Die Hamburger Band KAZIMIR macht Gitarrenmusik, vorzugsweise in Moll. Auch wenn die Band bereits seit dem Jahr 2007 existiert, mag sie auf diejenigen ohne detaillierte Kenntnis ihrer Biografie und Backkatalog wie ein Newcomer wirken. Nach den enttäuschenden Erfahrungen mit ihrem Label beim ersten Album „Keine Zeit für Starallüren“ 2007 folgte die 2010 in Eigenregie veröffentlichte und positiv aufgenommene „Brokenlande“-EP. Angesichts des neuen Albums erscheinen die vergangenen sechs Jahre nun eher wie ein Warmlaufen. Wo andere Bands nach ersten Enttäuschungen desillusioniert von dannen ziehen, bäumen sich KAZIMIR mit ihrem Quasi-Debütalbum „Messlattenblues“ selbstbewusst auf – ohne übertriebene Erwartungshaltung und mit gedämpfter Euphorie. Eric (Gesang, Gitarre) und Christian (Gitarre, Gesang) erzählten mir von ihrer Sturheit und ihrem Durchhaltevermögen.
Gibt es ein Gefühl der Entspannung, könnt ihr wieder durchschlafen, weil ihr wisst, dass „Messlattenblues“ im Kasten ist und der Veröffentlichungstermin steht?
Christian: Von Entspannung in irgendwelcher Form ist bei mir rein gar nichts zu merken. Ich habe extremste Schwierigkeiten einzuschlafen. Je näher der Veröffentlichungstermin kommt, desto aufgeregter bin ich. Ich habe natürlich diese Doppelrolle mit dem Label, daher bin ich auch dafür mitverantwortlich, wie gut es jetzt läuft.
Warum bereut ihr aus der heutigen Perspektive euer erstes Album „Keine Zeit für Starallüren“? Ihr bezeichnet es ja sogar als Jugendsünde.
Christian: Mir ist es nicht peinlich, aber es hat sehr wenig damit zu tun, was wir heute machen. Schon alleine mit dem Titel sind wir einfach in tausend Fettnäpfchen getreten. Es klingt, als ob wir so down to earth seien und keine Starallüren hätten. Das war viel gesellschaftskritischer gemeint, nämlich dass man sich in der heutigen Zeit einem gewissen Druck beugen muss, um zu funktionieren. Damals kam eben einer auf uns zu, der meinte: „Hey, Jungs, ich habe ein Label und finanziere euch teilweise die Platte.“ Da waren wir sofort Feuer und Flamme, ohne darüber nachzudenken, was wir eigentlich machen. Darum bezeichnen wir „Messlattenblues“ jetzt auch als Debütalbum, weil es unser erstes Album ist, bei dem wir letztendlich mit dem Ergebnis hundertprozentig zufrieden sind.
Wie haben sich KAZIMIR seit der Bandgründung verändert und entwickelt?
Christian: Ich finde, wir sind im positiven Sinne realistisch geworden. Da wir früh die Erfahrung mit „Starallüren“ gemacht haben, wo uns jemand extrem viel versprochen hat und wir auch ein wenig naiv an die ganze Sache herangegangen sind. Wir wissen jetzt genau, wenn wir eine Tour buchen, dass es sauschwer wird, plus minus null herauszukommen. Das finde ich ganz angenehm. Klar, wollen wir etwas erreichen, aber nichts, das mit kommerziellem Erfolg zu tun hat. Das hängt zu sehr von Zufällen ab, die man nicht beeinflussen kann. Wir sind also eine relativ zufriedene Band.
Christian, du sagtest mir, dass euch nichts mehr überraschen könne. Besteht da nicht die Gefahr, zu realistisch, fast schon pessimistisch an die Sache heranzugehen?
Christian: Wir sind mit diesem Album, das die Band übrigens zum großen Teil selbst finanziert hat, schon ziemlich große Risiken eingegangen. Das kann eben auch alles gar nicht funktionieren. Uns eine Unlust am Risiko anzudichten, trifft es von daher gar nicht. Wenn wir in einer Woche in sieben verschiedenen Städten spielen, dann kribbelt das noch immer.
In eurem Song „John Hume“ geht es um den letzten Geiger der Titanic. Würdet ihr auch so wie er der Musik bis zum Ende treu bleiben? Spiegelt das die Bandphilosophie wider?
Eric: Das auf jeden Fall. Ich mache das nicht, um meinen Kinder nachher sagen zu können, dass Papa mal zehn Jahre lang in den billigsten Kaschemmen gespielt hat. Ich mache das, weil ich Bock drauf habe. Dazu gehört leider immer auch ein Spagat, weil du das nicht nur machen kannst.
Sind vielleicht Optimismus, Sturheit und eben auch Naivität am Ende der Schlüssel für Beständigkeit und Relevanz?
Christian: Ich glaube, so eine gewisse Dickköpfigkeit braucht man. Es gibt zig Leute, die KAZIMIR tausendmal ausgelacht haben. Und dann kommt diese Band doch immer wieder an und lässt nicht locker. Ich möchte die Genugtuung haben, dass es Leuten gefällt. Das geht aber wohl allen Musikern so. Dem letzten Kritiker zumindest ein „Ja, war okay“ abringen zu wollen. Ich glaube auf jeden Fall, dass wir mehr drauf haben, als wir bislang gezeigt haben, und das möchte ich regelrecht rausposaunen.
Christian, du hast mit drei Freunden das Label My Favourite Chords gegründet. Wie lassen sich Band und Label vereinbaren?
Christian: Die anderen drei helfen mir schon dabei, nicht den Überblick zu verlieren. Vom Label her konzentrieren wir uns gerade ziemlich auf KAZIMIR. Davor haben wir den kleineren YACHTEN/EKLAT-Split-Release gemacht und nun kommt quasi die große Bewährungsprobe. Es ist eher von Vorteil, dass ich so nah an der Band dran bin. Ich glaube, jede Band wünscht sich so einen engen Kontakt zum Label. Man muss sich nicht von anderen abhängig machen, kann im Prinzip alles selbst erledigen, wenn man Bock drauf hat.
Spielte bei der Gründung von eurem Label auch eine Art Trotzreaktion mit hinein, sich nicht mehr auf andere verlassen zu müssen, womöglich als Antwort auf das Desinteresse der hiesigen Labels? Oder war es die sympathisch-arrogante Überzeugung, es sowieso besser zu können als viele andere?
Christian: Beides. Wir wollten erst auf ein Label kommen, da sind wir teils auf Desinteresse, teils auf viel Lob gestoßen. Das war aber nicht verbunden mit einem Plattenvertrag. Dann kam dieser Trotz eben hoch, und zugleich eine gewisse Aufbruchstimmung. Ich glaube, ich hatte schon gefühlte zwanzig Labels im Suff gegründet und dieses Mal war die Zeit eben reif. Auch weil die Zeit drängte, da die Platte fertig war, und irgendwann verliert so ein Ding auch an Aktualität. Dann nahm das alles seinen Lauf. Aber es ist uns wichtig, dass klar ist, dass das kein KAZIMIR-Label ist. Spätestens nächstes Jahr wird sich diese Frage sowieso erübrigt haben, weil es dann das Label von mehreren Bands ist.
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