IDIOTS

Foto© by Wolfgang Heisse

Never give up!

Das neue Album der Dortmunder Punkband IDIOTS, „König der Idioten“, ist für mich jetzt schon eines der Highlights des Jahres 2023. Die Platte könnte ohne weiteres aus den Achtziger Jahren stammen, ohne deshalb antiquiert und verstaubt zu klingen. Außerdem startet im September die „40 Jahre Idiots Records Label Tour“. Darüber sprechen wir mit Sänger und Punk-Urgestein Hannes, sowie über IDIOTS und Punk in Dortmund in den Achtziger Jahren und natürlich auch darüber, wie es mit Punk für ihn losging.

Du hast schon 1972 zum ersten Mal auf der Bühne gestanden und bist in einer Theatergruppe namens „Frei nach Schnauze“ nach dem Vorbild der damaligen Kultserie „Ein Herz und eine Seele“ aufgetreten. Wie du uns im letzten Interview erzählt hast, warst du meistens der Sohn, der anders war als die anderen Kinder, und hast dich dabei selbst gespielt. Kannst du uns von deinen Kindheitserfahrungen erzählen?

Schon im Kindergarten und anschließend in der Grundschule setzte ich mich für Schwächere ein, die von andern Bad Boys gehänselt und geschlagen wurden, und erteilte den Mobbern mit meinen Judo-Tricks eine Lektion. Ich hatte einen sehr ausprägten Gerechtigkeitssinn und unter jedem meiner Zeugnisse stand, ich müsste mich besser mit meinen Mitschülern vertragen, dabei fing ich nie Ärger an. Wenn dann die Pausenaufsicht kam, lag ich für gewöhnlich auf einem der Pissgesichter ... Die Rheinische Straße im Dortmunder West End – dort befindet sich mein Geburtshaus und seit 1992 der Sitz von Idiots Records – hinter der Dorstfelder Brücke war ein heißes Pflaster mit richtigen Kinderbanden. In sehr jungem Alter merkte ich, dass ich anders war als alle anderen Kinder, und es begann mein Interesse und Aufmerksamkeit für die Musik, die damals in unserer Küche im Radio lief und zu der meine Mutter mitträllerte. Da merkte ich schnell, dass es neben den Schlagern, die damals teilweise innovativ komponiert waren und gute Texte hatten, auch noch Elvis oder BEATLES gab, die mich viel mehr packten und verzauberten. Bei meiner Oma, auch „Wacholder Ilse“ genannt, da sie damals in sämtlichen Kneipen im Dortmunder Westen – ja, in der Rheinischen Straße –, zum Beispiel im Treppchen, sämtliche Männer unter dem Tisch trank, musste ich immer Heintjes „Oma so lieb, Oma so nett“ oder „Mama“ in Dauerschleife hören. Wenn ich dann nach den Trinkorgien unserer Familie – mein Opa Hans war auch Alkoholiker – im Alter von drei Jahren die Gläser wegräumen sollte, trank ich oft die Schnapspinnchen leer. Später mit fast neun Jahren bekam ich durch Frank, Freak und Bruder meines damaligen Schulfreunds Manni, bei dem zu Hause ganz skurrile Hippiemucke dröhnte, ganz andere musikalische Impulse. Im dritten Schuljahr der Grundschule hörten wir in der Pause mit einem Kassettenrekorder Songs wie „Silver machine“ von HAWKIND oder „Animals“ von PINK FLOYD, rauchten dabei Joints und begannen die Welt aus anderen Blickwinkeln zu spüren, zu riechen und zu sehen. Natürlich hatten wir auch nette Mädchen am Start und spielten Flaschendrehen ...

Und dann kam Punk?
Ich liebe es, mich zu schminken, seitdem ich zwölf Jahre alt bin, weil ich das damals als Fan von T. REX cool fand. Einer meiner ersten Longplayer war neben PINK FLOYD auch URIAH HEEP. 1976, als ich das Ohr immer am englischen Radio hatte und Bands wie STRANGLERS, CLASH und STOOGES hörte, wurde ich von „The Idiot“, dem ersten Soloalbum von Iggy Pop mit David Bowie als Produzent, inspiriert und ich nannte danach meine Band THE IDIOTS. Idiot nannte mich auch mein Vater bei unseren Streiteskalationen, wo es ständig darum ging, dass ich mich vernünftig anzuziehen hätte, als schockierte Nachbarn mich wieder mal in einem rosafarbenen Hosenanzug und geschminkt auf der Straße gesehen hatten.

