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Mit „Access All Worlds“ hatten die Brüder Jesper und Jens Nicolai samt ihrer dreiköpfigen Mannschaft eines der spannendsten Alben im Progressive Death Metal veröffentlicht. Nun legen die Dänen mit „Kinship“ sogar noch einen drauf. Wir sprechen mit Jesper über Struktur und Produktion.

Als ich mit deinem Bruder über die letzte Platte sprach, sagte er mir, dass die neue bereits in Arbeit sei. Ist es das Material, das wir jetzt hören können?

Es wird einiges Material auf dem neuen Album geben, das aus dieser Zeit stammt, ja. Genau wie bei „Access All Worlds“ neigen wir dazu, zu viele Songs zu schreiben, und wenn wir dann so etwas wie eine Albumstruktur von Songs haben, dann wird klar, welche Songs wie stark sind. Wir scheuen uns nicht, etwas wegzuwerfen, um es durch etwas vielleicht Besseres zu ersetzen. Wir denken auch, dass die Songs fast schon miteinander reden. Wenn wir also, sagen wir mal, acht Songs irgendwie fertig haben, denken wir, okay, dieser Song ist vielleicht nicht so stark wie die anderen sieben, und er fügt dem Album nichts Wesentliches hinzu, dann lassen wir den weg und schreiben etwas Neues, um das Album als solches in irgendeiner Weise zu vervollständigen.

Ihr erzählt auf dem Album wieder eine Geschichte. Aber das Ganze hat musikalisch nicht die Struktur, die ich vermutet hätte. Vor allem in der zweiten Hälfte. Ich hätte erwartet, dass es nach der Ballade „Iridescent way“ einen weiteren Track gibt und dann den großen Höhepunkt. Aber man kann es auch andersherum machen. Für mich klingt der letzte Track „The anguished ethereal“ eher wie ein Epilog.
Mein Bruder und ich schreiben die Arbeitstitel der Songs gerne auf Papier und haben sie sozusagen physisch vor uns, um einen besseren Überblick über die Dinge zu bekommen. Das ist sehr wichtig für uns, genauso wie die Strukturierung der einzelnen Songs. Aber es ist sehr interessant, dass du die Beschreibung Epilog für den letzten Track benutzt. Mal einen kurzen Abriss über die Geschichte des Albums: Alles dreht sich um eine Hauptfigur und ihren Bruder. Sein Bruder ist plötzlich verloren und nicht mehr mit der Welt verbunden, und das erschreckt die Hauptfigur zutiefst. Die Hauptfigur hat das Gefühl, dass der Stamm, die Gesellschaft, der er angehört, seinem Bruder etwas angetan hat. Also flieht er. Die Hauptfigur flieht vor einem Heim, das versucht, ihn zu fangen. Und dann folgt man dieser Hauptfigur durch verschiedene Szenarien und verschiedene Gedankenmuster. Und schließlich im vorletzten Stück namens „Earth to sky“ gibt er auf und kehrt er zu seinem Stamm zurück. Dann bereitet der Stamm ein Ritual vor, bei dem sie ihn unter Kontrolle bringen wollen. Sie trennen gewissermaßen seinen Körper von seiner Seele. Schließlich haben sie die volle Kontrolle über den Körper und die Seele kann abwandern. Genau das passiert in „The anguished ethereal“, dem letzten Stück. Es ist wie ein Epilog zu den Folgen des Rituals? Sein Geist und seine Seele wandern in die Ewigkeit und beschäftigen sich damit, dass er seinen Bruder verloren hat, dass er sich selbst verloren hat. Er sucht überall. Er hat die völlige Freiheit, als Verstand, als Geist umherzuwandern, um eine Art Trost, ein Zuhause und einen Sinn zu finden, den er natürlich in vielerlei Hinsicht nicht in seinem Stamm gefunden hat.

Warum habt ihr Jens Bogren nicht das Album, sondern nur die Single „Mistland“ letztes Jahr, produzieren lassen?
Das ist eigentlich ganz einfach. Jens Bogren hat einige besten Alben aller Zeiten gemacht. Alle fünf von uns bei IOTUNN denken das. Das ist auch der Grund, warum wir ihn ausprobieren wollten. Ich glaube, die Entscheidung, es mit Jens Bohren zu versuchen, kam daher, dass wir organischer klingen wollten, als wir es auf „Access All Worlds“ getan haben. Und ganz, ganz einfach gesagt, weil wir eine ganze Reihe von Perspektiven in dieser Sache hatten, aber wenn wir hier Zugang haben, dann haben wir eine Liste von, ich glaube, zwanzig Top-Produzenten gemacht und dazu von jedem vielleicht fünf Songs von fünf verschiedenen Alben. Dann haben wir angefangen sie durchzuhören. Und es gibt eine Menge großartiger Produzenten da draußen, aber der Pfeil zeigte in Jacobs Richtung, als wir diesen ganzen Prozess absolviert haben. Außerdem wollten wir unbedingt einen organischeren Sound, aber immer noch mit großen, breiten Drums. Jacob Hansen ist ein phänomenaler Drum-Mischer.

Habt ihr schon vor den Aufnahmen mit Jacob gesprochen oder erst alles alleine aufgenommen?
Als wir uns entschieden haben, Bogren nicht für das ganze Album zu nehmen, hatten wir, wenn ich mich richtig erinnere, diese ganze Liste und sind all diese verschiedenen Produzenten durchgegangen und wir haben uns entschieden, okay, mit Jacob Hansen wäre es super. Und dann haben wir ihn kontaktiert und er sagte, in Ordnung, ich werde versuchen, „Mistland“ zu mischen. Nicht, um es mit Bogren zu vergleichen, sondern um zu sehen, ob es etwas ist, das ihm liegt. Ob das Ergebnis etwas ist, bei dem wir das Gefühl haben „Okay, lass uns das machen“. Also hat er ein paar Tage in die Abmischung gesteckt. Er hatte tatsächlich fast einen kompletten Mix von „Mistland“ gemacht, nur um herauszufinden, ob wir überhaupt zusammenarbeiten sollten. Er hat an so vielen Platten gearbeitet, auch ganz unterschiedlichen. Ich glaube, wir haben erst mit Jacob gesprochen, als wir zu ihm gingen. Wir waren dann ziemlich oft mit ihm zusammen im Studio, um das Album zu mischen. Ich habe ihn auch gefragt, wie viele Bands tatsächlich ins Studio kommen, um ihre Alben zu mischen. Es war für mich wirklich schockierend, dass er sagte, es seien etwa 10% oder so. Es gibt so viele Bands da draußen, die jahrelang an ihrer Musik arbeiten und dann schicken sie sie einfach irgendwohin, lehnen sich zurück und bekommen dann das Ergebnis vorgelegt. Ich würde kaputt gehen. Du hast einen extrem professionellen und fähigen Top-Produzenten und könntest dabei über alles mit ihm sprechen. Das ist für mich im Albumprozess wesentlich. Die andere Möglichkeit wäre, dass er etwas macht, es dir schickt und du es dann überarbeitest und er das Ganze noch einmal machen muss. Meiner Meinung nach ist das fast unmöglich, weil ich so viele Ideen und Perspektiven habe, die nicht in Form von Hin- und Herschicken kommuniziert werden können. Es geht um die Kommunikation vor Ort, um das gemeinsame Erstellen des Mixes. Das ist wirklich wichtig für den Sound.