Ja, es gibt sie noch, die Labels, auf deren Output man sich 100% verlassen kann, und Larry Hardy mit In The Red ist eines davon. In den letzten zwei, drei Jahren hat er keine einzige Platte veröffentlicht, die mich nicht begeistert hat, etwa von DIRTBOMBS, LOST SOUNDS. MYSTERY GIRLS, HORRORS, PONYS, COUNTRY TEASERS, REIGNING SOUND, DEADLY SNAKES, DEMOLITION DOLL RODS oder SPEEDBALL BABY. Es war also längst schon an der Zeit, den Mann hinter dem kalifornischen Ausnahmelabel mal ans Licht der Öffentlichkeit zu zerren.
Wo und wann bist du an Punkrock gekommen? Welche Bands waren dabei wichtig für dich?
„Ich war in der glücklichen Situation, ein paar coole, ältere Typen zu kennen, die mich, als ich noch sehr jung war – inzwischen bin ich vierzig – mit großartiger Musik in Verbindung brachten. Mir trat Punkrock also so 1976/77 ins Bewusstsein, und hat mein Leben selbstverständlich verändert. Meine Lieblingsbands waren die RAMONES, die SEX PISTOLS, die DAMNED und die SAINTS. Die CRAMPS haben meine Sicht auf die Musik total verändert, ich habe die Band immer geliebt.“
Wann und warum hast du das Label angefangen?
„Ich hatte die Idee mit dem Label ‘91. Der Hauptgrund dafür war, dass ich eine Single der GORIES rausbringen wollte. Sie waren die erste Band, die ich fragte, sie sagten ‚Ja‘, und ich war im Geschäft“
Wie hast du das angestellt? Ich meine, hattest du Erfahrung darin, Platten zu veröffentlichen? Wie bist du an das Geld gekommen?
„Ich selbst hatte mit so etwas keine Erfahrung, kannte aber Menschen, die schon Platten gemacht haben. Long Gone John von Sympathy For The Record Industry und Tim Warren von Crypt sind Freunde von mir, und ihre Ratschläge waren sehr hilfreich. Das Geld habe ich von meinem Lohn als Aushilfe in einem Lebensmittelladen zusammen gekratzt.“
Welche Personen oder Labels waren deine Vorbilder?
„Der eben erwähnte Tim Warren war so was wie ein Vorbild. Ich mochte die Idee von einem Label, das genre-spezifische Platten veröffentlicht. In The Red sollte eine Firma sein, die für ihren rauen Rock‘n‘Roll und abgefuckten, garageigen R&B bekannt ist.“
Wie findest du Bands zum Veröffentlichen? Kriegst du viele Demos geschickt?
„Ich habe eine Menge Demos in der Post, aber bei den meisten Bands, die mir dann wirklich gefallen, ist es so, dass sie meistens schon was auf einem kleinen Label draußen haben.“
Wer sind die Personen hinter dem Label?
„Ich selber und mein Freund Jimmy Hole sind die einzigen Beschäftigten. Jimmy kümmert sich um Artwork, Grafiken, Website und so weiter.“
Gibt es eine Geschichte hinter eurem Namen? Halt irgendwas, was sich nicht nur mit eurem Logo erklären lässt?
„Der Ausdruck steht für den rauen, explosiven Lo-Fi-Sound, den ich auf unseren frühen Veröffentlichungen haben wollte. Es bedeutet einfach nur, dass die Aufnahmen an einen bestimmten Punkt von Verzerrung und Overdrive gebracht worden sind.“
Ist das Label ein Hobby für dich, oder ist es dir möglich, davon zu leben?
„Ursprünglich musste ich noch nebenher arbeiten, inzwischen ist es aber Vollzeitbeschäftigung. Nebenher kümmere ich mich von meinem Büro aus noch um ein anderes Label, das Birdman Records heißt und meinem Freund David Katznelson gehört.“
In den letzten zwei Jahren habt ihr eine Menge großartiger Alben rausgebracht, davor war es etwas ruhiger. Wie kommt‘s?
„Ich habe meinen Output stetig erweitert, während sich das Label entwickelte. Inzwischen kann ich es mir einfach leisten, mehr Sachen zu veröffentlichen, also tue ich es. Momentan gibt es eine regelrechte Flut an neuen guten Bands, das war vor fünf, sechs Jahren nicht so.“
Hast du eine spezifische „Labelpolitik“?
„Es müssen Bands sein, die ich wirklich mag, das ist alles.“
Gibt es eine Verbindung zu einer speziellen Szene in LA, wo das Label ja ansässig ist?
