sich auf dünnem Eis, wenn man sagt, dass die Leute bloß nicht richtig hinhören. Ich selbst bewerte Sachen auch nach nur einmal Hören. Trotzdem glaube ich, dass man eher einen Zugang zu unseren Songs findet, wenn man sie mehr als einmal hört. Wundern tut einen dieser Schnitt nicht, aber er bestätigt einen auch nicht. Das nimmt man so hin. Und warum sollten wir die Reviews nicht posten?! Das kann ja jeder bewerten, wie er will.
Matze: Viele Reviews waren nach dem gleichen Schema aufgebaut. Beim ersten Song „Bessere Affen“ wird immer noch die Nähe zu LOVE A gesucht und der zweite „Punkt Null“ ist der totale Abfall. Der Remix ist dann sowieso das Letzte. Viele vermissen dabei einen Moment, bei dem etwas überspringt auf den Hörer.
Michi: Bei unserem Song „Die warmen Worte“ kommt raus, dass wir kein Image anbieten. Guck uns doch mal an. Da sind keine geilen Klamotten, das ist nichts. Heterogener geht es irgendwie nicht. Viele Bands bieten da eher ein bestimmtes Bild. Blätter mal so ein Heft wie das Ox durch und guck dir die Fotos an. Da ist einiges sehr orientiert an einer Zielgruppe. Bei uns kannst du nicht so gut ein Image rauslesen. Es ist schwierig, alles darauf zu schieben, aber ich glaube, es ist ein Aspekt.
Bei „Klima der Angst“ habe ich den Eindruck, dass es um Szene-Dogmen geht. Ich frage mich, wie stark das eine Band betreffen kann, deren Mitglieder ja doch schon eine ganze Weile in diesem Umfeld unterwegs sind.
Michi: Grundsätzlich hängen wir da natürlich schon Ewigkeiten drin, aber man ändert seinen Blickwinkel trotzdem permanent. Ich kann den Großteil der Sachen, die ich früher gesagt und gedacht habe, auch heute noch unterschreiben. Die Bewertung ist aber eine andere. Ich muss aber auch sagen, dass ich vor zehn Jahren viele ähnlich repressive Gedanken hatte, die ich heute kritisiere. Es ist ein Thema, das einen beschäftigt. Ich habe mich mit vielen Sachen arrangiert und bewege mich da sicher, wo aber trotzdem die Frage bleibt, ob man das muss oder sollte. Emotional und auf der Sachebene finde ich es erschreckend, wie die Atmosphäre in manchen Freiräumen teilweise ist. Da werden hier und da Forderungen gestellt, die einen Diskurs ersticken. Du bekommst von Leuten, die eigentlich nicht Teil der Szene sind, und so einen Raum besuchen, Sätze zu hören wie: „Ich habe echt Angst, was Falsches zu sagen.“ Und das meinen wir mit „Klima der Angst“. Es widerspricht meinem emanzipatorischen Menschenbild, wenn man nichts Falsches sagen darf. Nicht jeder kann alles wissen und es kann auch nicht jeder so sein. Der Song ist da sehr explizit. Es ist ein Problem der Definitionsmacht. Menschen gehen mit bestimmten Situation unterschiedlich um. Aber der schlimmste Fall wird zur Norm erhoben und das ist sehr gefährlich. Dabei wird teilweise außer acht gelassen, wie unterschiedlich Menschen sind, dass sie Fehler machen und dass es verschiedene Beweggründe gibt. Es ist richtig, in manchen Situation darum zu bitten, dass jemand den Raum verlässt. Das geht aber auch, ohne gewalttätig zu werden. Es müssen Diskurse stattfinden und wenn sich Leute dem entziehen, weißt du schon, was du davon halten darfst. Zunächst sollte man aber offen sein. Ansonsten schaffst du eben genau so ein Klima der Angst. Situationen können nicht monokausal abgehandelt werden. Und mir scheint da manchmal das Interesse zu fehlen, es sich ein bisschen schwerer zu machen.
Die Platte hat mehrere lustige Elemente, wie den Titel „Caribbean Nights“ oder auch Zeilen wie „Popeliger als der Pope“. Inhaltlich überwiegt aber ein Gefühl der Resignation. Wieso dann dieser doch eher lustige Mantel?
Michi: Ich glaube, dieser Titel konterkariert alles, was in dieser Platte steckt. Du könntest es dir einfach machen, eine Platte mit Emo-Texten schreiben und gibst der einen klassischen Emo-Namen. Oder du schreibst ein super kritisches Punk-Album und gibst dem einen total albernen Titel. Ich glaube, „Caribbean Nights“ ist da subtiler und nimmt alles auseinander, was auf der Platte so vorkommt. Die Aussage dahinter ist nicht so einfach zu erkennen.
Michi, du hast in einem Interview gesagt, dass die Leute immer Befindlichkeitsmusik hören wollen, bei der sie sich aber nicht ertappt fühlen. Ist es ein Ziel bei den Texten, die Leute zu erwischen?
Michi: Es gibt Formulierungen, die man nicht benutzen möchte. Ich glaube, Leute möchten sich gerne in ihren simplen Gefühlen ertappt fühlen, zum Beispiel da, wo es romantisch wird oder ein bisschen traurig. Aber nicht da, wo sie sich gestellt fühlen. Simpler Pathos funktioniert sicher besser als manch anderes. Es gab jetzt nicht so ein konkretes Ziel, aber ich fühle mich unwohl, wenn es wirklich pathetisch wird. Musik funktioniert mit Texten, das lässt sich nicht so trennen und hat eine andere Wirkung. Du hast eher Angst, dich zu wiederholen und Themen zu finden. Du möchtest es klar ausformulieren, aber es soll auch nicht blöd klingen. Bands wie LOVE A erzählen zum Beispiel Geschichten und das machen wir, glaube ich, gar nicht.
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #118 Februar/März 2015 und Bianca Hartmann
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