HOLLIE COOK

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Reggae, Pop und Liebe

Mit ihrem dritten Album „Vessel Of Love“ (ihr erstes für Merge) soll nun auch über die Grenzen Großbritanniens hinaus der einzigartige Reggae-Pop von Hollie Cook bekannt werden. Wer ihre ersten beiden Alben nicht kennen sollte, dem ist die junge Dame vielleicht aus dem letzten Line-up der SLITS noch ein Begriff. Als Tochter des SEX PISTOLS-Schlagzeugers Paul Cook und der CULTURE CLUB- und Boy George-Background-Sängerin Jeni Cook wuchs sie in einem Umfeld auf, in dem Musik allgegenwärtig war. Einerseits verständlich, dass Hollie nicht ständig in musikalischer Hinsicht mit ihren Eltern in Verbindung gebracht werden möchte, schließlich sieht sie sich als eigenständige Persönlichkeit mit ihrer ganz eigenen Musik. Andererseits ist der Einfluss des Umfelds durch ihre Eltern durchaus erwähnenswert, denn ob es ohne diesen jemals den Kontakt zu Ari Up von den SLITS oder diversen Musikern gegeben hätte, die Hollie bei ihrer Solokarriere bislang unterstützt haben, die sie seit 2010 forciert, ist fraglich. In Zusammenarbeit mit Ian Brown, Jamie T, George Dekker von den PIONEERS und Dennis Bovell produzierte Hollie gemeinsam mit Mike „Prince Fatty“ Pelanconi ihre ersten beiden Alben. Das seit Ende Januar erhältliche Album „Vessel Of Love“ wurde erstmals von KILLING JOKE-Bassist Martin „Youth“ Glover produziert, der bereits mit U2, THE VERVE, Heather Nova und Paul McCartney arbeitete. Allgegenwärtig ist eine sphärische Stimmung, bei der traditioneller Rocksteady mit Synth-Teppichen umschmeichelt wird. Und trotz manch dunkler Seite überwiegt das unerschütterliche Gefühl der Glückseligkeit, worüber Hollie unter anderem in den folgenden Zeilen berichtet.

Hollie, du wurdest 1987 in London geboren. Zehn Jahre zuvor sorgte dein Vater mit den SEX PISTOLS für Aufsehen und deine Mutter war Background-Sängerin von CULTURE CLUB. Wann hast du realisiert, was deine Eltern für eine Vergangenheit hatten, und war das für dich eher Fluch oder Segen?

Es war mir immer klar, dass mein Vater Teil einer wichtigen musikalischen Epoche war. Meine Eltern ließen die Musik der SEX PISTOLS bereits laufen, als ich noch klein war, und erzählten mir, dass Papa der Schlagzeuger der Band war. Für mich war das immer ziemlich normal – es waren eher die Reaktionen anderer Leute, wenn sie es erfuhren, die mir bewusst machten, welche Wirkung meine Eltern hatten. Die musikalische Vergangenheit meiner Eltern war für mich auch immer ein Segen.

THE SLITS begannen etwa zur gleichen Zeit wie die SEX PISTOLS. Die EP, „Revenge Of The Killer Slits“ aus dem Jahr 2006 wurde von deinem Vater koproduziert. Wie war es für dich, in einer Band aus der Generation deiner Eltern dabei zu sein?
Es war eine interessante Erfahrung und ziemlich surreal, da es die erste Band überhaupt für mich war. Alles daran war neu für mich. Und es war überwältigend, in einer Band zu sein, die ich kannte und deren Fan ich war. Aber andererseits geschah das alles ganz natürlich aufgrund der familiären Verbindung, und so ging ich in vielerlei Hinsicht locker damit um. Ich war immer die Jüngste in der Band und ich weiß, dass Ari immer gut auf mich aufpasste. Das ging so von 2005 bis zum Tod von Ari im Jahr 2010. Wir waren oft auf Tour und haben zusammen ein Album geschrieben. Ich war in der gesamten Zeit sehr in die Band involviert.

