HEIM

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Leben nach dem Lustprinzip

Mit coolem Slacker-Krach und deutschen Texten punktet gerade HEIM. Das zweite Album „Palm Beach“ klingt wie ein Abiturient der Hamburger Schule, der zu Musik von DINOSAUR JR. oder PAVEMENT singt. Mit der klassischen Bass-Gitarre-Schlagzeug-Besetzung bringt das Trio seinen Sound ziemlich auf den Punkt und kein Gramm zu viel auf der Waage. Im Gespräch stellt sich heraus, dass das Interview mit dem Ox das zweite überhaupt ist, das Sänger Denny Thasler bisher der Presse gegeben hat.

Denny, habt ihr euer Album „Palm Beach“ wirklich nach einem Spaßbad in der Nähe von Nürnberg benannt?

Wir haben uns tatsächlich nach diesem Freizeitbad benannt. Da bekommt man freien Eintritt, wenn man Geburtstag hat und das nehmen wir immer sehr gerne in Anspruch. Wir sind auch als Band immer sehr gerne reingegangen und waren vor allem von der Rutschenvielfalt begeistert.

Wie habt ihr euch kennen gelernt? Euch gibt’s ja noch nicht so lange.

HEIM gibt es seit zweieinhalb Jahren. Mike und ich kommen aus Pettstadt, einem kleinen Dorf bei Bamberg. Mit ihm mache ich schon seit etwa acht Jahren Musik. Flo kommt ursprünglich aus Augsburg, ihn haben wir bei einem Konzert in Bamberg kennen gelernt. Und weil Flo in Nürnberg studiert hat, hatten wir dort auch unseren Proberaum. Wir haben dann oft zusammen gejammt und schnell gemerkt, dass wir ähnliche musikalische Herangehensweisen haben. In dieser Konstellation ist möglich, sehr ungezwungen Musik zu machen. Es werden nie fertige Songs mitgebracht, es entsteht immer alles zu dritt und ohne viele Worte.

Womit verdient ihr euer Geld?

Mike und ich sind beide Heilerziehungspfleger und arbeiten in Wohnheimen für Menschen mit Behinderungen. Und Flo hat Umwelttechnik studiert und macht ab Oktober seinen Doktor, da spielt er an irgendwelchen Lasern herum und misst sehr, sehr kleine Dinge.

Du bist inzwischen nach Hamburg gezogen. Wie funktioniert euer Bandleben jetzt?[/b]

Mike ist immer noch in Bamberg und Flo hat eine Wohnung in Nürnberg. Momentan proben wir alle ein bis zwei Monate für ein paar Tage am Stück. Das ist schwer zu planen, aber dafür sind es meistens sehr intensive Tage, die bisher auch immer ziemlich produktiv waren. Wir machen immer das, worauf wir gerade Lust haben, ohne uns an irgendetwas zu orientieren, was uns inspirieren könnte, dass passiert sowieso unbewusst. Man kann erkennen, dass die Lieder, die im Moment entstehen, ruhiger sind und etwas höheren Pop-Anteil haben.

Mit eurem neuen Album seid ihr bei Tapete Records in Hamburg gelandet. Was bedeutet das für euch?

Ohne den Deal mit Tapete wäre mit den Aufnahmen wohl nichts passiert. Es war total unklar, was geschieht, wenn ich nach Hamburg ziehe. Deshalb wollten wir die Songs einfach mal aufnehmen, sonst wären sie für immer verloren. Marcel von Tapete kannte schon unser erstes Album und fand das gut, deshalb war er sehr an unseren neuen Aufnahmen interessiert.

Ich habe im Vorfeld des Interviews versucht, euer erstes Album im Netz zu finden, um reinzuhören, bin aber leider gescheitert. Wurde das wieder gelöscht?

