Bei mir zu Hause dreht sich „Die Biellmann-Pirouette“, das neue Album von KEINE ZÄHNE IM MAUL ABER LA PALOMA PFEIFEN. Die drei Grandseigneurs des Kieler Punk mit Provinzhintergrund haben es mit ihrer Mischung aus Gitarren, Synthies und Texten zwischen Melancholie und Mürrischkeit auf fünf Veröffentlichungen gebracht. Die „Die Biellmann-Pirouette“ ist das zweite Album auf Broken Silence Records. Ich nutze die Gelegenheit, um mit Sänger Jochen zu reden.
Euer Bandname stammt angeblich aus einem Bud Spencer-Film. Ist das wahr?
Ich glaube, da heißt das: „Keine Zähne im Maul, aber in der Kirche La Paloma pfeifen“, so wurde mir das auf jeden Fall erzählt. Ansonsten ist das einfach ein mir gebräuchliches Sprichwort aus frühester Jugend.
Das neue Album heißt „Die Biellmann-Pirouette“ – was hat die Eislauffigur mit euch zu tun?
Ich kann nicht Schlittschuh laufen ... Erst mal gehe ich davon aus, wenn man den Albumtitel liest, dass man nicht weiß, was die Biellmann-Pirouette ist. Das klingt erst mal schön „geheimnisvoll“.
... und man muss erst mal den Nachbarn fragen, was das heißt. Oder ist es Kritik an der Leistungsgesellschaft? Nur wer einen Trick drauf hat, kriegt auch was?
Auf jeden Fall ist jeder Song auf den Album eine kleine Biellmann-Pirouette. Lars kann Schlittschuh laufen. Bei Steffen bin ich mir da nicht so sicher.
Für die Platte habt ihr auch drei alte Songs neu aufgenommen. Wart ihr unzufrieden mit den Versionen auf den Demos?
Nee, die Songs sollten noch mal für alle Leute und vor allem auf Vinyl erhältlich sein, und nicht auf einer CD-R verschimmeln. „Halbe Stadt von unten“ und „Und immer noch nicht gebumst“ sind ziemlich nah an den Originalversionen, wobei „Dem Teufel Geld“ ein ganz anderer Boogie ist. Außerdem spielen wir die tatsächlich noch auf den Konzerten.
Die neue Platte ist etwas „keyboardiger“, außerdem singt Steffen minimal häufiger. Wie kam es dazu?
Wir hatten da einen ziemlich duften Keyboarder an der Hand, der früher mal bei MATT BIANCO gespielt hat. Ich sach mal: Es kommt wie es kommt.
Ich habe den Eindruck, dass Steffens Texte etwas melancholischer sind, während du ein bisschen mürrischer textest. Wo siehst du eure Unterschiede?
Erst mal enorm, dass du denkst, dass du weißt – „Wenn du denkst, du denkst ...“ –, wer auf der Platte welchen Text geschrieben hat, weil wir das ja nie dazuschreiben. Aber im Grunde kann man davon ausgehen, dass die Nummern, die Steffen singt, auch von ihm getextet sind, und denn gibt es hier und da noch mal ’ne Nummer, wo er mich als „Interpreten“ aussucht. Ich denke mal die Melancholie kommt bei uns beiden durch, ansonsten bin ich eher so der „Fragment-Texter“ und Steffens Texte sind vielleicht besser zu begreifen, vielleicht aber auch nicht ...
Wovon handelt „Das sind auch so Existenzen“?
Es geht im Grunde um Leute , die nicht verstehen, was wir tun ... aber auch noch um andere Dinge.
In deinen Texten geht’s auch immer wieder um Provinz-Spießigkeiten. Beschreibt „Der einsame Mulero“ dein Wunschrefugium?
Yeah! Nordsee – am Arsch der Prärie!
Was hat sich in den vergangenen Jahren mit Plattendeal im Rücken am meisten für euch geändert?
Mehr Druck, mehr Meilen, mehr Leute. Von allem darf es jetzt ein bisschen mehr sein.
„Ein X für ein U“ klingt nicht unbedingt Musikjournalismus-freundlich. Was nervt euch am meisten an Rezensionen und Interviews? Lest ihr euch die überhaupt noch durch?
Ich mag Musikjornalismus. Es ist nur manchmal merkwürdig, mit wem und was man so in einen Topf geschmissen wird, aber ich lese mir eigentlich alles durch, was so über uns geschrieben wird. Drucken, lochen und abheften. Und dann der Mutter und dem Vater zeigen, die da in einer kleine Kate sitzen, da hinten, wo der Leuchtturm steht, und außer dem „Schleswig-Holstein Magazin“ nichts mehr von der Außenwelt mitkriegen.
Und das Touren? Macht das mit Kindern und fortschreitendem geriatrischen Zerfall noch Spaß, oder ist das für euch nur noch Mittel zum Zweck?
Mir macht Touren Spaß, ich habe das leider mit meinen vorigen Bands nie gemacht. Das ist irgendwie wie „Traumschiff“. Morgens checkt man in den „Logan“, das ist unser Auto, ein und denn geht es los, gegen Nachmittag ist der erste Landgang, alle kümmern sich um uns, lecker Essen, alle sind freundlich. Abends wird aufs Mehl gekloppt. Dann ein Absacker an der Bar und ab in die Außenkabine, nächsten Tag weiter, und da wir uns die komplette Weltumrundung nicht leisten können – finanziell und privat – sind wir nach drei, vier Tagen auch wieder zurück in der Provinz. Und da bin ich der Märchenprinz. Aber du hast schon recht, mit zunehmenden Alter wird das schon schwieriger: Haben wir die Krücken eingepackt? Ist die Bordapotheke komplett? Haben wir den Kindern genug Brote geschmiert und Geld da gelassen, dass die sich auch noch mal ’ne Cola holen können? Und man muss aufpassen! Nicht mehr jedes bunte Getränk annehmen, das einem so angeboten wird, nach der „Show“ die letzten drei Goldenen Haare fönen, dass man sich nicht erkältet, und und und. Aber wovon rede ich, du bist ja auch nicht mehr der Jüngste.
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