Mit „Transitions“ legen die Regensburger IRISH HANDCUFFS ein fantastisches neues Album vor, das die Herzen von Fans der alten Emo-Punk-Schule gewiss höherschlagen lassen dürfte. Mit der Rückkehr zum Trio, den äußerst tiefgründigen Texten sowie ihrem noch eingängigeren, rockigeren Sound schlagen sie nun ein neues, spannendes Kapitel ihrer Bandgeschichte auf, wie uns Sänger und Gitarrist Florian Kötterl erzählt.
Acht Jahre sind seit der Veröffentlichung eures letzten Albums „... Hits Close To Home“ vergangen. Es folgten einige Kleinformate, doch jetzt ist mit „Transitions“ endlich die neue Langspielplatte raus. Was ist in der Zwischenzeit passiert?
Zunächst haben wir nach der ersten LP so ziemlich alles gespielt, was wir kriegen konnten. Natürlich viel in und um Deutschland, aber wir waren auch mehrmals in England, den USA und Kanada, wo wir jeweils kleine Touren rund um das Fest in Gainesville oder das Pouzza Fest in Montreal gespielt haben. Wir haben aber parallel immer weiter Songs geschrieben und Demos aufgenommen. Diese Songs sind entweder direkt auf den von dir erwähnten Split-Releases oder EPs gelandet, aussortiert oder dann eben für „Transitions“ aufgenommen worden. Zwischendurch haben wir uns auch von unserem Gitarristen Clausi getrennt, der nach der ersten EP zur Band kam. Seitdem sind wir wieder ein Trio wie zu Beginn. In den Jahren vor der Pandemie haben wir unsere Aktivitäten zugunsten von Jobs, Familie und so etwas zurückgeschraubt, bevor mit Corona dann die Zwangspause kam.
Der Albumtitel bringt die gegenwärtige Zeitenwende mit Krieg, Klimakollaps, Energiekrise, Inflation unmittelbar auf den Punkt. Welche Umbrüche habt ihr selbst als besonders gravierend wahrgenommen und welche davon haben euch beim Schreiben der Platte am meisten beeinflusst?
Tatsächlich spielt „Transitions“ eher auf die oben erwähnten privaten Veränderungen und die damit einhergehende andere Herangehensweise an die Band an. Der Titel stand schon vor der Pandemie fest, aber passt natürlich gut zur aktuellen Lage. Es gibt zwar textlich Verweise etwa zur Klimakrise, aber diese dienen eher als Hintergrund, vor dem sich die persönlichen Ereignisse abspielen.
Eure neuen Songs wirken etwas introvertierter als früher, musikalisch macht sich auch ein verstärkter Indie-Einschlag bemerkbar, der euch exzellent zu Gesicht steht. Unterstrichen wird dies ebenfalls durch den kompakteren Sound mit seinen verspielten Bassläufen und den etwas weniger gainlastigen Gitarren. War das eine eher unbewusste Entwicklung oder habt ihr ganz explizit versucht, neue Facetten auszuloten?
Das stimmt, gerade der etwas cleanere Gitarrensound war etwas, das wir sehr bewusst gemacht haben. Als wir konkreter an die LP herangingen, haben wir oft das aktuelle Album von THE CREEPS gehört, auf dem sie sich auch etwas von ihrem früheren Pop-Punk in Richtung Alternative/Indie und weniger Verzerrung bewegt haben. Der älteste Song auf „Transitions“ stammt allerdings von 2015 und der neueste von Anfang 2020, wir haben also nicht in eine bestimmte Richtung geschrieben, sondern gesammelt und dann herausgepickt, was uns gefiel und gut zusammen funktioniert. Zudem haben wir darauf geachtet, dass die Arrangements unsere Rückkehr zum Trio widerspiegeln und live auch gut umsetzbar sind, wodurch dem Bass eine noch prägnantere Rolle zukam. Schön, dass das auch bei dir so rüberkommt!
In „Boat abandoned“ singt ihr über zwischenmenschliche Konflikte, die zu Misstrauen führen und letztlich in einem regelrechten Albtraum münden. Trotzdem endet der Song damit, dass der/die Protagonist:in bleibt, ohne genau zu wissen, warum. Ist der Song also eine Hymne auf die eigene Resilienz, auf den Glauben an die eigene Stärke, obwohl eine Situation eigentlich aussichtslos erscheint?