Was bedeutet für dich Punk?
Punk war und ist, das Gegenteil der Gesellschaft mit emotionalem Nichtssein zu sein. „Wer aus Hunger, weil er anders ist und seine eigene Scheiße frisst / Und dabei niemals trotzdem durch gesellschaftliche Vorteile nie sein wahres Ich / Und wer dann auch noch lebt und singt und niemals Freunde, Respekt und Liebe vergisst.“ Punk war und ist, alles zu tun und machen, was ich will, einfach anders, unberechenbar zu sein. Never give up! Immer ein kreatives Individuum bleiben, das in keiner Weise käuflich und gegen jede Art von Korruption, Diskriminierung, Unterdrückung und Diktaturen ist. Freies Denken, kirchenlos, parteilos und künstlerisch frei. Auf meine Art bin ich, und das war ich schon immer, ein Anarchist, musikalisch und künstlerisch. Das liegt aber daran, dass ich es irgendwann nicht mehr ertragen konnte, wenn alle Musiker ihre Ideen zu einem Song beisteuern, mit dem ich mich oft schon monatelang täglich und nächtlich auseinandergesetzt hatte und der dadurch an Spirit und Magie verlor. Punk ist ein Sprachrohr des Herzens, der Seele, des Körpers, der jeder Art von Zwängen und Roboterdasein trotzt.

Gab es von deiner Seite aus von Anfang an die Idee, Musik zu machen?
1976 fingen wir an, die ersten Sessions zu machen: Raabe, mein Freund und ein freakiger Typ aus der Nachbarschaft, schrammelte auf der Kindergitarre im Kinderzimmer meines Bruders und ich versuchte mit Kochlöffeln auf Kochtöpfen Schlagzeug zu spielen. Ich sang und grölte „Kellergeister, Kellergeister, Rüttgers Club / Ach, was sind wir heute wieder verrückt“. Dazu tranken wir natürlich Kellergeister, den billigen Schaumwein mit wunderschönem Etikett – drei trinkende Engel –, und Rüttgers Club, den Edeka-Sekt. Klar, wie auch sonst, nannten wir uns dann auch KELLERGEISTER.

Welche Einflüsse hattet ihr?
Ich höre da neben STOOGES auch schon bei den frühen Songs Hardcore, Metal, Ska und auch alte Schlager raus ... Neben den STOOGES haben uns STRANGLERS, CLASH, MC5, SAINTS, DEAD BOYS, DAMNED, aber auch Elvis, Charlie Chaplin und eins meiner größten Idole, Chuck Berry, in der Jugend inspiriert und zu einem eigenen musikalischen Bewusstsein verholfen.

Wo habt ihr geprobt – und wie oft?
Die ersten Proben fanden in Dortmund-Brackel bei Adi, unserem ersten Bassisten, in einem dreckigen Kohlenkeller statt. Ich sang – nein, ich schrie – über ein Volksempfänger-Röhrenradio. Walter spielte Schlagzeug und Spargel malträtierte die Gitarre.

Schon von Beginn an ist das Schwein beziehungsweise sind Schweine das Markenzeichen der IDIOTS. Was hat das für eine Bedeutung?
Ich fuhr im frühen Kindesalter mit meinem Vater nach Bochum zum Schlachthof, um Fleisch für den Edeka-Markt einzukaufen, und war völlig geschockt, wie die Schweine mit einem Bolzen erschossen wurden. Diese Bilder speicherte mein Bewusstsein ein. 1976 hatte der Punk mich so in seinen Bann gezogen und instrumentalisiert, eine richtige Band zu gründen. Im Edeka, in dem ich eine Kaufmannslehre begann, wurden die Schweineköpfe, die noch mit Augen in der Fleischtheke lagen, verkauft. Mir wurde klar: Die wahren Schweine sind die auf zwei Beinen, ohne Skrupel, korrupt und machtbesessen, die wiederum alle andersartigen wie Punx, Freaks, Hippies, Anarchisten oder Individualisten als Schweine betitelten. Das Schwein erschien für mich zwei- oder je nach Denkweise dreideutig und genial als Logo für die IDIOTS. Wir, die Punks mit Ketten um den Hals und Sicherheitsnadeln durch die Wange waren es, die Müttern mit ihrem Kinderwagen in die Straßenbahn halfen oder in überfüllten Bahnen für Omas aufstanden, was die sogenannten Saubermänner in Lackschuhen und Anzügen, die uns als eklige Schweine titulierten, nicht taten.