„L.A. ist eine Stadt mit reichhaltiger musikalischer Vergangenheit. Allerdings liegt die Stadt, was guten Rock‘n‘Roll angeht, seit langer Zeit trocken. Es gibt keinen Anschein einer Szene und nur vereinzelt gute Bands. Die Sachen, auf die ich mich konzentriere, sind hier besonders unbeliebt. Also muss ich ‚Nein‘ sagen, es gibt keine Verbindung zur Szene hier. Aber folgende L.A.-Rockbands mag ich zur Zeit: THE FLASH EXPRESS, THE STARVATION, THE FUSE! und THE LAMPS.“
Hat es eine Bedeutung für dich, ein Indie-Label zu betreiben? Was denkst du über Majors? Irgendwelche negativen oder positiven Erfahrungen?
„Ich bin nicht per se gegen Majors, aber die meiste Musik, die ich kaufe, kommt über Indie-Labels, das ist schon seit Jahren so. Momentan sieht es so aus, als wären die Majors auf dem falschen Weg, während all die Indies gedeihen. Nimm die PONYS auf meinem Label, die Majors reißen sich um sie. Sie wollen aber nicht, für sie macht eine junge Band ohne wirklich große Fanbase auf einem Major keinen Sinn. Sie denken, es wäre ihr Ende. Es sind schon seltsame Zeiten, in denen eine Band mit der Option eines Vertrags mit Sire bei In The Red ist. Im Übrigen habe ich positive wie auch negative Erfahrungen mit Majors gehabt.“
Vinyl? CD? Was bevorzugst du? Verkauft sich eines von beiden auf den unterschiedlichen Märkten besser oder schlechter?
„Ich mache immer noch Vinyl, weil ich es liebe. Mein Lieblingsformat ist ein Album in 12“-Größe – am besten schwarz, denn ich denke nicht, dass Vinyl farbig sein sollte –, damit bin ich aufgewachsen. Was aber nicht heißt, dass ich die CDs, die ich kaufe, nicht mag. Die meisten Platten verkaufe ich in Europa. Es sieht so aus, als würdet ihr Vinyl noch mögen, einer der Gründe, warum ich Europa mag.“
Wie beeinflussen Downloads die Arbeit eines Labels?
„Einem Label wie meinem hilft es sicherlich, wenn Songs online verfügbar sind. Ich habe nicht die Möglichkeiten, die Musik ins Radio zu bekommen. Viele Leute haben mir erzählt, dass sie Songs online gehört haben und sich dann das Album zugelegt haben. Es ist eine tolle Form von Werbung.“
Was für Bands oder Stile würdest du niemals machen?
„Reggae, Opern, Techno, Dance. Es gibt einiges, was ich nicht machen würde ...“
Was war bis jetzt dein größter Erfolg? Was war die größte Endtäuschung?
„Die DIRTBOMBS haben sich als Erfolg erwiesen, genauso wie die Sachen von BOSS HOG und PUSSY GALORE. In den Staaten gehen auch die vorhin erwähnten PONYS ganz gut und auch die Verkaufszahlen von REIGNING SOUND sind bemerkenswert. Die größte Enttäuschung? Die Pleite mit Dan Melchiors ‚Bitterness, Rage, Spite & Scorn‘. Ich war davon überzeugt, dass mit dem Album einiges gehen würde. Unglücklicherweise ist er mit dem Album nicht getourt und hat keine Promotion gemacht, also hat er auch keine Presse bekommen. Noch schlimmer war allerdings, dass er den Mangel an Aufmerksamkeit mir in die Schuhe schieben wollte. Er verließ das Label und veränderte die Richtung seiner Musik – meiner Meinung nach in die falsche Richtung. Traurigerweise sieht es so aus, als hätte sich seine Band aufgelöst – eine Schande.“
Deine Lieblingsband, die nicht auf dem Label ist? Welche Band hättest du gerne bei dir?
„Die A-FRAMES, aber auch die Bands aus ihrem Dunstkreis wie THE INTELLIGENCE oder die DIPPERS. Außerdem mag ich die BLACK LIPS, BLACK TIME und die FATALS.“
Was können wir in Zukunft von dir erwarten?
„In diesem Jahr kommt noch ein Album von den HUNCHES, sowie eins von LOST SOUNDS. Ebenfalls dieses Jahr erscheint eine 12“ von LOST SOUNDS, den PIRANHAS, den LAMPS, den COUNTRY TEASERS und VOLT. Nächstes Jahr gibt es dann eine Single-Compilation von den DIRTBOMBS, neue Alben von den DEADLY SNAKES, sowie den PONYS und eine Menge andere Überraschungen.“
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #56 September/Oktober/November 2004 und Joachim Hiller