Statt eine gute Situation zu genießen, grübeln wir ständig, ob es da draußen nicht doch noch etwas Besseres gibt. Sei es in Beziehungen oder bei sonstigen Lebensentscheidungen. Die Person im Song ist hin- und hergerissen und am Ende zu lethargisch oder vielleicht auch zu ängstlich, um weiterzuziehen. Zu einem gewissen Teil hat sicher jede:r schon mal derartige Erfahrungen gemacht oder sieht sich hin und wieder mit solchen Gedanken konfrontiert. Wahrscheinlich verstärken die sozialen Medien dies heute noch. Sie zeigen ständig, was andere für ein tolles Leben zu haben scheinen oder welche schier unendlichen Optionen es da draußen gibt. Ich finde deine Ansätze aber auch interessant.
Die Aufnahmen von „Transitions“ erfolgten über einen längeren Zeitraum 2020 und 2021 und fallen somit genau in die Phase der Corona-Pandemie. Während viele Menschen fast in eine Art Schockstarre verfielen, scheint ihr hingegen ein gutes Vehikel gefunden zu haben, um die Sache kreativ zu verarbeiten, oder?
Ein Großteil der Songs war ja schon geschrieben, bevor das alles losging. Aber trotz des Wegfalls von Live-Shows ein Projekt zu haben, war auf jeden Fall wichtig, da die Band einen gewichtigen Platz in unserem Leben einnimmt. Allerdings waren fehlende Deadlines und unsichere Aussichten auch manchmal lähmend. Ich bin jemand, der ohne einen gewissen Druck schlecht Sachen zu Ende bringen kann, haha.
Wie hat sich euer Bandalltag seitdem verändert? Arbeitet ihr mehr über digital vernetztes Songwriting und Home-Recording?
Auch unabhängig von Corona und Lockdowns haben wir uns mehr in diese Richtung entwickelt. Wir schaffen es einfach nicht mehr, so regelmäßig zu proben wie früher. Ich nehme eigentlich ständig irgendwelche Schnipsel auf, und wenn ich Zeit finde, entstehen daraus mal mehr, mal weniger fertige Songs, die ich dann den anderen schicke. Finden sie eine Idee auch interessant, spielen wir es zusammen im Proberaum. Fühlt es sich dann immer noch gut an, machen wir ein Garage-Band-Projekt als Demo, das alle bearbeiten können. Flo kann also zu Hause Bass und Gesang dazu aufnehmen und Dennis programmiert die Drums dazu. Im Vergleich zur ersten Platte waren daher die Demos für „Transitions“ schon ziemlich ausgearbeitet. Bei den eigentlichen Aufnahmen haben wir dann die Drums und den Gesang im Studio, Bass und Gitarren bei Flo zu Hause eingespielt.
Nicht nur für Musiker:innen waren die vergangenen drei Jahre eine große Bewährungsprobe, auch für die gesamte Veranstaltungsbranche kam es zu einer harten Zäsur. Wie erlebt ihr die gegenwärtige Situation?
Für uns als eher kleine Band ist es schade, aber nicht existenziell, da wir nicht auf Einnahmen durch die Musik angewiesen sind. Allerdings merken wir schon, dass es aktuell schwieriger ist, Konzerte zu buchen. Der Vorverkauf hat für uns nie eine große Rolle gespielt. Plötzlich ist es aber auch bei manchen unserer Shows ein Thema, das die Promoter ansprechen. Wirklich hart ist es für die mittelgroßen Bands, die von Gagen und Merchverkäufen leben, und natürlich für alle Beschäftigten abseits der Bühne.
Aber ist es nicht besonders schlimm, wenn man gerade ein neues Album veröffentlicht hat, mit dem man eigentlich erst recht auf die Bühne möchte?
Wir haben uns mit der Veröffentlichung wirklich so lange Zeit gelassen, bis einigermaßen abzuschätzen war, dass wir auch Shows spielen können. Den Juni über waren wir auch jedes Wochenende unterwegs, mit der Release-Party in Regensburg, Shows in England rund um den Bristol Booze Cruise und zum Abschluss noch das Familientreffen beim Hamburger Booze Cruise. Zum Glück konnte alles stattfinden und wir haben erst nach dem letzten Konzert Corona bekommen, haha.
Wie sehen eure Pläne für 2023 aus, können wir euch wieder vermehrt live bestaunen?
Wir werden sicherlich nicht mehr zum Pensum der ersten fünf Jahre zurückkehren, aber wir arbeiten an einer passenden Mischung aus kleinen Konzerten, netten Festivals und vielleicht einer guten Support-Show hier und da. Kommt vorbei!
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