Ihr habt ja 1985 auch ein Konzert für die Aktion Sorgenkind organisiert, bei dem aber nicht alles optimal gelaufen ist ...
Das Aktion Sorgenkind-Konzert – Punker, selber Sorgenkinder, spielen und spenden für Sorgenkinder – war von der Idee und Umsetzung her erst mal Kult. Leider hatten Dörfel von RIMSHOUT und ich als Organisatoren ziemlich viel Stress, da DAILY TEROR einen ganzen Reisebus voll übelster Fußballprolls aus Braunschweig mitbrachten und wir während der ganzen Veranstaltung bemüht waren, dass es nicht total in eine Massenschlägerei ausartet, da die nur am provozieren waren. Danach habe ich auch den Kontakt zu Pedder von DAILY TERROR abgebrochen, der zu Punk- und auch am Anfang der Oi!-Zeiten ein guter Kumpel gewesen war und dessen erste zwei Alben ich wirklich mochte und zu den Top Ten der Deutschpunk-Klassiker zähle.

Wie sah die Punk-Szene in Dortmund aus?
Wir trafen uns in der Innenstadt auf dem Platz vor der Reinoldikirche zum Schrecken der Bürger. Abends gingen wir in den Keller, eine kultige Freak-Diskothek, in der neben Hippiemusik auch STOOGES, Patti Smith, David Bowie und später auch SEX PISTOLS, STRANGLERS oder CLASH liefen. In der Nordstadt war es das Haus Lessing, eine abgewrackte Schmuddelkneipe mit Saal, wo Bilder mit Einschusslöchern hingen, der Wirt ein Glasauge hatte und in die Jahre gekommene Damen vom Milieu für fünf DM irgendwelchen Gästen auf den Toiletten einen runterholten. Das war richtig gruselig, da trauten sich noch nicht mal die Rocker hin. Dort organisierten damals Steve, Sänger von den CLOX – Dortmunder Punk-Legende – und sein Mädchen Eddie Konzerte, sowie Punk-Heidi und ihr Freund Peter. Alle anderen, ein Kern von dreißig bis fünfzig Leuten, machten die Termine publik und halfen bei der Veranstaltung. Ein fester Bestandteil unserer Szene waren die Punx aus Hagen und Bochum, so dass wir an Wochenenden 100 bis 150 Punkrocker und Oi!-Skins waren. Die Hagener Punx, unter anderem Mutter, Elchtreiber oder Reiner, Sänger von HEMMUNGSLOSE EROTIK, waren sehr harte Zeitgenossen, mit denen zusammen es IDIOTS-Auftritte gab, die an Absurdität alles übertrafen.

Gab es aufgrund eurer Besetzung – zwei Punks, zwei Skins – Probleme bei euren Konzerten?
Wir hatten sehr viele tolle Konzerte, auf denen zum Beispiel in Süddeutschland 400 Punx zusammen mit 300 Skins gepogt, getanzt und gefeiert haben. Das ist für mich Oi!. Es gab auf beiden Seiten immer mal ein paar extrem dumme Spinner, aber die hatten wir zusammen im Griff oder sie bekamen ein Heimticket. Es gab mal einen Auftritt in Lünen-Brambauer, bei dem wir gezielt von Neonazis und rechten Skinheads attackiert wurden, die einfach jede Art von Kultur zerstören wollten und für die wahre Lebensideologie von Working Class, Skinhead, Punkrock und Oi! nicht die geringste Empathie und kein Bewusstsein hatten.