Das erste Album ist momentan nicht im Netz, weil „Palm Beach“ unserer Ansicht nach mehr HEIM ist. Wir möchten im Augenblick lieber mit dem aktuellen Werk in Verbindung gebracht werden. Könnte sein, dass wir das erste Album später wieder online stellen.

Das ist aber ein sehr ungewöhnlicher Schritt, ein altes Album zu depublizieren, weil es nicht mehr zeitgemäß ist.

Wir sind da sehr eigen. Wir lieben es, neues Zeug zu machen. Wir haben auch nichts anderes im Sinn. Wir haben noch ungefähr zwanzig Restexemplare von unserem ersten Album auf Vinyl, die verkaufen wir noch bei Konzerten. Man kann sich also noch eine Platte bei unserer Tour holen.

„Palm Beach“ habt ihr bei Christian Bethge in Mannheim aufgenommen, nicht wie das erste Album bei Role in der Tonmeisterei in Oldenburg. Warum?

Role hatte keine Zeit, als wir das aufnehmen wollten. Durch meinen Umzug nach Hamburg hatten wir uns selbst aber eine Deadline gesetzt. Deshalb hat uns Role Christian in Mannheim empfohlen. Er meinte, der würde ganz gut zu uns passen. Und es hat auch wunderbar gepasst im Rama Tonstudio.

Für mich klingt die erste Hälfte der Platte ein bisschen wie DINOSAUR JR. mit deutschen Texten. Auf Deutsch zu singen, ist sehr ungewöhnlich für diese Art von Musik. Warum habt ihr euch dafür entschieden?

Deutsch zu singen hat für mich den Vorteil, dass ich meine Gedanken unverfälscht wiedergeben kann. Deshalb fühlt es sich für mich authentischer an, in der Muttersprache zu singen. Es gibt für mich kein gutes Argument dafür, auf Englisch zu singen. In Momenten, in denen man die pure Wut, Frustration oder andere starke Gefühle empfindet oder man sich in absoluter Klarheit Geständnisse macht, kommen einem oft Fetzen oder ein Satz für einen Text. Daraus wird, in einem meist langen Prozess, ein Text, mit dem ich am Ende zufrieden bin oder mit dem ich zumindest leben kann.

Momentan gibt es einige Bands, die diesen typischen Sound der Neunziger in die Gegenwart transportieren. Bands wie TWIN RED, YUCK oder THE BIG MOON. Seid ihr mit dieser Musik aufgewachsen?

Klar, wir sind auch mit NIRVANA groß geworden. Man kann nicht leugnen, dass wir Grunge bis zum Abwinken gehört haben. Aber wir wollen nicht zwingend so klingen. Wenn wir mit Bands wie DINOSAUR JR. verglichen werden, ist das natürlich in gewisser Weise ein Kompliment, voll und ganz nachvollziehbar ist es für mich allerdings nicht. Als „Palm Beach“ entstanden ist, haben wir zum Beispiel viel SWANS oder MUTTER gehört.

Kannst du dich noch an den Tag erinnern, an dem Kurt Cobain sich umgebracht hat?

Als Kurt Cobain starb, war ich acht Jahre alt. Das habe ich auf jeden Fall mitbekommen. Als ich ein bisschen älter war, habe ich mir vorgenommen, jedes Jahr am Todestag einen Tag lang kein Wort zu reden. Meine Eltern haben sich über den Plan gefreut, aber ich habe es natürlich nicht lange durchgehalten.

Wie sehen eure Ambitionen mit der Band aus?

Wir haben keinen Plan. Das Wichtigste für uns ist, dass wir im Proberaum zusammen Musik machen. Dass wir dabei den Kopf ausschalten können und neue Songs entstehen. Hauptsache Spaß. Wir rechnen nicht mit riesigem Erfolg, es wäre aber natürlich schön, sich ausschließlich auf die Musik fokussieren zu können. Das Gefühl der Losgelöstheit, in eine Art Sog während des Spielens zu kommen, ist die größte Befriedigung und die beste Therapie.