Vor fünf Jahren ließ das Berliner Label Noisolution mit einem struppigen Neuzugang aus der Schweiz aufhorchen: HATHORS heißt das Trio aus Winterthur, das mit „Brainwash“ den wilden Grunge der Neunziger zurück aufs Parkett brachte. Zwei Jahre später folgte dann der nicht minder spektakuläre Nachfolger „Panem Et Circenses“. Jetzt präsentiert sich das Trio um Sänger und Gitarrist Marc Bouffé allerdings in völlig neuem Gewand. Das neue Album „Grief, Roses And Gasoline“ klingt ganz anders. Poppiger und positiver. Woran das liegt, erklärt Marc im Interview.
Vor drei Jahren habt ihr ja euer letztes Album „Panem Et Circenses“ veröffentlicht. Seitdem ist offenbar viel passiert bei euch. Was war los?
Nach den Aufnahmen für das Album hätten wir eigentlich eine Tour spielen sollen. Die mussten wir aber leider absagen, nachdem unser damaliger Bassist Terry Palmer einen Hörsturz erlitt. Weil er sich nicht in absehbarer Zeit davon erholen konnte, ist er dann schließlich ausgestiegen. Die Suche nach einem neuen Bassisten hat dann ziemlich lange gedauert. Fast ein Dreivierteljahr. Nach einem weiteren halben Jahr ist auch unser damaliger Drummer Raphael Peter ausgestiegen. Er hat damals seinen Job gewechselt. Seine Firma hat ihm eine Weiterbildung gesponsort, deshalb wollte er sich auf seinen Beruf konzentrieren und hatte keine Zeit mehr für eine Rockband. Dann haben wir Dominique Destraz gefunden und die Band war eigentlich wieder komplett. Der Bassist Simeon Thompson, der nach „Panem Et Circenses“ eingestiegen war, wollte aber von vornherein nur zwei Jahre in der Band bleiben, deshalb hat er das neue Album noch eingespielt und uns dann wieder verlassen. Deshalb habe ich jetzt also eine komplett neue Band. Durch die ganzen Wechsel ist natürlich viel Zeit vergangen, auch deshalb haben sich HATHORS musikalisch in eine andere Richtung entwickelt.
Der neue Bassist heißt Marco Naef, den kennt man vor allem durch seine frühere Band NAVEL. Wie hast du ihn und Dominique gefunden?
Als unser alter Drummer Raphael noch in der Band war, waren wir mit der holländischen Band BIRTH OF JOY auf Tour. Raphael konnte aber nur die Hälfte der Shows spielen, deshalb hat uns Dominique damals schon geholfen. Ihn kannte ich über ein früheres gemeinsames Projekt namens DEATH OF A CHEERLEADER. Da habe ich etwa ein Jahr Gitarre gespielt. Deshalb war er natürlich unser erster Ansprechpartner, als Raphael ausgestiegen ist. Mit der Basler Band NAVEL hatten wir über zehn Jahre lang immer wieder gemeinsame Konzerte. Daher war Marco natürlich auch kein fremdes Gesicht und NAVEL haben sich ja leider schon Ende 2015 aufgelöst. Deren Songwriter Jari Antti lebt jetzt in Berlin und hat ein eigenes Studio.
Zuletzt klangt ihr ja sehr wild und grungig. „Grief, Roses And Gasoline“ wirkt viel poppiger und vor allem positiver als die ersten drei Alben. Woher kommt das?
Das hat damit zu tun, dass ich in den vergangenen zwei Jahren eine sehr harmonische und gute Zeit hatte. Mein mentaler Zustand spiegelt sich immer in meinen Songs wider. Bei mir war es schon immer so, dass meine Musik eine Art Therapie für mich selbst war, um mich von meinen Problemen zu lösen und abzuschalten. Ich finde auch, dass man mit Musik in einen sehr meditativen Zustand gelangen kann. Vor zwei Jahren habe ich meine jetzige Freundin kennen gelernt, das hat sich extrem positiv auf die Songs ausgewirkt.
Wofür steht der Albumtitel „Grief, Roses And Gasoline“?
Übersetzt heißt das „Kummer, Rosen und Benzin“. Früher steckte in unserer Musik viel mehr Kummer, aber die Rosen haben ihn ein bisschen vertrieben. Und mit dem Benzin verbrennt man die Sorgen. So verstehe ich die Metapher.
Ihr habt das Album in Seattle von John Goodmanso mischen lassen. Wie ist der Kontakt zustande gekommen?
Aufgenommen haben wir die elf neuen Tracks selbst in unserem eigenen Studio in Winterthur. Unser Schlagzeuger Dominique ist nebenbei Produzent, das hat uns sehr geholfen. So konnten wir wunderbar ohne Zeitdruck die Songs entwickeln und aufnehmen. Dann haben wir uns diverse Mixe von Produzenten angehört, die für uns infrage gekommen sind und haben uns dann für John Goodmanson entschieden, der schon mit BIKINI KILL oder PAVEMENT gearbeitet hat. Der hat eben ein Studio in Seattle und hat das Album dort gemischt. Wir waren selbst aber nicht dort, wir haben ihm die Rohaufnahmen geschickt und er hat uns dann immer die fertigen Songs zukommen lassen. Das hat er wirklich super gemacht.
