IRISH HANDCUFFS

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Keeping things simple

Wer seine Band augenzwinkernd IRISH HANDCUFFS nennt, den Alkohol lieber trinkt, als darüber zu singen, und tief in menschlichen Befindlichkeiten gräbt, kann nur zu den Guten gehören. Das sagt bereits viel über die Qualitäten der Regensburger Band aus und wird von ihren leichtfüßigen Punkrock-Songs deutlich bestätigt. Nach diversen EPs erscheint via Fond Of Life und Shield nun das erste Album mit dem Titel „... Hits Close To Home“ – angelehnt an einen THE GET-UP KIDS-Song – , über das ich mit Sänger/Gitarrist Florian „Kötti“ Kötterl (ex-RED TAPE PARADE) und Schlagzeuger Dennis Forster sprach.

2011 habt ihr diese Band mit dem charmanten Gedanken gegründet „to keep things as basic as possible“, warum?

Kötti: IRISH HANDCUFFS waren anfangs ein Nebenprojekt. Der Grundgedanke war, zu dritt zu spielen – wie GREEN DAY, meine erste Lieblingsband im Punk-Bereich, oder eben THE LAWRENCE ARMS, JAWBREAKER und ALKALINE TRIO, die ebenfalls, zumindest theoretisch, zu dritt waren. Am Anfang sollte das mehr wie SAMIAM werden, das hat aber gleich bei der ersten Probe nicht geklappt. Also war’s dann doch die Musik, die ich immer schon gemacht habe. Wir haben die ersten Songs dann durch Zufall schon nach ein paar Wochen aufgenommen und hatten so schon zum ersten Konzert ein paar Monate später vier Songs online – und das Feedback darauf war wahnsinnig gut!

Eine Band wie ALKALINE TRIO hat über die Jahre eindrucksvoll bewiesen, dass die einfachsten Akkorde in leicht abweichender Reihenfolge für frischen Wind sorgen können. Haben die Vorbildfunktion?

Kötti: ALKALINE TRIO haben ja doch einige Platten gemacht. Spätestens mit der vierten kamen dann die Streicher und der atmosphärische Kram. Die haben sich immer weiterentwickelt. Aber als sie wieder „back to basics“ wollten, hat es nicht so gut funktioniert. Wenn man als Band einmal über einen bestimmten Punkt hinaus ist, kann man nicht einfach wieder diesen Schritt zurück machen.

Wie steht ihr denn zu Musik mit hohem Kunstanspruch wie von Bands wie THE MARS VOLTA?

Kötti: Das ist nichts, was sich mir erschließt. Die sehen da bestimmt etwas drin, aber für mich ist es einfach nur gewollt abgedreht, krampfhaft nach etwas Neuem suchen. Den Wunsch kann man aber dennoch nachvollziehen, glaube ich.

Dennis: Das darf ruhig virtuos sein, beispielsweise bei PROPAGANDHI. Wenn’s kickt, ist es ja super. Wenn es jetzt nur irgendwie Hochkultur sein soll, dann ist es nicht meins.

Kötti: Mir ist gutes Handwerk lieber als überspitzte Kunst.

Ich habe den Eindruck, dass ihr auf eurem Debütalbum schon sehr nah an einem eigenen Sound seid. Man neigt bei hymnischen Punkrock oft dazu, den Sound als irgendwie „amerikanisch“ zu beschreiben. Wie seht ihr das?

Kötti: Ich denke, dass 90% davon, was ich so höre, aus den USA kommt. Bei meiner alten Band RED TAPE PARADE war es schon genauso. Da hieß es in Reviews dann immer „Punk amerikanischer oder kalifornischer Prägung“. Da kommt’s eben auch her. Dementsprechend hat solche Musik nie die Wertigkeit wie bei einer US-Band. Und so werden etwa die Österreicher ASTPAI die ewige Vorband von irgendwelchen US-Bands bleiben. Es ist zwar immer schön, auf so einer Tour dabei zu sein, aber man hat das Gefühl, dass das nie allein funktionieren würde.

IRISH HANDCUFFS wurden bereits Ende 2011 gegründet, also gut ein Jahr vor der Krebsdiagnose deines RED TAPE PARADE-Mitstreiters und guten Freundes Wauz. Gab es für dich nach seinem Tod dennoch einen Moment, wo du mit der Musik aufhören wolltest?

Kötti: Nein, nie, ganz im Gegenteil. Klar, das war eine Scheißerfahrung, aber ich wüsste nicht, warum das ein Grund dafür sein sollte, keine Musik mehr zu machen. Das klingt jetzt pathetisch, aber es bedeutet mir so viel, dass es die Option Aufhören gar nicht gibt. Ich habe gerade beispielsweise mein Referendariat aufgeschoben, um so mehr Energie in die Band investieren zu können. Ich war echt dankbar, dass ich noch eine Band hatte. Und ich glaube, dass es allen Mitgliedern von RED TAPE PARADE so ging. Wauz war auch der allererste Mensch, der mir positives Feedback zu IRISH HANDCUFFS gegeben hat. Die Songs waren gerade ein paar Minuten online und schon kam eine SMS von ihm. Wir hatten größtenteils denselben Musikgeschmack und ich weiß, dass er auch ein absoluter Nerd war. Das bedeutete mir immer sehr viel.

