HEIM

Palm Beach

Eines sei vorweg gesagt: Album des Jahres-Alarm! Und noch eines: Ich hasse Musikjournalismus. Sehr sogar. Aber ich liebe diesen Joachim Hiller. Sehr sogar – denn ein- oder zweimal im Jahr, wenn ich mal wieder über eine Band stolpere, die ich unfassbar gut finde, gibt er mir ohne Fragen zu stellen die Gelegenheit, diese so subjektiv abzufeiern, wie ich das gerne möchte.

Wie im Falle von HEIM. Ein anderer Mensch, den ich sehr liebe, ist Christian Bethge. Das ist einer der Betreiber des RAMA-Studios in Mannheim, wo „Palm Beach“ aufgenommen wurde. Ich kenne ihn persönlich und finde ihn als auch sein Schaffen ganz großartig.

Nicht verwunderlich also, dass es mir sehr leicht fiel, dieser Band namens HEIM ohne Zögern eine Chance zu geben. Denn ich bin ein ziemlicher Ignorant geworden („Alles schon gehört! Alles schon gesehen!“).

Und „von den Socken sein“, nun ja, das stellt sich leider dieser Tage immer seltener ein: zu groß ist sie, die Flut der Veröffentlichungen, die maximal im grauen Mittelfeld einzuordnen sind.

Die keine Impulse liefern. Die zu wenig Eigenständigkeit mit sich bringen. Nicht so bei dieser Platte. Das Info erzählt was von Verweigerung, was die Hipster-Generation angeht, von DINOSAUR JR, von BUILT TO SPILL.

Okay. Gekauft. Aber ich schreibe jetzt noch etwas dazu, von dem ich hoffe, dass man es mir nicht übelnimmt. Zwei Dinge sogar: NATIONALGALERIE und SELIG. Nicht schlagen, bitte! Denn ich erinnere mich an eine Zeit, in der ich jung und unverbraucht (also auch meine Ohren) war und diese beiden Bands mir Spaß machten, obwohl ich mit dem Mainstream um Satans Willen nichts zu tun haben wollte.

Oder mit sogenanntem „Muckertum“. Denn das wird beiden genannten Bands bis heute gerne unterstellt. Und rückblickend, oder das Spätwerk betrachtend, ist das wohl auch wahr. Aber das war gut gespielte Musik, die mich kleinen Punker einfing – und doch auch im großen Zirkus funktionierte und akzeptiert wurde.

Nicht zu glatt, nicht zu schräg. Impulsiv, eindringlich und doch jederzeit nachvollziehbar. Gute, emotionale und manchmal auch verzweifelt klingende deutsche Texte, die zeitlose Inhalte transportierten, ohne pathetisch, zu allgemeingültig oder polemisch zu sein.

Aber auch das reicht nicht aus, um HEIM zu beschreiben. Denn HEIM gehen weiter, können mehr: Die Ausbrüche, die bis zu astreinen Noiserock-Attacken anwachsen, die Momente, in denen die Band ihren eigenen Song zerlegt und der Sound unverhofft viel mehr nach Amphetamine Reptile als nach Tapete Records klingt, die machen den besonderen Reiz aus.

Die, die den Mainstream-Hörer überfordern, während der Musikkenner augenblicklich die Zweifel ablegt, die die eine oder andere perfekte Hookline zuvor in ihm geweckt hat. Ach, wie trefflich: Während ich diese Zeilen schreibe, spielt der Deutschlandfunk ein Stück von „Palm Beach“.

Aber natürlich eines, das es gerade so schafft, einen Radiohörer nicht zu verschrecken. Oder gerade nur so viel, dass er dennoch nicht umhin kommt, zu nicken und mitzuwippen. Kann mir jemand folgen – oder weiß, wohin ich möchte? Okay, anders: Diese Band kann einfach alles! Und sie sollte im nächsten Jahr vielleicht besser zusammen mit J.

Mascis auf der Bühne stehen, statt sich davor zu drücken und sich verstohlen den Kapuzenpullover zurechtzurücken.