Habt ihr oft in anderen Städten oder auch mal im Ausland gespielt? Und wie kamen die Konzerte in einer Zeit ohne Internet zustande?
Der Kontakt kam durch die Punk-Fanzines und Tape-Szene, die weltweit existierte. Natürlich wurde man per Brief angeschrieben. Sogar im größten US-Punk-Fanzine, dem Maximum Rocknroll, war unsere erste Single wochenlang in den Top 5. Und in den Studentenradios liefen wir rauf und runter, so dass sogar Jello Biafra auf uns aufmerksam wurde und unsere Single bestellte. Wir bekamen Tourangebote aus den USA, Mexiko, Brasilien – sogar aus Südafrika, was wir aber wegen des damals dort herrschenden menschenverachtenden Regimes ablehnten. Wir tourten zum Beispiel in Ungarn noch vor dem Mauerfall und waren dort auf dem Titel der größten Musikzeitung. Im ausverkauften 2.000 Leute fassenden Blackhole-Club in Budapest ging so die Post ab, mir wurden die Sachen beim Stagediven in der Menge vom Leib gerissen und ich sang nackend nur mit Regenschirm weiter, im Laufe des Konzerts entblößten sich immer mehr ... Tierische Momente, nur dass unser Banner auch an diesem Abend geklaut wurde und bei den ganzen folgenden Auftritten fehlte. Noch eine schöne Anekdote: Die Tour war im Winter und es flog uns ein Fasan vor die Windschutzscheibe von unserem Bandbus, die zersplitterte und wir sahen mit Federn geschmückt aus wie Indianer und mussten unsere Rückfahrt von weit über 1.500 Kilometern bei unter null Grad ohne Frontscheibe antreten. Das ging nur im Vollrausch und wir hatten Glück, so über die Grenze zu kommen. Da gibt so viele Erlebnisse, man kann Bücher damit füllen. Okay noch eine brisante Geschichte: Wir sollten in Linz, Österreich spielen. Wir kamen in der Führer-Geburtsstadt an und bekamen gleich eine Polizeieskorte, nachdem wir vorher schon stundenlang an der Grenze, mit Arschlochkontrolle und anderen Spielchen, festgehalten worden waren. Als wir am Nachmittag am Club ankamen, wo schon um die fünfzig bis achtzig Punks und Oi!-Skinheads auf uns warteten, bekamen wir den Befehl, alles liegen zu lassen und bei brüllender Hitze stundenlang um eine Verkehrsinsel zu marschieren. Es wurde uns gesagt, so was wie wir sei Abschaum, und Abartiges hätte keine Berechtigung und wir sollten sofort das Land verlassen. Durch ein richterliches Schnellverfahren, ausgelöst von Mitarbeitern des Clubs, mussten uns die netten Polizisten schließlich doch wieder gehen lassen und es wurde noch eine großartige Konzertnacht. Unvergessen sind auch die Gigs in den Achtzigern in Holland und Belgien mit Bands wie MDC, D.O.A., SNFU, THE ACCÜSED und vielen anderen ...

Kommen wir mal zu euren Platten. Warum habt ihr eure erste EP „Der S04 und der BVB“ selbst veröffentlicht?
Mir war es wichtig, unabhängig zu sein, ich holte mir aber Hilfe von Ralf Rexin aus Berlin, der auch Manager von unseren Kumpels DEUTSCHE TRINKERJUGEND und auch Freund und Förderer der Vorläuferbands von DIE ÄRZTE war. Er machte auch Tapesampler und ein Fanzine, in dem wir mit den gerade erwähnten Bands und unter anderem auch mit „Der S04 und der BVB“ vertreten waren.

Wie ist der Kontakt zu Mülleimer Records zustande gekommen, wo 1984 eure erste LP „They Call Us: The Idiots“ erschienen ist?
Unsere erste Single „Der S04 und der BVB“ war wochenlang in den Top 3 der Mailorder-Verkaufscharts von Mülleimer Records und Thomas Ziegler machte uns dann ein Angebot für unser erstes Album.

Was war der Anlass für den Wechsel zu We Bite Records?
Thomas Issler von We Bite Records meldete sich bei uns, da wir mit unserer Single „Schweine ins Weltall“ in Sachen Hardcore große Aufmerksamkeit erhielten und er sich als IDIOTS-Fan vorstellte.

Wie waren die Reaktionen außerhalb der Punkrock-Presse?
Wir wurden in der Bravo als extremste deutsche Punkband aus dem Pott betitelt. Wir waren neben BÖHSE ONKELZ in einer Doku vom ZDF namens „Kinder, Kinder“. Da ging es um schwererziehbare Jugendliche, die Punx und Skinheads waren, eben Heimkinder. Es gab noch viele andere Dinge, die die Aufmerksamkeit und das Interesse an uns steigerten ...

