Im Sommer 2005 stand ich vor dem Berliner Wild at Heart, davor befand sich ein Planwagen, auf dem nacheinander etliche Bands auftraten. Eine erinnerte vom Sound her ein wenig an MOTÖRHEAD. Dabei übersah ich, wer bei diesem Quartett an der Gitarre war. Uwe Quicker nämlich, einst Sänger und Gitarrist der Berliner Achtziger-Jahre-Legende THE VOICE. Beinahe hätte ich ihn gar nicht erkannt ... Als ich neulich mit ihm für ein Ox-Interview zusammensaß, kamen wir auch auf seine frühere Band HAVANNA HEAT CLUB zu sprechen. Dann deutete er mir vielsagend an, dass es rund um diese noch eine besondere Story gebe, die aber eher eines eigenen Artikels bedürfe. Und deren damaliger Sänger Jo Gotaut war gerne bereit, uns diese spannende Story zu erzählen.
Jo, wie ihr euch gegründet habt, stand bereits in Ox #151, aber wann und wie wurde ein gewisser späterer Gönner auf euch aufmerksam?
Du meinst den Maler Franz Ackermann? Der ist natürlich die Hauptfigur dieser Story um unsere erste Platte und den dazugehörigen Aufenthalt in New York. Das alles kann aber nicht ohne dessen Kumpel Franz Meyer erzählt werden, der den Kontakt zu Ackermann herstellte. Meyer trieb sich Anfang der 2000er, wie wir alle, zwischen dem Wild at Heart und dem Razzle Dazzle herum, einem Club auf dem Gelände der jetzigen Mercedes-Benz-Arena, wo wir manchmal proben konnten und 2001 unsere erste Demo-Veröffentlichung gefeiert haben. Meyer ist uns da auf die Schliche gekommen und hatte uns 2002 schon auf eine Geburtstagsparty im Mistral vermittelt. Wodurch sich eine großartige Fanbase in Elmshorn entwickelte, aber das ist eine andere Geschichte ... Als Ackermann Ende 2003 seinen vierzigsten Geburtstag plante, beschwerte er sich bei Meyer, dass es in Berlin ja keine vernünftige Highspeed-Rock’n’Roll-Band gäbe. Dieser meinte dann, wie Ackermann uns irgendwann mal erzählte, dass da schon eine wäre, und sprach den denkwürdigen Satz: „Die klingen so, wie MOTÖRHEAD eigentlich klingen sollten.“ Zwei Sekunden später waren wir gebucht und Meyer meldete sich bei uns. Er hielt sich dann eher bedeckt, was Ackermann anging. Wer uns dort erwartete, dämmerte uns so langsam erst nach dem Eintreffen einiger der ersten Gäste. Wir haben Ackermann daher vorsichtig gefragt, ob er eigentlich wüsste, was wir so veranstalten, und ihm angeboten, nicht zu spielen. Stattdessen hat er uns aber mit breitem Grinsen und einem lauten „Das ist ja gerade das Interessante!“ schnurstracks auf die Bühne geschickt. Der Gig war dann etwas unerwartet eine einzige Party mit einem wild kreiselnden Ackermann in der Mitte.
Auch die Vinylversion eures Albums hat der Mann ja gesponsort. Produziert übrigens von Harris Johns. Wie kam das?