Welche Musik hast du als junges Mädchen gehört?
Ich hörte die unterschiedlichsten Sachen. Gesangsharmonisch orientierte Popgruppen wie SHANGRI-LAS und die RONNETTES. BEACH BOYS, Dusty Springfield, Michael Jackson bis hin zu SALT ’N’ PEPA, TLC oder PORTISHEAD. Und auch jede Menge Punk und Rock. Meine Stimme gefunden und verfeinert habe ich definitiv in der Zeit mit den SLITS, die den Weg zu meiner Solokarriere zu 100% geprägt hat. In meiner Jugend fing ich an, mich mit Reggae und Dub auseinanderzusetzen. Mich den SLITS anzuschließen war nur ein weiterer Schritt in diese Richtung. 2006 lernte ich dann Prince Fatty kennen. Ich war also festes Bandmitglied der SLITS und startete zeitgleich meine Karriere als Solokünstlerin.

Was fasziniert dich am Reggae und Dub so viel mehr als an moderner Popmusik der Neunziger und Nuller Jahre, wenn man mal deine ganz persönliche Sozialisierung berücksichtigt?
Das Dramatische in diesem Sound hat mich schon immer interessiert. Er hat so viel Tiefe und so unterschiedliche Klangfarben, auch in den Melodien und in der Produktion. Ich würde nicht unbedingt sagen, dass es mich mehr fasziniert als moderner Pop. Aber vielleicht bewegt es mich auf eine andere Art und Weise. Ich bin davon fasziniert. Aber auch moderne Pop-Alben können mich derart bewegen.

Wie kam das mit all den Leuten – Prince Fatty, Ian Brown, Jamie T, George Dekker, Dennis Bovell –, die an deinem Debütalbum beteiligt waren?
Ich beschloss, mich voll und ganz auf die Musik zu konzentrieren, damit das als Karriere funktioniert. Es dauerte seine Zeit und war mühsam, bis die Dinge allmählich Gestalt annahmen. Durch Prince Fatty konnte ich mit einigen großartigen Leuten zusammenarbeiten. Wir hatten viel Spaß im Studio, und ohne es zu bemerken, hatten wir nach einiger Zeit intensiver Arbeit ein komplettes Album eingespielt. Und manchmal braucht es eben auch etwas Glück oder Zufall, wie das mit Ian Brown und Jamie T der Fall war. Ich bin über meine Entwicklung als Solokünstlerin sehr glücklich.

Was hat sich in der Zeit zwischen deinem Solodebüt und dem Zweitwerk „Twice“ in den Jahren 2011 und 2014 getan?
Ich war sehr viel auf Tour. Ich verlor Ari und meinen Großvater und beendete eine langjährige Beziehung. Ich musste also einige persönliche Dinge herausfinden, ordnen und klären.

Dein neues Album „Vessel Of Love“ klingt noch sphärischer als deine bisherigen Veröffentlichungen. Was verarbeitest du in deinen Texten und könntest du dir vorstellen, so radikale musikalische Wege wie THE SKINTS, SUICIDE BID, THE RUTS oder THE CLASH einzuschlagen?
Ich denke, mein textlicher Ansatz tendiert generell eher zum Eskapismus als zum Realismus. Aber in Zeiten wie diesen ist es offensichtlich ziemlich schwierig, sich nicht von gesellschaftlichen Ereignissen beeinflussen zu lassen. Stücke wie „Stay alive“ und „Together“ gehen in diese Richtung, aber ich kann mir nicht vorstellen, dass sich meine Musik zu einer Art radikalem Statement entwickeln wird.

Was verbindest du spontan mit den Begriffen Reggae, Rocksteady, Ska, 2Tone, Skapunk?
Positiv, liebevoll, Gemeinschaft und Rebellion.

Welche Musiker haben dich bei den Aufnahmen unterstützt?
GENERAL ROOTS aus dem Norden Londons spielen auf dieser Platte und sind auch live seit vier Jahren meine Backing-Band. Sie sind meine Familie und auch als eigenständige Reggae-Band großartig. Hört euch ihr aktuelles Album „Walk Tall“ an. Auf „Vessel Of Love“ haben aber auch noch Keith Levene und Jah Wobble, die früher mal bei PUBLIC IMAGE LTD. waren, sowie Gaudi und Alex Patterson mitgewirkt. Ein Superstar-Line-up.

Und wann bist du auch mal auf Deutschlands Bühnen zu sehen?
Ich bin sicher, dass ich im Laufe dieses Jahres auch bei einigen Konzerten und Festivals in Deutschland spielen werde. Deutschland, melde dich, wenn du mich buchen willst!