Inwiefern sind IRISH HANDCUFFS von RED TAPE PARADE geprägt, lebt etwas von denen in der neuen Band weiter?

Kötti: Ja, und ich habe das vor allem bei der letzten Sommertour gemerkt, auf der ich an viele Orte zurückgekehrt bin, an denen ich schon mit Wauz war. Wir haben eine RTP-Whatsapp-Gruppe und da habe ich dann geschrieben: „Wisst ihr noch damals?“

In „Too close to home“, dem letzten Song des Albums, zitierst du den Satz „I know some magic works“ aus „Leap year of faith“ von RED TAPE PARADE. Was genau soll das aussagen?

Kötti: Der ganze Song ist so verrückt und ja völlig anders als jeder andere RED TAPE PARADE-Song. Was viele nicht wissen: der Text war fertig, bevor Wauz die Krebs-Diagnose bekam. Das ist also eigentlich kein Stück über seine Krankheit. Als wir die Demo-Version dann fertig hatten, war es völlig gespenstisch, wie der Song zu der aktuellen Situation passte. Lange war aber nicht klar, dass diese Textzeile auch in „Too close to home“ vorkommt. Ich dachte mir dann aber, es wäre schön, wenn es auf dieser ersten LP eine sehr deutliche Referenz an ihn gibt.

Ist dein Anspruch ans Leben nach dieser Erfahrung ein anderer? Stellst du dir existenziellere Fragen?

Kötti: Doch, schon. Einige Jahre davor habe ich meinen Papa durch Krebs verloren. Nicht, dass Wauz mich härter getroffen hat, nur ich fand es viel ungerechter. Mein Vater hatte ein gewisses Alter – obwohl man ja immer zu jung ist. Wauz und ich aber waren gleichaltrig. Vor allem war es ja auch kein Lungenkrebs, sondern etwas ganz Banales, was dich zufällig erwischt und ausradiert. Wauz’ Schwester hat bei der Trauerfeier gesagt, wir sollten viel häufiger machen, worauf wir Bock haben. Da sind wir wieder beim Thema IRISH HANDCUFFS. Ich würde das jetzt nicht auslegen im Sinne von „Scheiß auf Morgen“. Ich lebe zukunftsgerichtet, aber in einem gewissen Rahmen auch für den Moment. Studienkollegen fragen, ob ich damit Geld verdiene. Die verstehen das nicht, wenn man mit so einer Miniband tourt und andere Sachen dafür aufgibt. Ich glaube, im PASCOW-Interview wurde das auch thematisiert: „Warum schläfst du mit 31 noch auf der bepissten Matratze im JuZ?“

Alles muss erst schlimmer werden, bevor es besser wird, um mit einem anderen Blick auf die Dinge den Arsch hochzubekommen.

Kötti: Es ist so abgelutscht, aber man wird ja älter. Als ich jünger war, hat meine Oma mal gesagt: „Wennste mal alt bist, vergeht die Zeit immer schneller.“ Damals dachte ich, das geht so mit sechzig los, aber nicht mit zwanzig. Die Zeit vergeht. Es haben so viele Platten dieses Jahr ihren zwanzigsten Geburtstag, die ich mir damals überspielt oder gekauft habe, von GREEN DAY oder JAWBREAKER. Man kann sich also wirklich vorstellen, dass man mal vierzig oder fünfzig ist. Das sind schon so Gedanken, die sich in den Songs wiederfinden.

Selbst bei einem Namen wie IRISH HANDCUFFS umschifft ihr clever die beliebte Allzweck-Inspirationsquelle Alkohol. Bei euch heißt das dann in „White Coat Syndrome“: „Good morning new disease“. Das ist nicht nur ungleich melancholischer, sondern auch ein gewollter JETS TO BRAZIL-Verweis.

Kötti: Genau. Es geht hier auch nicht um einen Kater am Morgen danach, sondern darum, dass ich ein furchtbarer Hypochonder bin.

In diesem Song wünscht sich Blake: „Love come like an axe to all this ice and set me free“. Wie werdet ihr nicht zu Zynikern?

Kötti: Dass mein Vater und Wauz gestorben sind, hat die Perspektive auf einige Dinge schon so verschoben, dass ich mich wesentlich weniger über Kleinigkeiten aufrege. Ich weiß noch genau, wie es war, bevor mein Vater erkrankte. Mein Studium hatte angefangen und ich hatte das Gefühl, das führe alles ins Nichts. Aber als diese schlimme Krankheit im Raum stand, habe ich mich schon gefragt, was ich die Woche davor als so schlimm empfand.

Dennis: Es ist durchaus vieles besser, das früher vielleicht nicht so gut war. Man sieht Probleme, aber man sieht auch den Weg, sie zu lösen.