Einige Zeit nach dem Geburtstags-Gig im Frühjahr 2004 haben Franz Ackermann und ich uns eher zufällig im Wild at Heart getroffen. Dabei fragte er mich, wo es eigentlich unsere Platte zu kaufen gäbe, er hätte sie nirgendwo gefunden. Nachdem ich erwiderte, dass es die gar nicht gibt, hat er kurz nachgedacht und meinte: „Warte mal.“ Dann ging er kurz weg, kam mit zwei Bier zurück und sagte: „Dann machen wir die jetzt!“ Mit einem dicken Prost wurde der Deal besiegelt und ich wusste gar nicht richtig, wie uns geschah. Wir hatten zwischenzeitlich zwar drei Demos aufgenommen, einen Plattenvertrag aber nicht mal ansatzweise in Aussicht, daher war das einfach ein Geschenk des Himmels. Ackermann hatte als Musikverrückter vorher schon ab und zu Künstler in seine Arbeit einbezogen und ziemlich schnell einen ersten Plan. Die genauen Absprachen haben sich, wie das immer so ist, noch einige Zeit hingezogen, aber Ende September stand fest, dass wir tatsächlich am 11.12.2004 in New York im Zuge der Vernissage von Ackermanns Show – Motto: „Nonstop HHC“ – unsere Platte präsentieren durften. Fünfzig Stück Vinyl waren auch Teil der Ausstellung. In der Galerie von Gavin Brown wurde am selben Tag ruckzuck eine Bühne aufgebaut, Equipment ausgeliehen und los ging’s. Unser Gig startete nach 23 Uhr, so dass wir um Mitternacht Franz Ackermann noch mit „Ace of spades“ zum Geburtstag gratulieren konnten.
Das Mekka für Punk-affine Menschen war ja seit jeher das heute nicht mehr existierende CBGB in New York City. Wart ihr da auch?
Die ganze Veranstaltung war für uns natürlich wie ein Flug zum Jupiter und wurde zwei Tage später dann auch noch mit einem Gig im CBGB abgerundet. Eingefädelt hatte das mal wieder Franz Meyer, der auch mit von der Partie war. Erst schleppte er uns ins Manitoba’s, dem Club des legendären DICTATORS-Sängers, wo wir Handsome Dick himself die Hand schütteln konnten, und dann ins CBGB, wo er einfach die Platte über den Tresen schob, mit den Worten: „Hi, wir sind eine Band aus Germany, ein paar Tage in der Stadt und würden hier gerne spielen.“ Ich stand mit knallroter Birne daneben und konnte es später nicht fassen, als nach ein paar Stunden der Anruf kam: „Klar, super, kommt einfach morgen um sieben zum Soundcheck vorbei.“ Es wurde dann ein ziemlich bunter Abend mit etwa acht Bands.
Hattet ihr euch vor der Kontaktaufnahme mit dem Künstler über dessen Werdegang informiert? Wie groß war euer Erstaunen, dass dieser auf eure räudige musikalische Gangart abfuhr? Wie habt ihr ihn erlebt?
Franz Ackermann ist zwar ein weltweit vernetzter Künstler, Hochschulprofessor und einer der wichtigsten deutschen Maler der Gegenwart, aber er ist auch ein freundlicher und total bodenständiger Typ, der gerne ein paar Bier trinkt und laute, krachende Gitarrenmusik hört. In seiner Jugend hat er so gut wie alle Konzerte in Bayern abgegrast, die irgendwas mit Punk, Rock und Rock’n’Roll zu tun hatten. Wir sind mit ihm immer noch gut befreundet, weswegen es uns vier Jahre nach der Auflösung auch eine Ehre war, uns noch mal aufzuraffen und auf seinem fünfzigsten Geburtstag zu spielen.
Warum war es mit eurer Band 2009 dann vorbei? War der Gig im CBGB sozusagen der nicht mehr zu überbietende Höhepunkt?
Das Ende von HAVANNA HEAT CLUB 2009 ging eigentlich hauptsächlich von mir aus. Mit der Zeit wurde es für mich zunehmend schwieriger, Arbeit und Band in dieser Intensität miteinander zu vereinbaren. Die zweite Platte 2008 hatte viel Kraft gekostet, obwohl mein musikalischer Input schon etwas geringer war, danach war ich ziemlich ausgebrannt. 2009 kam dann ein größerer Auftrag für unser Architekturbüro, der es mir unmöglich machte, in der bisherigen Form weiter Musik zu machen. Letztendlich war es aber ein Abschied mit einem lachenden Auge, da ich glaube, dass wir alle mit dieser Band viel mehr erreicht haben, als wir uns jemals erträumt hatten. Die Geschichte mit Franz Ackermann und der ersten Platte macht davon sicherlich einen großen Teil aus.
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #154 Februar/März 2021 und Markus Franz
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