Euer Label und der Plattenladen heißt ja Idiots Records. Wann und warum hast du die gegründet?
Das war schon 1981, als ich immer mehr Songs von den IDIOTS weltweit für Tapesampler bereitstellte und dafür dann einige von den fertigen Compilations bekam. Dafür gründete ich Idiots Records sowie einen Mailorder und veröffentlichte 1983 dort auch unsere erste Single. Das ist vierzig Jahre her und deswegen ist ab 29.September 2023 die „40 Jahre Idiots Records Label Tour“. Ich machte das damals zusammen mit meiner Liebe und Bassfrau von den IDIOTS, Anne. Wir hatten billige Metallregale im Schlafzimmer, in denen sich immer mehr Kassetten und Schallplatten ansammelten. Auf den wilden Skinhead- und Punk-Partys in unserer Bude verkauften wir dann die Tapes und Scheiben an unsere Freunde.

Wann und warum bist du bei IDIOTS ausgestiegen?
Es kam letztendlich so, dass wir Ende der Achtziger unseren musikalischen Faden und Spirit verloren haben. Das waren nicht mehr die IDIOTS, die ich gegründet und geformt hatte. Mit der zweiten EP „Schweine ins Weltall“ waren wir eine der ersten deutschen Bands, die Hardcore-Punk und Metal-Elemente kombinierten und die stark daran beteiligt waren, die Metal-Welt zu verändern, die daraufhin begann, statt Drachen- und Monster-Lyrics sozialkritische Texte zu schreiben. Auf dem zweiten Album „Cries Of The Insane“ führte die Reise auch noch durch meine Welt. Die folgenden Besetzungswechsel führten allerdings dazu, dass mit zwei Gitarristen, Olaf und Holly, zu viel gedudelt wurde und die Musik sich immer mehr vom ursprünglichen Sound entfernte, auch wenn sie auf ihre Art wirklich sehr gute Gitarristen waren. 1990 gab es noch eine große Tour mit unseren Freunden DIMPLE MINDS, doch bald sagte mir mein Gefühl: Scheiße, Mann, das bin nicht mehr ich, das sind nicht mehr die IDIOTS! Also stieg ich Ende 1991 aus und die Band lag bis 2012 auf Eis.

Gab es da schon andere Bands wie PHANTOMS OF FUTURE?
Seit 1984 hatte ich neben den IDIOTS immer andere musikalische Projekte, erst HOESCHCOMBO, bei denen ich auf riesigen Metallpauken trommelte und zusammen mit meinem damaligen Freund Dörfel, Gitarrist von RIMSHOUT, Songs zwischen EINSTÜRZENDE NEUBAUTEN und JOY DIVISION kreierte. Dann gründeten Harald Uri, Dr. Krid und ich 1986 die PHANTOMS OF FUTURE, die in den Neunziger Jahren mit 120 Konzerten im Jahr und einen Majordeal mit Sony immer größer wurden.

Hast du das Gefühl, dass deine/eure Texte immer noch aktuell sind?
Mir ist 2012 bei der Reunion und schon in der Vorbereitung aufgefallen, dass die IDIOTS-Songs kein Schnee von gestern sind. Obwohl sie teilweise über vierzig Jahre alt sind, sind sie höchst aktuell und irgendwie zeitlos.

Gibt es auch Texte beziehungsweise Songs, die du so heute nicht mehr schreiben oder auch spielen würdest?
Es gab da ein paar alte Songs, die mir zu sehr in die Fun-Punk-Ecke gehen, wie zum Beispiel „Party girl“, und die aus Spaß am Rock’n’Roll entstanden sind. Das ist mir im Nachhinein zu naiv und zu anspruchslos.