Eigentlich war geplant, das Album Ende April zu veröffentlichen, der Release wurde aber dann auf den 22. Mai verschoben. Wie promotet man ein neues Album während der Corona-Pandemie?
Das Einzige, was wir momentan tun können, ist das Album irgendwie online zu bewerben. Wir haben ein paar Videoclips produziert und veröffentlichen vorab noch ein paar Singles. Alles umzukrempeln, nachdem alles schon fix geplant war, verbrennt enorm viel Energie. Kurzfristig haben wir uns entschlossen, ein Streaming-Konzert statt der abgesagten Release-Show zu spielen. Und die Tour zum Album wurde erstmal auf den Herbst verschoben.
Wie kommst du jetzt als Musiker oder ihr als Band finanziell über die Runden?
Bei uns gibt es einen Verein, der sich „SONART – Musikschaffende Schweiz“ nennt. Die dokumentieren alle Gagenausfälle durch Corona. Unter den abgesagten Terminen im April sind beispielsweise die 25-Jahre-Noisolution-Labelparty in Berlin, eine Show in Hamburg oder die Plattentaufe im Salzhaus in Winterthur. Im Mai waren dann noch 14 weitere Konzerte geplant, die alle nicht stattfinden können. Wir wissen aber noch nicht, ob der Bund bereit ist, alle entgangenen Gagen zu kompensieren. Deshalb hat jeder in der Band noch einen Teilzeitjob. Domi zum Beispiel ist nebenbei Schlagzeuglehrer, Marco ist als Fahrradkurier unterwegs und ich arbeite bei einem Musikvertrieb. Wir verkaufen Instrumente und Studioequipment.
Geprobt wird gerade wegen des Kontaktverbots nicht, oder?
Alle Proben sind erstmal abgesagt, nur für unser Streaming-Konzert haben wir eine Ausnahme gemacht. Dafür haben wir zwei Mal geprobt und dann das Konzert mit zwei Meter Abstand aufgezeichnet. Das Einzige, was wir im Moment machen können, ist neue Songs schreiben. Ich habe schon viele Ideen fürs nächste Album. Deshalb schicken wir uns schon wieder erste Skizzen für neue Tracks hin und her. Viel mehr bleibt uns gerade nicht übrig.
In Deutschland wurden alle Großveranstaltungen bis zum 31. August gecancelt. Damit ist der Festivalsommer für dieses Jahr quasi tot. Wenn irgendwann alle Bands wieder Konzerte spielen dürfen, könnte es sehr eng in den Clubs werden. Befürchtest du dann Staus auf den Bühnen?
Größere Bands verschieben ihre Konzerte sowieso schon um ein ganzes Jahr, weil sie kein Risiko eingehen wollen. Deshalb könnte im Herbst mehr Platz für lokale und regionale Künstler sein. Wenn dann schon wieder Konzerte möglich sind. Wir wissen aber alle nicht, wie es sich entwickelt. Wir hoffen natürlich, dass wir möglichst bald wieder Gigs spielen können. Die Situation ist für die Clubs natürlich auch extrem anstrengend, weil sie ständig alles umbuchen müssen.
Wenn wir jetzt mal einen Blick wagen in die Zeit nach Corona. Befürchtest du einen Kahlschlag in der Subkultur?
In der Schweiz gibt es aktuell Rettungspakete, das Geld kann man ohne Zinsen binnen fünf Jahren zurückzahlen. Aber Clubs, Veranstalter oder auch Magazine, die es ohnehin schon vor Corona schwer hatten, haben wohl kaum Chancen zu durchzuhalten. Es gibt aber auch viele Clubs, die ehrenamtlich geführt werden, die werden bestimmt überleben.
Wie hart trifft dich die Corona-Pandemie in deinem Privatleben?
In meiner Verwandtschaft und meinem Freundeskreis ist zum Glück noch niemand, der sich angesteckt hat. Allerdings wohne ich direkt neben dem Krankenhaus in Winterthur und ich merke, dass die Rettungswagen und Helikopter viel öfter unterwegs sind als sonst. Im Supermarkt merkt man brutal, wie verängstigt die Leute sind. Deshalb gehe ich für meinen 75-jährigen Nachbarn einkaufen. Natürlich mache ich mir außerdem Sorgen um meine eigenen Eltern. Ich habe ihnen auch angeboten, für sie einkaufen zu gehen. Das wollen sie aber nicht. Für mich ist es echt doof, dass die Grenzen geschlossen sind, weil meine Freundin in Konstanz wohnt. Das ist nur etwa dreißig Minuten entfernt von mir, aber aktuell unerreichbar für mich. Deshalb können wir uns seit Wochen nicht sehen. Mittlerweile ist das schon sehr uncool.
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