Im Rückblick: Wie war es für dich, in den Achtzigern in einer Punkband gespielt zu haben? Was ist der Unterschied zu heute?
Die Achtziger waren sehr spannend, da sich musikalisch so viel tat. Punk/Hardcore-sowie Metalbands inspirierten sich gegenseitig. Die Metalbands fingen an, sozialkritische Texte zu schreiben, und die Punkbands bauten Soli ein. Es gab viele tolle Begegnungen, Konzerte und Festivals, bei denen auch verschiedene musikalische Richtungen aufeinander trafen, es entstand Crossover, PHANTOMS OF FUTRE können sich hier als Mitinitiatoren betrachten. Es war intensiv und spannend und aufregend. Jetzt ist leider alles wieder sehr konservativ, und es spielen an einem Abend vier Thrash- oder Power-Metal-Bands. Das langweilt mich. Deswegen sind auf meiner „40 Jahre Idiots Records Label Tour“ vier Bands aus vier verschiedenen Richtungen dabei, die alle Originale sind. Das wird spannend, energiegeladen und einzigartig!

Aktuell wurden eure beiden ersten EPs und die erste LP auf Mad Butcher wiederveröffentlicht. Wie sind die Rereleases zustande gekommen?
Mike von Mad Butcher, ein großer Fan der ersten IDIOTS-Scheibe und der EPs, hatte seit sehr vielen Jahren den Wunsch, diese noch mal genauso zu veröffentlichen. Irgendwann hatte er mich überredet, da viele Fans gerade diese alten Klassiker haben wollen und sie dann keine Horrorpreise dafür bezahlen müssen.

Eure Bassistin Anne ist mittlerweile verstorben. Wie sieht es mit deinen anderen früheren Bandkolleg:innen aus? Bist du eigentlich der Einzige von der alten Besetzung?
Steve, unser alter Drummer, spielt bei der Dortmunder Hardcore-Punk-Band ASSMATICS, die ich auch auf mein Jubiläumskonzert eingeladen habe. Später in den Achtzigern spielte Peter „Pepe“ Stein bei uns Schlagzeug und er spielt jetzt auch Bass neben Volker Körner, der seit 1988 bei den IDIOTS ist. Zu Dominik, der auf der „Station Of Life“-LP getrommelt hat, habe ich noch Kontakt, da er regelmäßig im Idiots-Shop einkauft. Er war auch anfangs bei der Reunion 2011 dabei, musste aber leider als Besitzer einer kultigen Musikkneipe aus Zeitgründen absagen.

Was waren die Gründe für die Besetzungswechsel?
Das lässt sich ganz leicht erklären: einige verabschiedeten sich aus Zeitgründen, da wir immer bekannter wurden und mehr Konzerte spielten, für andere waren wir viel zu extrem und sie hatten Angst, weitere Exzesse mitzuerleben, andere hatten nicht den musikalischen Spirit der IDIOTS im Blut oder wollten einfach die Band als musikalisches Sprungbrett nutzen. Wir sind wie gesagt immer noch drei Idiots aus den Achtzigern.

Als wie männlich/machistisch oder emanzipatorisch hast du die damalige Szene wahrgenommen?
Männer waren früher in allen Musikrichtungen dominant. Es gab Ausnahmen wie BLUTTAT aus Bochum, mit denen zusammen wir ja 1981 auf dem H’artcore Sampler waren. HANS-A-PLAST aus Hannover, X-RAY SPEX, Patti Smith, Nina Hagen, da war die erste Scheibe für mich ein Meilenstein. Später kamen noch in Richtung Hardcore JINGO DE LUNCH, die mit uns bei We Bite Records waren und mit denen wir auch zusammen aufgetreten sind. Es gab auch immer wieder herausragende Sängerinnen im Punkrock. Respekt!

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Diskografie

„Der S04 und der BVB“ (7“, Idiots, 1983, Rerelease: Mad Butcher, 2020) • „They Call Us: The Idiots“ (LP, Mülleimer, 1984, Rerelease: Mad Butcher, 2020) • „Emmy Oh Emmy“ (7“, Mülleimer, 1986, Rerelease: Mad Butcher, 2020) • „Cries Of The Insane“ (LP, We Bite, 1987) • „Station Of Life“ (LP, We Bite, 1989) • „Im Zeichen des Kreuzes“ (LP, Rebel, 1992) • „Amok“ (CD/LP, Idiots, 2013) • „Gott sei Punk“ (CD/LP, Idiots, 2014) • „Schweineköter“ (CD/LP, Idiots, 2019) • „Neverland“ (7“, Idiots, 2023) • „König der Idioten“ (CD/LP, Idiots, 2023)